Erdbeben lässt Melkkarusselle tanzen

Heftige Erdbeben auf der Südinsel Neuseelands. Viele Farmen ohne Strom, Melkkarusselle aus Plattformen gesprungen, Kühe können nicht gemolken werden. Wiesen und Weiden arg in Mitleidenschaft gezogen.

Die Südinsel Neuseelands wird derzeit von heftigen Erdbeben erschüttert. Besonders betroffen ist die Milchregion Canterbury, in der 12 % der neuseeländischen Milchmenge produziert werden.
Dem ersten Erdbeben um das Epizentrum in der Nähe der Stadt Christchurch mit der Stärke 7,1 folgten weitere 100, zum Teil extrem heftige Erdstöße, die teilweise eine Stärke von 5,4 erreichten. Die heftigsten Beben seit Jahrzehnten haben in den ländlichen Regionen zum Zusammenbruch der Strom- und Wasserversorgung geführt.
Betroffen von den tektonischen Verschiebungen sind auch rund 400 Milchfarmen. Schaden genommen haben insbesondere Wohn- und Stallgebäude, Zäune, Silos und Bewässerungseinrichtungen. Rund 150 Farmen sollen schwer beschädigt sein. Einige größere Farmen mit mehreren hundert Kühen waren zwischenzeitlich gezwungen, das Melken auszusetzen. „Das klingt schlimmer als es ist“, weiß Dairy NZ Senior Berater Dr. Dawn Dalley. „Das Melken kann notfalls bis zu vier Tage unterbrochen werden, ohne dass sich dies negativ auf die Milchleistung auswirkt.“ Die Tiere müssten nur weiter „voll“ gefüttert werden.
Laut Berichten örtlicher Berater sind einige Karussellmelkanlagen aus der Verankerung gesprungen. Mittlerweile dürfte auf der Mehrzahl der Milchfarmen, trotz der Unterbrechung der Stromversorgung, aber wieder gemolken werden. Viele Farmen helfen sich gegenseitig mit Notstromaggregaten aus oder treiben ihre Herden zum Melken auf benachbarte Farmen.

Grünland gleicht Ozean

Die Verschiebung der Erdmassen hat so manche Weide in eine Wellenlandschaft verwandelt. Roger Bates, dessen Milchfarm in Darfield, etwa 19 Meilen neben dem Epizentrum liegt, drückt es wie folgt aus: „Die gesamte Fläche gleicht der Oberfläche des Ozeans. Die Wellentäler sind teilweise bis zu 1,8 m tief."
Die Milcherfassung und Milchverarbeitung hat nach Angaben von Fonterra, Neuseelands größtem Milchverarbeiter, bislang kaum unter den Erdstößen gelitten. Zwar hätten viele Sammelwagen in Folge unpassierbarer Straßen, Probleme, die Farmen zu erreichen, dennoch habe man die Tanks auf den meisten Farmen leer pumpen können. Nur an einem Fonterra-Werk entstand ein geringfügiger Sachschaden.
Der Molkereikonzern hat angekündigt, 1. Mio. NZ$ (umgerechnet knapp 560.000 €) an einen zentralen Hilfsfonds zu spenden. Außerdem biete das Unternehmen seinen Erzeugern praktische Unterstützung bei der Beseitigung von Schäden und Stromgeneratoren an. Auch stellt die Molkerei Tankwagen zur Trinkwasserversorgung ab. Andere Farmer wiederum berichten von tiefen Gräben auf dem Grünland, die das Beweiden der Flächen erschwerten.
Zu allem Überfluss behindern jetzt auch noch heftige Regenfälle die Instandsetzungsarbeiten. Am Wochenanfang sind allein an einem Tag bis 200 mm Niederschlag niedergegangen, was die Bäche und Flüsse teilweise in reißende Ströme verwandelt hat. Viele Treibwege wurden überflutet, der Zugang zu den Weideflächen ist mancherorts unpassierbar.

Der Inselstaat erlebt bis zu 15.000 Erdbeben pro Jahr

Nach Angaben der US-Geologiebehörde USGS lag das Epizentrum der Erdbeben rund 30 Kilometer nordwestlich von Christchurch, der zweitgrößten Stadt Neuseelands. Über 100.000 Häuser in der 350.000-Einwohner-Stadt sind beschädigt und zum Teil unbewohnbar, teilt der Zivilschutz mit. Die Bevölkerung sei durch die Häufigkeit der Erdstöße regelrecht traumatisiert. Die Regierung schätzt den gesamten Sachschaden im Land auf über 1 Mrd. €.
„The shaky Isles“, die zitternden Insel, nennen Wissenschaftler und Beobachter Neuseeland. Erdbeben sind in dem Inselstaat aufgrund der speziellen geographischen Lage häufig. Direkt unter Neuseeland stoßen die australisch-indische und pazifische Kontinentalplatte mit starker Kraft aneinander. Dabei schiebt sich eine Platte mit starkem Abrieb an die andere, wodurch auch immer wieder Erdbeben entstehen.