Soester Agrarforum 2019

Die Zukunft der Tierhaltung

Beim Soester Agrarforum haben Politiker, Wissenschaftler und Studenten die Chancen für eine nachhaltige Tierhaltung diskutiert. Das Ergebnis: Für die Verbesserung des Tierwohls in Deutschland gibt es teilweise noch großes Potential.

Die Nutztierhaltung wird in den Medien zunehmend mit negativen Schlagzeilen bestimmt, erklärte Dekan Prof. Dr. Wolf Lorleberg des Fachbereichs Agrarwirtschaft der Fachhochschule Südwestfalen in Soest. Dazu kommt, dass der Strukturwandel in der Landwirtschaft die Situation der Betriebe zusätzlich verschärft. Ob es den tierhaltenden Landwirten gelingen werde, mit kontinuierlich verbesserten Tierhaltungsverfahren in Zukunft eine breite Akzeptanz der Gesellschaft zu erreichen, sei die große Frage.

Markt belohnt mehr Tierschutz nicht

Dr. Harald Grethe von der Humboldt-Universität in Berlin beschrieb den aktuellen Stand der Tierhaltung als einen Spagat zwischen internationaler Wettbewerbsfähigkeit und den gesellschaftlichen Ansprüchen. Er erklärte die Situation damit, dass der Preis für deutsche Lebensmittel am Weltmarkt gemacht werde. Mehr Tierschutz würde den Landwirten auch mehr Geld kosten, was der Markt jedoch nicht honorieren würde. Stattdessen würden dann günstigere Lebensmittel aus dem Ausland importiert, die aber nicht zwingend nach denselben Tierschutz-Richtlinien produziert werden.
Der Professor sieht die Politik in der Pflicht, Rahmenbedingungen für die Nutztierhaltung in Deutschland zu schaffen. Für Nutztierhalter würde dies ein Anstieg der Produktionskosten um bis zu 26 % bedeuten. Dieses Geld fehle jedoch und werde dringend benötigt. Dafür braucht es eine Finanzierungsstrategie, bei der auch die Politik mehr Verantwortung übernehmen sollte.

Hitzestress auch in Iglus, Nutzungsdauer wird länger: Forschungsergebnisse von Studenten

Auch die Studenten der Fachhochschule trugen zur Diskussion um die Nutztierhaltung bei. Die spannendsten Forschungsergebnisse für Milchkuhhalter:
Schwanzspitzennekrosen bei Milchkühen: Totes Gewebe an Kuhschwänzen (Schwanzspitzennekrosen), das von der Spitze bis zum Rückenmark aufsteigen kann, gibt es nicht nur bei Schweinen, sondern tritt auch bei Milchkühen auf. Eine Untersuchung von ergab, dass bei 3.204 Bonitierungen 1.332 Nekrosen auftraten. Spontanheilungen sind möglich. Mögliche Ursachen können
  • die Fütterung hinsichtlich Qualität der Siloanlagen und BCS der Kühe,
  • die Milchleistung sowie
  • die Hygiene der Liegeboxen sein.

Bei der Untersuchung traten die wenigsen Nekrosen auf einem Betrieb mit luftigem Neubau und Tiefboxen auf. Die genauen Ursachen für das Auftreten von Schwanzspitznekrosen konnten jedoch nicht sicher identifiziert werden.
Hitzestress bei Kälbern vermeiden: Besonders im Sommer können Kälber in ihrer sensiblen Jugendphase starkem Hitzestress ausgesetzt sein, wenn Kälberiglus ungeschützt und in der prallen Sonne stehen. Bei Kälbern kann Hitzestress anhand drei Parameter identifiziert werden:
  • bei einer Atemfrequenz von über 50 Atemzügen pro Minute,
  • einer Körpertemperatur über 39,5 °C oder
  • einem Temperatur-Feuchtigkeits-Index (THI) von über 68.

Deswegen: Bei hohen Temperaturen das Iglu möglichst in den Schatten stellen, zusätzlich zur Milchtränke kühles Wasser anbieten.
Die digitale Kuh: Die App „NutzerFokus“ und Webanwendung „Fokus 2.0“ sollen als Management-Tools für Milcherzeuger genutzt werden. Per Smartphone sollen Daten im Stall und Melkstand erfasst werden und damit Schwachstellen im Betrieb und am Einzeltier erkannt werden. Ziele sind tierindividuelle Gesundheitsberichte, Verknüpfung zu bisherigen Ergebnissen zu Eutergesundheitskennzahlen, Entscheidungsgrundlage für das Management und der Austausch mit Tierärzten und Beratern.
Einflüsse auf die Nutzungsdauer von Milchkühen: Über 1,5 Millionen Kuhdaten aus den Jahren 2005 bis 2015 aus NRW wurden auf die Zusammenhänge zwischen Nutzungsdauer und Milchleistung, Gesundheit sowie Fruchtbarkeit untersucht. Das Ergebnis: Die Milchleistung ist von knapp 8.000 kg auf knapp 8.700 kg pro Kuh und Jahr angestiegen. Gleichzeitig stieg die Nutzungsdauer von 29,6 auf 41,2 Monate an.
  • Die Nutzungsdauer war kürzer, wenn die Kühe ein frühes Erstkalbealter ( 27 Monate) hatten und in großen Herden ( 150 Kalbungen pro Jahr) mit niedrigen betrieblichen Durchschnittsleistungen (6.238 kg/Jahr) standen.
  • Die Nutzungsdauer war am längsten bei hohen betrieblichen Leistungen (9.260 kg/Jahr), bei einem hohen Erstkalbealter der Kühe (27 bis 36 Monate) und bei intensivem Management.