Drosseln Sie die Milcherzeugung!

Mit klaren Worten hat der Geschäftsführer der Molkerei Hohenlohe, Martin Boschet die Milcherzeuger aufgefordert, die Milchproduktion zu drosseln. „Fakt ist, dass es in der momentanen Situation viel zu viel Milch am Markt gibt, verringern Sie die Angebotsmenge, dann werden die Preise auch wieder steigen.“

Man müsse sich vor Augen halten, dass die weltweite Milcherzeugung derzeit mindestens um die Hälfte der in Deutschland jährlich produzierten Milchmenge wachse, so Boschet auf der Generalversammlung. Egal was man hier tue; in China, Indien, USA, Neuseeland, Australien, Südamerika; überall werde zunehmend mehr Milch produziert; völlig unabhängig von den Entwicklungen in Europa.
Boschet

Martin Boschet (Bildquelle: Elite Magazin)

Eine zentrale Frage, die sich laut Boschet stellt ist, ob rein quantitatives Mengenwachstum auch wirklich zu qualitativem, sprich nachhaltigem Fortschritt führt. Kann es gelingen, jedes Jahr 20 Mrd. kg Milch zusätzlich irgendwo auf dieser Welt zu vermarkten – in Form von möglichst innovativer Produkte – die höchste Erlöse bringen?
2010 und 2011 schien es, als könnte dies gelingen, heute zeigt sich, dass weltweite Märkte nicht zu jedem Preis die von den Marktteilnehmern angebotenen Milchmengen aufnehmen. Die Aufnahmefähigkeit der Märkte für wachsende Milchmengen sei derzeit nicht gegeben. Deshalb werden vor allem Bestände an Butter und Magermilchpulver aufgebaut.
Da alle Prognosen auf ein weiter steigendes Milchangebot im restlichen Jahresverlauf 2012 hindeuten, dürfte der Druck auf die internationalen Preise weiter anhalten. Unterstützt wird diese Entwicklung auch durch eine zurückhaltende Aktivität der Importeure, die weitere Preisrückgänge erwarten.

Milchanfuhr 3,2 % über Vorjahr

Milchanlieferung

(Bildquelle: Elite Magazin)

Wie aus Berechnungen der ZMB hervorgeht, wird den deutschen Molkereien derzeit 3,2 % mehr Milch als im Vorjahr angedient. Die Schweizer Erzeuger lieferten in den ersten drei Monaten dieses Jahres 4,5 % mehr Milch an die Molkereien als ein Jahr zuvor. In Frankreich liegt die Milchanfuhr im gleichen Zeitraum ca. 1,4 % über der des Vorjahres. Auch in Österreich ist die Milchanlieferung anhaltend expansiv. In den ersten vier Monaten des laufenden Kalenderjahres haben die österreichischen Molkereien rund 4,4 % mehr Milch erfasst als im entsprechenden Zeitraum von 2011. Ebenso stellt sich die Situation in Polen dar: Gegenüber dem Vorjahresquartal wurde die Milchmenge um 8,6 % überschritten. Eine fortgesetzt zunehmende Milchanlieferung oberhalb der Vorjahreslinie ist im Vereinigten Königreich zu beobachten: Seit Jahresbeginn haben die Erzeuger insgesamt 1,4 % mehr als im gleichen Zeitraum von 2011.

Land

Milchanlieferung im 1. Quartal

NL*

+ 0,9 %

F

+ 1,2 %

A*

+ 4,5 %

CH

+ 4,4 %

GB

+ 2,2 %

IRL

+ 2,6 %

PL

+ 8,6 %

USA*

+ 3,8 %

AUS

+ 2,9 %

Den Markt nicht schön reden!

Die deutschen Milchverarbeiter unterliegen heute schon voll dem Weltmarkt, 50 % der in Deutschland produzierten Milch wird mittlerweile bereits im Ausland verkauft (vornehmlich in Form von Butter, Käse, Milchversand, Kondensmilch, Milch- und Molkenpulver).
Richtig in den Blickwinkel ist die Misere laut Boschet jedoch erst jetzt mit den aktuellen Kontrakten für das Milchbasissortiment gerückt.
Sechs Cent weniger für einen Liter Milch seit dem 2. Mai, sprechen für einen knallharten, unmissverständlichen Markt, der sich nicht an Wünschen oder gar fairen Preisen orientiert. „Wir sollten nicht den Fehler machen und einen Markt schönreden, der nicht schön ist. Diese Frischmilch-Kontraktrunde war, wie für den FC Bayern die Niederlage im Champions League-Endspiel, das volle Desaster.“
Bei Butter sei es ähnlich, 75 Cent kostet ein Päckchen heute, 14 Cent weniger als noch im April, 40 Cent weniger als im November. Diese Zahlen sagen alles. Selbst die wenigen Kunden mit ihren Top-Einkäufern staunen teilweise über die Entwicklungen am Milchmarkt, weiß der Molkereichef. Manchem sei gar nicht mehr wohl, denn es könne schließlich auch nicht im Interesse des Handels sein, wenn Marktmolkereien, welche die eigene Bevölkerung mit gesunder Milch versorgen, wegen einer temporären Marktschwäche heraus, von der Bildfläche verschwinden.

Ein Ende der Flaute noch nicht absehbar – vieles hängt von Butterkontrakten ab

Ein Ende der Flaute am Milchmarkt sei noch nicht absehbar, befürchtet Boschet. So lag der Kieler Rohstoffwert im April bei 25,5 Cent, er dürfte im Mai weiter rückläufig sein. Vor einem Jahr lag der Rohstoffwert noch bei 34,6 Cent. „Rohmilch kann man auch tagesaktuell für ca. 25 Cent frei Schwäbisch Hall kaufen, Magermilch ist im Verkauf ca. 12 Cent wert, im November lag der Wert noch bei 19 Cent.“
Da sich ähnlich wie bei kommunizierenden Röhren über kurz oder lang alle Verwertungen anpassen, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Ausgleichsprozesse am gesamten Milchmarkt stattgefunden haben, befürchtet Boschet.
Hinzu komme, dass momentan insbesondere die Kernabsatzmärkte der deutschen Molkereien im europäischen Ausland, also vor allem Italien, unter der massiven Wirtschaftskrise litten. In Griechenland herrscht zudem politisches Chaos, in Italien spart die Regierung eisern. Vom Export seien deshalb auch nur wenig positive Impulse zu erwarten.

Rückgang der Auszahlungspreise, der in mehreren Schritten

Für die Milchbauern bedeuten diese Entwicklungen einen Rückgang der Auszahlungspreise, der in mehreren Schritten erfolgen wird. Wie weit der Auszahlungspreis absinken wird, sei noch nicht absehbar. Vieles hänge von den in diesen Tagen beginnenden Verhandlungen der Butterkontrakte ab. Sicher ist sich Boschet nur, dass in jedem Fall am Ende mehrere Cents fehlen werden. Nur wenn es gelingt, die Milchmenge zu drosseln, sei niemand genötigt, Preisabschlüssen von bis zu minus sieben Cent für einen Liter Milch und Preisabschlägen von 60 Cent bis 1 Euro pro Kilo Butter zuzustimmen.