Kieler Milchtag

„Die Talsohle ist erreicht!“

Erhart Richarts vom IfE Kiel wagte in der vergangenen Woche auf den Kieler Milchtagen einen Blick in die Glaskugel und prognostizierte: "Weltweit wird derzeit weniger Milch erzeugt, zum Ende des Jahres könnte der Milchpreis wieder anziehen!"

Im Mai lag der Milchauszahlungspreis in Deutschland bei ca. 20 bis 25 Ct/kg Milch. „Wir müssen davon allerdings ausgehen, dass deutsche Molkereien die Milchpreise mit bis zu 4 Ct/kg Milch stützen. Das kostet sie rund 100 Mio. € pro Monat!“, so Erhart Richarts vom Institut für Ernährungswirtschaft in Kiel. „Immerhin wirkt sich der niedrige Preis langsam auf die Anlieferungsmenge aus – bis November erwarten wir eine sinkende Milchanlieferung. Im weiteren Verlauf des Jahres könnten sich die Milchpreise stabilisieren, wenn die Binnennachfrage leicht wächst und sich der Export so weiterentwickelt wie im ersten Quartal.“
Denn die Volatilität der Milchpreise wird zu mehr als 80 % durch die Varianz des Weltmarktpreises bestimmt. In Neuseeland lassen derzeit die niedrigen Milchpreise die Produktion stagnieren, auch in Australien wird weniger Milch erzeugt. China hat die (zu) üppigen Importe aus 2014 „verdaut“ und führt nun andere Milchprodukte ein: Magermilchpulver, Babynahrung, Molkenerzeugnisse, Käse, Butter und Frischmilchprodukte. Der Tiefpunkt könnte also erreicht sein. Allerdings braucht es Zeit, bis sich die erwartete Erholung am EU-Markt in steigenden Milchpreisen auswirkt. Die Erholung verläuft vorerst langsam und dürfte wegen der Kontraktlaufzeiten nur verzögert bei den Lieferanten ankommen.
Nun gilt es, die Lehren aus der Krise zu ziehen: Preisabsicherung etablieren und Liquiditätsreserven anlegen! Experten wie der Börsenmakler Jürgen Kiefer sehen allerdings eher die Molkereien in der Pflicht zur Absicherung der Rohstoffmengen an der Börse. Zwar können gerade in sinkenden Märkten Terminmärkte deutliche Vorteile liefern, allerdings sei der finanzielle Aufwand (Garantien, Gebühren) nicht zu unterschätzen.

