Leibniz-Institut für Nutztierbiologie

Hitzestress schädigt den Darm

Hitzestress kann bei Milchkühen zur Schädigung der natürlichen Darmbarriere führen. Wissenschaftler weisen nach, dass so Krankheitserreger tief in Darmschichten eindringen und eine Abwehrreaktion in Form eingewanderter Immunzellen auslösen können.

Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) konnten erstmalig belegen, dass hohe Umgebungstemperaturen bei Milchkühen direkt zur Beeinflussung der natürlichen Darmbarriere führen können. Eine geschädigte Schutzbarriere des Darms gibt den Weg frei für Bakterien und weitere Krankheitserreger, die vermehrt und möglicherweise auch tiefer in die Schichten des Darms eindringen können und eine Immunabwehrreaktion in Form von eingewanderten Immunzellen auslösen.

Was ist das Problem: Wärme oder geringe Futteraufnahmen?

In dem entsprechenden Versuch wurden Holsteinkühe hohen Umgebungstemperaturen und Luftfeuchtigkeit (28°C und THI 76) ausgesetzt und so unter standardisierten Bedingungen einer simulierten Hitzeperiode über mehrere Tage ausgesetzt. Ziel des Versuches war es, ein besseres Verständnis über die physiologischen Abläufe in Milchkühen in Reaktion auf Hitzestress zu erhalten. Im Leibniz-Institut stehen für derartige Simulationen eine Klima- und vier Respirationskammern zur Verfügung, in denen mit modernsten Methoden unter kontrollierten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen geforscht werden kann.
Das Besondere in diesem Fall: Bislang war unklar, ob viele der bei Tieren beobachteten Veränderungen (u.a. Milchleistung) bei Hitzestress lediglich Folgen einer verringerten Futteraufnahme waren. Daher wurden jetzt zusätzlich Kühe ohne Hitzestress parallel untersucht, die nur die Futtermenge erhielten, wie sie die Hitze-gestressten Tiere aufgenommen hatten. Durch den Vergleich der Tiergruppen konnten die Wissenschaftler herausfinden, was direkte Hitzeauswirkungen und was indirekte Auswirkungen infolge einer herabgesetzten Futteraufnahme waren.

Hitzestress beeinträchtigt die natürliche Darmbarriere

„Bei den histologischen Untersuchungen des Dünndarms (Jejunum) von hitzegestressten Tieren haben wir die Einwanderung von bisher nicht näher bestimmten Zellen und Zellhaufen in der Bindegewebsschicht (Submucosa) des Dünndarms beobachtet“, erläuterte die Agrarwissenschaftlerin Dr. Elke Albrecht aus dem Institut für Muskelbiologie und Wachstum am FBN. „Dies wiederum kann Folge einer gestörten Darmbarriere sein."
Die Auswertung der RNA-Daten dieser Zellen und Zellhaufen ergab, dass es sich bei den einwandernden Zellen um Immunzellen handelt, nämlich einem Subtyp von Makrophagen, die bisher in dieser Form und in dieser Gewebsschicht des Darms noch nicht beschrieben worden sind. Makrophagen sind Immunzellen, die körperfremde Proteine oder Glykoproteine, beispielsweise von Viren und Bakterien, die in das Gewebe eingedrungen sind, erkennen und durch Phagozytose (Auflösung und Unschädlichmachung von Fremdstoffen im Organismus) beseitigen. Weiterhin weisen auch Veränderungen in der Expression von darmwandabdichtenden Proteinen auf eine gestörte Darmbarriere infolge Hitzestress hin.
„Somit ist klar, dass der zunehmende Hitzestress unmittelbar zu gesundheitlichen Folgen im Darm bei Milchkühen führt, die nichts mit der reduzierten Futteraufnahme bei hohen Temperaturen zu tun haben“, erklärte Professorin Dr. Christa Kühn vom beteiligten Institut für Genombiologie.
Hitzestress bleibt Thema für die Milcherzeugung
„In Bezug auf die Prognosen der globalen Klimaveränderungen ist es notwendig, grundlegende physiologische Mechanismen des Hitzestresses aufzuklären. Daher sind am FBN weitere Studien geplant, um die Beeinträchtigung der Durchlässigkeit des Darms und der Immunabwehr im zeitlichen Verlauf des Hitzestresses genauer zu untersuchen“, kündigte Privatdozent Dr. Björn Kuhla vom Institut für Ernährungsphysiologie „Oskar Kellner“ an. Zudem gehe es um gezielte Interventionsmaßnahmen zur Abmilderung des Hitzestresses durch den Einsatz von speziellen Fütterungs- und Haltungsstrategien und die Züchtung von Tieren mit besserer Hitzetoleranz.
Die Forschungsergebnisse sind Anfang Mai im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America” veröffentlicht worden. „Heat stress directly impairs gut integrity and recruits distinct immune cell populations into the bovine intestine“, PNAS first published May 7, 2019, www.pnas.org/content/early/recent
Quelle: Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, zur Original-Meldung


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