Wahlkampf der Grünen

Hochleistungszucht am Pranger

Unter dem Titel „Qualzucht bei Nutztieren“ haben Die Grünen einen Monat vor der Bundestagswahl eine neue Studie veröffentlicht. Darin stellt Prof. Dr. Bernhard Hörning von der Hochschule Eberswalde fest, dass sich u.a. der Gesundheitszustand der Milchkühe „durch starken Kostendruck und Hochleistungszüchtungen deutlich verschlechtert" hat. Die Studie stößt nun auf massive Kritik.

In der Studie vertritt der Autor die Auffassung, dass die hohen Leistungen bei Milchkühen verschiedene Leiden wie Fruchtbarkeitsstörungen, Euter- und Klauen-Erkrankungen sowie Stoffwechselstörungen begünstigten. So habe sich die Milchleistung von Kühen in den letzten fünf Jahrzehnten von knapp 4.000 kg auf mehr als 8.000 kg pro Jahr verdoppelt, heißt es in der Studie. Diese Krankheitskomplexe verursachten mindestens die Hälfte aller vorzeitigen Schlachtungen. So habe sich die Nutzungsdauer einer Kuh in den letzten vier Jahrzehnten auf nur noch 2,1 Jahre halbiert.
Zudem hätte die Zucht auf Höchstleistungen zu Verschiebungen innerhalb des Rassespektrums geführt. Die vier wichtigsten Milchrassen (Schwarzbunte, Rotbunte, Fleckvieh, Braunvieh) machten 2011 bereits über 90 % aller Milchkühe aus. Auch innerhalb einer Rasse nimmt die genetische Vielfalt aufgrund von künstlicher Besamung, Embroytransfer, Spermasexing und Genomselektion immer mehr ab, der Inzuchtgrad steigt.
Der Autor spricht sich dafür aus, den sogenannten Qualzuchtparagraphen im Tierschutzgesetz im Hinblick auf Nutztiere zu präzisieren. Ebenso schlägt er ein Verbot bestimmter Rassen und die Einführung von Leistungsobergrenzen gegen Entschädigung vor. Zuchtunternehmen sollen Fitnessmerkmale, Nutzungsdauer und Exterieur im Gesamtzuchtwert höher gewichten, Milcherzeuger bei der Auswahl des Besamungsbullen doch vermehrt auf Zucht auf Lebensleistung bzw. den Ökologischen Gesamtzuchtwert (ÖZW) setzen.

DBV: „Tierzucht“ als Wahlkampfthema vollkommen ungeeignet

Auf scharfe Kritik ist die Studie beim Deutschen Bauernverbande  (DBV) gestoßen. Generalsekretär Dr. Helmut Born warf den Grünen vor, sie säten bewusst Misstrauen gegenüber den landwirtschaftlichen Tierhaltern „und das nicht zufällig einen Monat vor der Bundestagswahl”. Die Studie hält Born für mangelhaft. „In der Studie wurde vollkommen vernachlässigt, dass Vitalität, Langlebigkeit und Krankheitsresistenz feste Bestandteile der Züchtungsziele sind." 55 % am Gesamtzuchtwert machen bereits Gesundheits- und Fitnessmerkmale aus, zudem sei der genetische Trend der Nutzungsdauer positiv, weil schon lange auf dieses Merkmal gezüchtet wird. Bei den Milchkühen sei, anders als in der Studie behauptet, die Lebensdauer seit 10 Jahren trotz gestiegener Leistungen konstant, ebenso gehe die Kälbersterblichkeit zurück, berichtet der DBV. Grund sind sowohl ein verbessertes Management der Milchviehhalter (Klima, Futter, Zucht, Hygiene, Tiergesundheitsmanagement) als auch verbesserte Haltungsbedingungen.
Born kritisiert zudem, dass die Studie auf Basis sehr „ausgewählter“ und teils veraltete Literatur verfasst sei und auf keine eigenen Untersuchungen zurückgreife. Viele Behauptungen seien falsch und wurden aufgestellt, ohne diese wissenschaftlich zu belegen. Grundsätzlich, erklärte Born, hätten Bauern einen guten Blick dafür, ob in der Züchtung nachhaltige Ziele verfolgt werden oder nicht. Nur Tiere, die sich wohl fühlen, lieferten auch kontinuierlich und klimafreundlich hochwertige Nahrungsmittel wie Fleisch, Milch oder Eier.
Ähnlich äußerte sich der tierschutzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Hans-Michael Goldmann. Er unterstellt den Grünen, mit ihrer Studie die moderne Tierhaltung diffamieren zu wollen. Dabei werde verkannt, dass sich bei der Zucht in den letzten Jahren Vieles zum Wohle der Tiere entwickelt habe.
Demgegenüber wertet der agrarpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Friedrich Ostendorff, die Ergebnisse als Bestätigung seiner Position. Statt immer weiter auf Leistung zu züchten, müssten Gesundheit und eine lange Lebensdauer endlich zum Zuchtziel werden, so der Grünen-Politiker.
Hier können Sie die Studie als pdf downloaden: