Ein klares Ziel vorgeben

Wie geht „gute Führung“? Das haben Herdenmanager und Betriebsleiter beim Semex-Focus-Seminar diskutiert.

Viele Milchkuhbetriebe greifen mittlerweile auf Lohn-Arbeitskräfte zurück. Je mehr Mitarbeiter bei der Betreuung der Kühe unterstützen, desto komplexer werden nicht nur die Arbeitsplanung, sondern auch die „menschlichen“ Befindlichkeiten: Wie bleiben Mitarbeiter motiviert? Was erwarten sie von einer Chefin oder einem Chef? Wie führt man „richtig“? Antworten gab es u.a. bei Herdsman Olaf Warda, Beraterin Charlotte Rothert, Motivationstrainerin Antje Heimsoeth und Betriebsleiter Claus Luerßen.
Inhalte dieses Beitrags sind u.a.
  • Mitarbeiter „analysieren“ und ihren Stärken entsprechend einteilen
  • Als Chef ein Vorbild sein und das Ziel definieren
  • Auf die Wünsche der Mitarbeiter eingehen (Vereinbarkeit von Familie und Beruf) und sie in Entscheidungsprozesse einbeziehen

Aus Sicht des Mitarbeiters: die Richtung vorgeben

Was erwarten leitende Angestellte von ihren Chefs? Für Herdsman Olaf Warda ist die Sache klar: er möchte
  • Verantwortung übernehmen und sich einbringen dürfen,
  • gerecht behandelt und ernstgenommen werden, wenn ihm oder anderen einmal etwas zu viel wird.

Des Weiteren findet er wichtig, dass Chef oder Chefin die Mitarbeiter kennen: Zumindest Name, Hobbies und Befinden sollten drin sein!
Olaf Warda ist nach Maurerlehre und einigen Jahren als LKW-Fahrer als Quereinsteiger auf den Milchkuhbetrieb mit 340 laktierenden Kühen gekommen. Schon nach kurzer Zeit nutzte er die Erfahrung aus seinen früheren Jobs und brachte sich in der Schicht- und Urlaubsplanung der Mitarbeiter ein. Heute wissen die Kollegen einen Monat im Voraus, wann sie arbeiten werden. Daneben kümmert sich Olaf um die Urlaubsplanung, die Arbeitspläne und die tägliche Verteilung der Arbeit. Bei den Kühen übernimmt er Routinearbeiten im Bereich Fruchtbarkeit und Klauengesundheit und sorgt für die Anmeldung der Kälber. „Meine Chefs fördern mich durch Vertrauen und die Möglichkeit, mich auszuprobieren. Gleichzeitig helfen sie mir, besser zu werden!“, sagt Olaf und spielt auf Fortbildungen im Herdenmanagement an. Neben dem Freiraum für die tägliche Arbeit wünscht er sich aber auch eine gewisse Führung: „Ein Chef sollte schon die Richtung vorgeben und ein ‚Reiseziel‘.“
Olaf Warda motiviert die Arbeit im und am Team, die Vielfältigkeit der Aufgaben, aber vor allem - die Menschlichkeit und Familienfreundlichkeit auf dem Betrieb. „Für uns alle hier ist klar: Wenn mein Kind was hat, dann kann ich sofort gehen“, lobt Warda. Dann können er und die anderen sich darauf verlassen, dass die Arbeit umorganisiert wird. Diese Arbeitsatmosphäre bindet ihn an den Betrieb: „Erst war es nur ein Job wie jeder andere auch. Aber mittlerweile bin ich voll angekommen.“

Die Beraterin: „Deine Mitarbeiter sind dein Spiegel“

Charlotte Rothert, gelernte Landwirtin und selbstständige Beraterin bei Cowfile, stellt klar, dass ein Chef eine Vorbildfunktion hat: „Deine Mitarbeiter sind der Spiegel deiner selbst - wenn du deine Arbeit als Belastung empfindest, wie soll das bei deinem Mitarbeiter funktionieren?“ Bis 2030 werden der deutschen Wirtschaft 23% weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Das schlägt auch auf die Landwirtschaft nieder. Für Betriebsleiter heißt das: Wie sie auftreten und mit ihren Mitarbeitern umgehen, damit diese sich wahrgenommen und „gesehen“ fühlen, spielt künftig eine größere Rolle als bisher.
Dafür sollten die einzelnen Mitarbeiter ihren Stärken entsprechend eingesetzt werden und ihnen auf Augenhöhe begegnet werden. Während sich z.B. ein Mensch wie Olaf Warda erst mit viel Eigenverantwortung wohl fühlt, sollte jemand, der sehr strukturiert arbeitet und Veränderungen nicht sehr mag, eher in Routinetätigkeiten als Fütterer oder Melker eingesetzt werden, wo ihm oder ihr klar vorgegebene Abläufe Sicherheit geben. Hilfe bietet die Psychologie mit verschiedenen Modellen, die dabei unterstützen, Menschen richtig einzuschätzen.
Des Weiteren hilft es, eine Richtung und Strukturen zwar vorzugeben, aber die Mitarbeiter dabei mitzunehmen. Wichtig sei es, erreichte Zwischenziele zu kommunizieren und wertzuschätzen. Auch dort bieten Methoden aus dem agilen Projektmanagement (ursprünglich aus der Softwareentwicklung) neue Wege: Soll beispielsweise das Abkalbemanagement optimiert werden (von Gruppen- auf Just-in-Time-Abkalbung), könnte sich der Chef im stillen Kämmerlein die neuen Abläufe und Strukturen ausdenken und sie im Anschluss seinen Mitarbeitern präsentieren. Oder er nutzt die „Scrum-Methode“: Mit der die Veränderung in viele kleine sog. „Sprints“ eingeteilt wird. Nicht der Chef gibt den Weg vor, sondern erarbeitet ihn gemeinsam mit seinen Mitarbeitern. Wie muss umgebaut werden? Welche Abläufe gelten künftig? Wie und wann werden die Melkschichten geschult?
Der Vorteil: Die Richtung der Veränderungen ist den Mitarbeitern zu jedem Zeitpunkt klar (größere Akzeptanz und Motivation).

