Geburtshilfe richtig leisten

Bei Abkalbungen können auf jeden Betrieb Probleme auftreten, sowohl bei nicht sachgemäßer Geburtshilfe als auch bei einem normalen Geburtsverlauf. Wie es richtig geht, haben wir auf einem Seminar zur Geburtshilfe gelernt.

Die Tierärztinnen Sandra König und Marion Ahlers (agro prax) zeigten im Seminar, worauf es bei der Geburtshilfe ankommt. Neben dem normalen Geburtsverlauf wurden Abkalbemanagement sowie die Versorgung von Kuh und Kalb nach der Geburt thematisiert. Nach der Theorie am Morgen übten wir am Nachmittag mit einer lebensechten Attrappe der Praxisfall.

Die normale Geburt

Um eine Abkalbung richtig abschätzen zu können, muss der Mensch zunächst einmal wissen, wie eine normale Geburt verläuft. Denn nur wer das verinnerlicht hat, kann sachgemäß Hilfe leisten, ohne Probleme zu verursachen. Geburtshilfe muss immer eine Ausnahme bleiben, denn 90% der Geburten sollten ohne Hilfe von statten gehen.
Eine normal verlaufende Geburt besteht aus drei Abschnitten:
  1. Die Vorbereitungsphase
  2. Die Öffnungs-/Weitungsphase
  3. Die Austreibungsphase

Die Vorbereitungsphase fängt 14 Tage vor der Abkalbung an und zeigt sich am Aufeutern und Lockern der Beckenbänder. Es folgt die Öffnungsphase, diese beginnt mit Öffnungswehen. Danach folgen die regelmäßigen Wehen, dabei wird die Fruchtblase in den Muttermund geschoben und die Geburtswege werden geweitet.
Die letzte Phase, die Austreibungsphase, beginnt, wenn der Kopf des Kalbes in das Becken eintritt. Dabei drückt der Kopf vom Kalb gegen bestimmte Nervenzellen im Becken der Kuh. Dadurch wird eine Oxytocin-Ausschüttung ausgelöst und es kommt zu Gebärmutterkontraktionen. Neben diesen Wehen wird auch die Bauchpresse ausgelöst. Diese ist dafür da, dass das Kalb nach oben in Richtung Becken geschoben wird.

Die lange Nabelschnur erlaubt viel Zeit

Wenn die Füße sichtbar sind, darf es noch 1 bis 2 Stunden dauern, bis das Kalb auf der Welt ist. Sind die Füße und der Kopf noch von der Schleimblase umschlossen, soll diese nicht manuell geöffnet werden, da diese beim Weiten des Beckenausganges während der Wehen hilft. Bedenken, dass das Kalb schon anfängt zu atmen und dadurch Fruchtwasser in die Lunge kommt, sind unbegründet. Denn die Versorgung des Kalbes ist bis zum letzten Moment durch die Nabelschnur gewährleistet. Sobald die Nase des Kalbes erkennbar ist, dauert die Geburt nur noch ca. eine Stunde.
Pro Wehe wird das Kalb um 0,5-1cm ausgeschoben. Hierbei ist es normal, dass das Kalb mit den Wehen zwei Schritte vor und einen zurück macht. Dadurch kann sich das Gewebe des weichen Geburtsweges der Kuh dehnen. Dies sollte auch bei einer Geburtshilfe beachtet werden. Denn so kann das Gewebe noch ein bisschen durchblutet werden und die Gefahr von Einrissen wird verringert.
Nachdem der Kopf da ist, kommt es zu einer kurzen Wehenpause. Dabei darf keine Hektik aufkommen, denn das Kalb ist mit der Nabelschnur versorgt und es darf noch einige Minuten dauern, bis das Kalb vollständig geboren ist.
Wenn das Kalb zur Hälfte geboren ist, sollte bei einer Zughilfe kurz gewartet werden, da noch Blut zur Versorgung in das Kalb gepumpt wird. Außerdem wird so die Plazenta blutleer, dies erleichtert den Nachgeburtsabgang. Bei den oben angegebenen Zeiten sollte beim Abkalben von Färsen bedacht werden, dass doppelt so lange Zeiten normal sind!

Interesse der Kuh steht an erster Stelle

Bevor man mit der Geburtshilfe anfängt, muss zuerst der Allgemeinzustand der Kuh untersucht werden. Hat sie vielleicht Milchfieber? An zweiter Stelle steht eine Untersuchung der Geburtswege mit Handschuh und Gleitgel an: Gibt es Verletzung? Geburtshindernisse? Lage, Stellung, Haltung des Kalbes?
Die häufigsten Ursachen für einen notwendigen Tierarzteinsatz sind:
  1. Großes Kalb
  2. Lage-/ Stellungs-/ Haltungskorrektur
  3. Muttermund öffnet sich nicht
  4. Gebärmutterverdrehung
  5. Übergangene Geburt
  6. Missbildungen

Wenn bei einer Abkalbung Unsicherheiten bestehen, sollte unbedingt, im Sinne der Gesundheit von Kuh und Kalb, der Tierarzt gerufen werden.


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