63. Öffentliche Hochschultagung Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Genossenschaften haben Nachholbedarf bei der Internationalisierung

Seit 2007 beeinflussen Veränderungen der Weltwirtschaft (Finanzkrisen, Dürren, Politikänderungen) den EU-Milchmarkt. Inzwischen ist die Preisvolatiliät für Milchprodukte in Deutschland und der EU höher als in der Welt! Volatile Märkte erfordern daher mehrere Absatzwege und flexible Produktionsstrukturen der Molkereien. Die Internationalisierung ist die notwendige Reaktion auf rückläufige Heimatmärkte, so die Kernbotschaft der Experten auf der 63. Hochschultagung der CAU Kiel.

Derzeit beträgt der Selbstversorgungsgrad an Milch in der EU 112 % oder umgerechnet 13,9 Mrd. kg Überschuss pro Jahr. Bis ins Jahr 2022 wird die Überversorgung laut Prognosen auf 20 Mrd. kg Milch anwachsen. Doch die Nachfrage in der EU stagniert. Gerade bei Konsummilch und Quark ist die Nachfrage in den letzten sechs Jahren um bis zu 10 % zurückgegangen. Ein Export von Milchprodukten wird daher immer wichtiger.
Denn während die Nachfrage in der EU stagniert, steigt sie weltweit v.a. in Asien, Nahost und Nordafrika an. Vor allem in Asien/Pazifik (+22 %), Lateinamerika (+12,8 %), Nordafrika (+9,5 %) wird der Pro-Kopf-Verbrauch bis 2021 deutlich zulegen. „Hier ist das Einkommen der Bevölkerung entscheidend, ob mehr Milchprodukte verzehrt werden“, so Dr. Gloy (DMK). Ein weltweit steigendes Brutto-Inland-Produkt sollte das sicherstellen.

„Die Nachfrage wird stärker steigen, als das Angebot“

Allerdings wird auch die Milchproduktion weltweit steigen. Prognosen gehen von +150 Mrd. kg bis 2021 aus. Gerade die für Deutschland wichtigen Import-Länder, wie Russland, Ozeanien und Asien werden die Milchmengen deutlich steigern. Dr. Gloy geht jedoch davon aus, dass „keiner einen Selbstversorgungsgrad von 100 % erreichen wird.“
Trends

(Bildquelle: Elite Magazin)

Trotzdem sei es wichtig, auch zusätzliche Märkte wie z.B. Babynahrung zu erschließen. Die steigenden Geburtenraten der Dritt- und Schwellenländer versprechen einen guten Absatz. Die Kaufkraft in diesen Ländern sei groß genug, Vor- und Hauptprodukte abzunehmen, so Dr. Gloy.

„Genossenschaften haben Nachholbedarf“

Die deutschen Molkereiunternehmen stehen also vor der Herausforderung, die stetig wachsende Milchmenge zu verarbeiten und auf dem Exportmarkt zu vermarkten. Welchen Unternehmen gelingt es, ihre Produkte auf den Auslandsmärkten abzusetzen? In seiner Masterarbeit arbeitete Renke Ackermann (CAU Kiel) heraus, welche Einflussfaktoren auf den Internationalisierungsgrad einer Molkerei wirken. Dazu untersuchte er die Buchführungsdaten von 47 Molkereien. Neben 21 Genossenschaften flossen auch 26 private Molkereien in die Untersuchung ein. Ergebnisse:

  1. Genossenschaftlich organisierten Molkereien haben einen Nachholbedarf bei der Internationalisierung. Das betrifft sowohl die Exporte als auch Direktinvestitionen im Ausland.
  2. Ein wesentlicher Treiber für den Internationalisierungsgrad ist die Unternehmensgröße.
  3. Unternehmen mit einem Produktionsprogramm der weißen Linie haben einen vergleichsweise geringen Internationalisierungsgrad.
  4. Die Unternehmensgröße hat keinen direkten Einfluss auf den Internationalisierungsgrad.

In Schleswig-Holstein gibt es durchaus große (multi-)nationale Unternehmen, die durch ihre Größe in der Lage sind, die nötigen Ressourcen aufzubringen, um Exportmärkte erfolgreich zu bearbeiten. Andererseits wird der Großteil der Milch noch von kleinen und mittleren Unternehmen erfasst, bei denen weiterer Konsolidierungsbedarf vorhanden ist. „Die strategische Ausrichtung der Produktion muss dabei immer vor dem Hintergrund eines erhöhten Internationalisierungsbedarfs erfolgen“, so Ackermann.
  1. Genossenschaftlich organisierten Molkereien haben einen Nachholbedarf bei der Internationalisierung. Das betrifft sowohl die Exporte als auch Direktinvestitionen im Ausland.
  2. Ein wesentlicher Treiber für den Internationalisierungsgrad ist die Unternehmensgröße.
  3. Unternehmen mit einem Produktionsprogramm der weißen Linie haben einen vergleichsweise geringen Internationalisierungsgrad.
  4. Die Unternehmensgröße hat keinen direkten Einfluss auf den Internationalisierungsgrad.

„Es gibt keine billige Milch mehr!“

Thorsten Hemme (IFCN Kiel) betonte in seinem Vortrag, dass die (nord-)deutschen Milchbauern deutliche Kostenvorteile in den Produktionskosten (Fläche, Löhne) im Gegensatz zu ihren europäischen Nachbarn (Niederlande, Dänemark) haben. Auch international sind die Produktionskosten der norddeutschen Betriebe mit rund 34 Cent/kg Milch durchaus mit den Kosten der USA (30 Cent) und Neuseeland (25 Cent) vergleichbar. „Es gibt keine billige Milch mehr!“, so Hemme. Weltweit nähern sich die Produktionskosten den 30 Cent. In den USA und der EU würden die Produktionskosten sogar weniger schnell steigen, als in Ländern wie Brasilien, Indien und China.
Doch die steigenden Futterpreise verschlechtern die Profitabilität der Milcherzeugung. Von Juli bis Oktober 2012 lag der Preis für ein kg Kraftfutter über dem Preis für ein kg Milch! Hemme prognostizierte, sofern der Weltmarkt-Futterpreis auf dem jetzigen Niveau (27,3 €/100kg Futter) bleibt, sei langfristig mit Weltmilchmarktpreisen von über 33 Cent/kg Milch zu rechnen. Angesprochen auf die Volatilität der Milchpreise entgegnete er: „Ja, wir werden
50 Cent Milchpreis bekommen, die vom BDM gefordert werden. Es stellt sich nur die Frage, wie lange!“