Der Blick von außen: Einfach mal Danke sagen

In die gleiche Kerbe schlug Motivationstrainerin Antje Heimsoeth: „Menschen wollen gesehen werden, mit ihrem Beitrag zum Erfolg.“ Sie rät, die Mitarbeiter ernst zu nehmen und sie zu respektieren. Selbst, wenn manche Charaktere schwierig sind: „Nehmen Sie sich Zettel und Stift und schreiben Sie mindestens 15 Stärken der Person auf – gerade vor schwierigen Gesprächen!“ Menschen machen Beziehungen glücklich. Daher im Alltag ruhig einmal mehr Danke sagen!
Sie gibt zu bedenken, dass die Landwirtschaft bei der Mitarbeitersuche anderen Branchen etwas voraus hat: „Junge Leute möchten heute Sinn in ihrer Arbeit sehen. Und was macht bitte mehr Sinn, als Tiere bestmöglich zu versorgen und Nahrungsmittel zu produzieren?“ Damit können Milchkuhhalter in Sachen attraktives Arbeitsumfeld punkten! Denn: „Kein Mensch wird allein erfolgreich! Suchen Sie sich Menschen, die Sie unterstützen und solche, die Ihnen in der Sache Rat geben können.“

Arbeitsorganisation: Klare Strukturen schaffen

Die tägliche Arbeit gelingt umso effizienter, je besser sie organisiert ist und je klarer die Mitarbeiter über ihre Aufgaben Bescheid wissen. Leichter gesagt als getan – Berater Bastian Bannier hatte eine gute Idee und schlägt vor, den Betrieb in Form einer Homepage darzustellen. „Es gibt ja heute alle Möglichkeiten, Bereiche über ein Passwort zu sichern und so nur bestimmten Leuten zugänglich zu machen.“ Der Vorteil einer Homepage: Die meisten Menschen haben heute ein Smartphone und können somit jederzeit auf die Strukturen zugreifen. Besser zugänglich als beispielsweise ein Ausdruck im Pausenraum und zudem stets aktualisierbar. Erste Ideen sammelt er auf www.prodairyguide.de.

Den Betrieb steuern: Rasch die richtigen Stellschrauben finden

Claus Christian Luerßen führt einen Betrieb mit 800 Milchkühen. Gemeinsam mit seiner Familie hat er in den letzten Jahren verschiedene Controllingsysteme eingeführt, um zeitnah über die Entwicklungen in seinem Betrieb informiert zu sein. Jahresabschlüsse, aber auch quartalsweise Geldrückberichte bieten eher eine Rückschau als eine echte Controlling-Möglichkeit des täglichen operativen Geschäfts. Monatlich wird auf dem Rischenhof daher folgendes kontrolliert:
  • Wirtschaftlichkeit („Income over Feedcost“, IOFC)
  • Arbeitszeiten (Lohnabrechnung)
  • Tiergesundheit/Herdencheck (2x/Monat)
  • Aufzuchtleistungen Jungvieh (Zunahmen, Krankheitsraten etc.)

Wöchentlich prüft der Betrieb Fruchtbarkeit, Tiergesundheit, Milchleistung, Futteraufnahmen, Wirtschaftlichkeit (IOFC), den Melkstand sowie die Kennzahl „CowValue“ über selbst entwickelte Excel-Listen („Wochenprotokolle“). Täglich prüft er die Arbeit der Mitarbeiter (Melken, Füttern, …) sowie die Tiergesundheit.
„Durch ständiges Controlling kann ich mich näher an die Grenzen wagen“, sagt der Manager einer hochleistenden Milchkuhherde. Das wichtigste sei jedoch, die individuell passenden Kennzahlen für den eigenen Betrieb zu finden. Wie genau Luerßen vorgeht, lesen Sie demnächst in Elite!
Quelle: Focus-Seminar Semex, Bremen


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