12. Milch Forum NRW

Eine Sektorstrategie, ein Leitbild für die Milchbranche, muss her

Am Mittwochabend trafen sich Akteure der Milchbranche NRW zum 12. Mal zum Milch Forum in Werl. Die Vorträge und Diskussionen konzentrierten sich um den Stand der Dinge zur Sektorstrategie für die Deutsche Milchbranche.

Das 12. Milch Forum NRW wurde unter dem Leitspruch Milch, Märkte, Masterpläne" ausgerichtet. Der vom Veranstalter, der Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW e.V: (LV Milch NRW), geladene Referentenkreis konzentrierte sich in den Vorträgen und Diskussionen vor allem auf das derzeit für die Milchbranche hochrangige Thema:
Der Frage danach, ob es eine Art bundesweiten Masterplan bzw. Sektorstrategie brauche, um den Milchmarkt in Deutschland krisenfester zu machen und, wie so etwas im gegebenen Fall konkreter aufgestellt sein sollte.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle vertretenden Redner sich einig darin zeigten, dass neben den unternehmensindividuellen Masterplänen der Milcherzeuger und Molkereien auch ein großes Leitbild für die gesamte Milchbranche her muss. Und aus den Gesprächen war zu entnehmen, dass eine solche entsprechende Sektorstrategie" bereits in Arbeit ist.
So haben der Milchindustrie-Verband (MIV), der Deutsche Bauernverband (DBV) und auch die Interessengemeinschaft Milch (IG Milch) bzw. der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) jeweils in den vergangenen Monaten entsprechende Ideenpapiere zu einer Sektorstrategie Milch ausgearbeitet. Diese befänden sich derzeit in Abstimmung und seien offenbar nahezu fertig" und sollen im Herbst vorgestellt werden".
Vorsichtig-kritische Stimmen ließen jedoch herausklingen, dass derzeit noch nicht eindeutig gesagt werden könne, ob sich aus den drei Papieren ein gemeinsames Leitbild formen ließe. Das Ziel ist es zumindest. Und der Druck ist hoch. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hatte Ende August eine Frist gesetzt: Bis Ende diesen Jahres soll die Milchbranche" sich auf eine Strategie geeinigt haben.
Dass so eine Strategie nicht alle Probleme am Markt lösen könne, sei klar. Was sie aber können muss und was dazu individuell auf der Ebene der einzelnen Unternehmen getan werden müsse, dazu verkündeten die Redner ihre Meinungen:
Der Staat will Zuschauer" sein und sein Eingriffsrecht behalten
Seitens des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) war Dr. Bettina Hartwig vertreten. Sie überbrachte einen Gruß von der Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und verkündete die ministeriale Stellung zur Debatte um die notwendigen Veränderungen und Ausrichtungen am Milchmarkt:
  • Es muss jetzt daran gearbeitet werden, die Milchbranche robuster gegenüber Preisschwankungen aufzustellen. Dafür gebe es aber nicht das eine Instrument.
  • Jeder einzelne Milcherzeuger müsse in puncto Vorsorge auf mehreren Ebenen agieren. Vor allem eine erhöhte privatwirtschaftliche Absicherung, in Form von Rücklagen oder z. B. Aktivitäten an der Warenterminbörse, sei unverzichtbar, um die Preisschwankungen am Markt auszuhalten.
  • Weitere Maßnahme zur individuellen Vorsorge sei die Modernisierung der Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Milcherzeugern, auch eine vorausschauende Milchmengenplanung gehöre dazu.
  • Eine langfristige Strategie, ein Leitbild, sieht das Ministerium für die Branche als nötig. Dafür müssen die beteiligten Akteure - Milcherzeuger und Milchverarbeiter gebündelt in ihren Verbänden – eng und schlagkräftig zusammenarbeiten. Auch mit dem Ziel, die Wertschöpfung bei ihren Molkereiprodukten zu erhöhen.
  • Der Staat wolle als Zuschauer am Markt agieren, also keine direkte Marktsteuerung vornehmen. Im Krisenfall, wenn Existenzen bedroht sind, will er aber weiterhin eingreifen dürfen. Stichworte die diesbezüglich fielen waren z.B: Einzelbetrieben helfen; Kriseninstrumente schaffen; Interventionen vornehmen; Liquiditätshilfen bereitstellen.

Das im Milch Forum anwesende Publikum hatte eine eindeutige Meinung zur Rolle des Staates, die Moderator Anselm Richard (Chefredakteur Wochenblatt für Landwirtschaft & Landleben) per elektronischem Abstimmungssystem abfragte: 90 % der Anwesenden sagt Nein" dazu, dass der Staat in Niedrigpreisphasen mehr in die Pflicht genommen werden sollte. 10% stimmte dafür. Mit diesem Abstimmungssystem wurde auch ermittelt, welche Personengruppen das Publikum der Veranstaltung ausmachten. Vor Ort befanden sich demnach mit dem größten Anteil von 31 % Milcherzeuger und dem zweitgrößten Anteil von 19 % Molkerei-Vertreter. Der restliche Anteil setzte sich aus Vertretern verschiedener Verbände, Politikern und der Presse zusammen.
Ende September findet die nächste Agrarministerkonferenz statt. Auch hier soll die Beratung um eine Sektorstrategie wieder aufgenommen werden.
Regionale Masterpläne mit Bezug zum Weltmarkt: Dr. Thorsten Hemme (International Farm Comparison Network, IFCN), der sich durch seine Arbeit mit den Bewegungen an den Milchmärkten in allen Regionen der Welt beschäftigt, verdeutlichte, dass die nationalen Milchpreise immer auf den Weltmarktpreis reagieren und sich diesem in einer Frage der Zeit annähern. Als sinnvoll sieht er daher Masterpläne für jede Region, in denen aber immer auch der Bezug zum Weltmarkt besteht. Als sehr gutes Beispiel für eine Sektorstrategie und die notwendige Zusammenarbeit zwischen den Akteuren nannte Dr. Thorsten Hemme Irland und die Kerrygold-Geschichte.
Soll es einen Masterplan geben, dann müsse vor der Ausgestaltung klar entschieden werden, was betrachtet werden soll (Land, Region, Unternehmen) und wer den Prozess leiten bzw. auch finanzieren soll (Molkereien, Milcherzeuger, Politik, Verbände), so Hemme. Der Zielzeitraum zur Orientierung ist für ihn die Milchwirtschaft im Jahr 2030 – ein Masterplan muss so ausgelegt sein, dass er einen erfolgreich in das dort der Prognosen ankommen lässt.
Individuelle Masterpläne + ein gemeinsamer Rahmen für die Branche: Ingo Müller, Geschäftsführer der DMK Deutsches Milchkontor GmbH, ist nach wie vor der festen Überzeugung, dass es, neben den Unternehmens-individuellen Betrachtungen, auch einen gemeinsamen Rahmen für die Milchbranche braucht. Nur wenn es der Branche gelingt Zukunftsszenarien gemeinsam zu erarbeiten, können wir Veränderungen herbeiführen. Kultur, Führung und Kommunikation sind wesentliche Treiber für einen Veränderungsprozess."
Dass es so viele Beteiligte sind erschwere das Einigen und Ausrichten einer gemeinsamen großen Strategie. Aber die der Milchproduktion übergeordneten gesellschaftlichen Belange in puncto Tierwohl, Lebensmittelsicherheit und Transparenz seien Themen, mit denen alle Milcherzeuger und Milchverarbeiter in der öffentlichen Debatte nur gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren können. Heißt: Nur wenn die Branche zu diesen Punkten aus einer gemeinsamen Position eine große Lösung" (= Leitbild, Ausrichtung) nach außen anbieten kann, ist die Milchbranche langfristig erfolgreich (= zukunftsfähig). Nur dann könne man Teil der Lösung sein. Ansonsten sind wir immer Teil des Problems, so Müller. Gute Kommunikation ist hier für Müller das Schlüsselwort.
Notwendig sei es jetzt schnell zusammen zu finden und heute Rahmenbedingungen aus der Branche heraus zu vereinbaren. Von der derzeit stabilen bis positiven Entwicklung am Milchmarkt dürfe sich niemand zum Ausruhen verleiten lassen.
Dass ein einheitlicher Ansatz des gesamten milchwirtschaftlichen Sektors essentiell für eine zukunftsfähige Milchbranche ist, erklärte auch Jeroen Elfers, Director Cooperative Affairs bei FrieslandCampina.
Volumen und Effizienz müssen steigen, damit das finanzielle Gleichgewicht bleibt: Jeroen Elfers verwies aber auch noch auf einen weiteren Aspekt: Um all den Anforderungen von NGOs, Händlern und Einzelhändlern gerecht zu werden UND ein gesundes finanzielles Gleichgewicht in der Milchproduktion zu wahren, werden seiner Meinung nach Volumen und Effizienz weiter steigen müssen.
Hierauf wurde auch in der anschließenden Diskussion eingegangen. Die Kostenseite der Milchproduktion sei schneller und leichter zu beeinflussen als die Erlösseite, so der Tenor. Aber was ist mit den Kosten, die durch gesetzliche Auflagen wie z.B. durch die neue JGS-Verordnung, entstehen? Durch solche Pflichten können in kürzester Zeit extrem hohe Investitionssummen auf Betriebe zukommen, die eben nicht wie bei anderen Investitionen durch eine daraufhin eintretende verbesserte Milchleistung oder Effizienz ausgeglichen werden können. Eine Frage, die nicht von den Milcherzeugern oder Molkereivertretern beantwortet werden konnte und wohl auch nicht werden kann.
Quelle: 12. Milch Forum NRW


Mehr zu dem Thema