Forschungsergebnisse aus fünf Kieler Einrichtungen

Eine bunte Themenmischung boten Wissenschaftler des Max-Rubner-Institus, der Christian-Albrechts-Universtiät, des IFCN, des Institus für Ernährungswirtschaft sowie der Fachhochschule Kiel auf dem Kieler Milchtag in der vergangenen Woche. Eine Auswahl:
  • Steigt der Trinkmilchpreis, wechseln Verbraucher zum Discounter. Wie reagieren eigentlich die Verbraucher, wenn der Preis für Trinkmilch fällt oder steigt? Davon ist abhängig, ob eine Mengensteuerung, wie sie derzeit einige Minister fordern, funktioniert oder deren Wirkung verpufft. Die Wirkung einer Mengensteuerung lässt sich ökonomisch mithilfe der sog. „Preisflexibilität“ bewerten. Für Trinkmilch ergibt diese Berechnung bei einem Ziel von 2% Mengenreduzierung und einem derzeitigen Milchpreis von 23 Cent eine Milchpreissteigerung um gerade einmal 0,6 Cent! 10% Mengenreduktion müssten schon sein, will man den Marktüberhang an Milch tatsächlich senken. (Jonas Peltner, CAU / Silke Thiele, ife)
  • 120 Tage Weide sind zu wenig! Zumindest dann, wenn man die Verbraucher fragt. Zu diesem Ergebnis kommt die Bachelor-Arbeit von Yascha Koik von der FH Kiel. Sie hat 144 Personen vor Supermärkten in der Region Rendsburg-Kiel befragt. Über 90% der Befragten stimmten der Aussage „Kühe gehören auf die Weide“ voll oder teilweise zu, bei „Den Kühen geht es besser, wenn sie während des Sommers auf der Weide stehen“ waren es sogar 95%! Wichtig war dabei, dass die Milch aus der Region kommt (74%). Während eine tägliche Weidezeit von 6 Stunden für die Verbraucher vollkommen in Ordnung war, wurden 120 Tage bzw. vier Monate von nur 36% der Personen als ausreichend beurteilt. Grundsätzliche bietet Weidemilch noch Potenzial, da die Verbrauchermeinung noch nicht gefestigt zu sein scheint. Jetzt heißt es, transparent zu sein und die Verbraucher gut zu informieren!
  • Was will die Gesellschaft – Tierschutz oder Klimaschutz? „In den vergangenen Jahren ist der Stallbau deutlich teurer geworden. Kostete ein Kuhplatz 2006 noch etwa 6.000 €, muss man heute 7.000 bis 14.000 € auf den Tisch legen!“, stellt Prof. Urban Hellmuth (FH Kiel) fest. „Das liegt insbesondere an den steigenden Anforderungen für Tierwohl – wir umbauen heute einfach viel mehr Raum!“  Was positiv für die Kühe ist, könnte uns in Zukunft jedoch teuer zu stehen kommen. Die sogenannte NEC-Richtlinie (engl. National Emission Ceilings Directive) regelt nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. Bis 2030 muss die Landwirtschaft rund 39% ihrer Ammoniakemissionen einsparen. Die Rinderhaltung sorgt mit 283 kt für den größten Ausstoß im Vergleich zu anderen Nutztierarten (z.B. Schweine: 106,9 kt; Geflügel: 48,9 kt). Ein Teil lässt sich mit emissionsarmer Ausbringung relativ einfach sparen. Schwieriger wird es, wenn die Ziele höher gesteckt werden. Denn ein niedriges Emissionspotenzial haben genau die Ställe, die Landwirte und Gesellschaft eigentlich nicht mehr wollen – Anbindeställe, geschlossene Gebäudehüllen, Festmist, ohne Auslauf.  „Würden wir alle Milchkühe, die in Süddeutschland noch in der Anbindung stehen, in Laufställen unterbringen, würden wir die Klimagasemissionen um den Faktor 3 erhöhen!“ Die Gesellschaft wird entscheiden müssen.
  • Innovationen der Molkereien beeinflussen den Auszahlungspreis kaum: Der Milchpreis ist für beide wichtig – für Molkerei und Milcherzeuger. Die Lehrbuchmeinung besagt, dass innovative Molkereien mit hoher Wertschöpfungstiefe erfolgreicher sind als andere. Aber lässt sich aus der Innovationsfreude auch ein höherer Milchpreis vorhersagen? Nach einem von Joke Clausen und Prof. Holger Thiele (FH Kiel) entwickelten Index hat die Innovation keinen signifikanten Einfluss auf den Milchpreis. Signifikant ist nur die Region! „Die Produktinnovation hat natürlich einen Einfluss auf den Erfolg der Molkerei. Allerdings sind die Privaten ja nicht verpflichtet, einen möglichst hohen Milchpreis auszuzahlen. Daher wirkt sich Innovation nicht auf den Milchpreis aus“, erklärt Prof. Thiele.
  • Keimzahlbestimmung jetzt schon ab 5.000 Keimen möglich: Um die Keimzahl in Milchproben zu bestimmen, gibt es verschiedene Verfahren. Seit 2015 wird in deutschen Laboren nun eine aktualisierte Tabelle für die Umrechnung zwischen diesen Verfahren benutzt. Die korrekte Keimzahl kann jetzt ab einer Anzahl von 5.000 Keimen/ml ausgegeben werden, nicht erst ab 10.000 KbE/ml. Durch die hohe Milchqualität gab es durch das neue Umrechnungsverfahren kaum Auswirkungen. Vor 20 Jahren lag der Mittelwert bei 180.000 Keimen, da wäre die Umstellung deutlich stärker zu Buche geschlagen. (Dr. Hans-Georg Walte, Max-Rubner-Institut)
  • Milch als Gesundheitsrisiko? Von wegen! „Studien zeigen: Ob das Fett in Milch und Milchprodukten den Cholesterinspiegel erhöht, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die gleiche Menge Fett aus Käse senkt im Vergleich zu Butter sogar den Cholesterinspiegel ab!“ Mit Ergebnissen wie diesen überraschte Dr. Maria Pfeuffer, die bis zu ihrem Ruhestand als Wissenschaftlerin am Max-Rubner-Institut in Kiel gearbeitet hatte. Als mögliche Gründe nannte sie probiotische Bakterien im Käse oder bestimmte Peptide, die bei der Reifung entstehen. Zudem weist Butterfett eine andere Zusammensetzung auf als Käsefett. Milch ist mit über 400 verschiedenen Fettsäuren in der Milch übrigens der absolute Spitzenreiter! Soviel schafft kein anderes. Pfeuffer: „Wir haben derzeit eine durch Studien gesicherte Erkenntnislage, dass vollfette Produkte häufig besser sind als fettarme Varianten – nur die Ernährungsprogramme wurden noch nicht umgestellt!“
  • Molkereien schätzen ihre Stoppkosten häufig zu gering ein. Stoppkosten, also jene Transportkosten, die je Stopp beim Milcherzeuger zum Abholen der Milch anfallen, fallen oft zu gering aus. Zu diesem Ergebnis kommt die Arbeit von Christian Worms (FH Kiel), der im Auftrag einer Schleswig-Holsteinischen Molkerei nachgerechnet hat. Heruntergebrochen auf den Stopp bei einem Milcherzeuger ergeben sich Kosten von 6,10€ - damit liegen sieben der acht betrachteten Molkereien oberhalb der bisher geschätzten Höhe! Milcherzeuger oder Molkerei müssen also irgendwo Abstriche machen; letzendlich beim Milchgeld. Beim Neu- oder Umbau die Haltestellen nicht vergessen, denn dort liegt neben einer zweitägigen Abholung das größte Sparpotenzial!

  • Steigt der Trinkmilchpreis, wechseln Verbraucher zum Discounter. Wie reagieren eigentlich die Verbraucher, wenn der Preis für Trinkmilch fällt oder steigt? Davon ist abhängig, ob eine Mengensteuerung, wie sie derzeit einige Minister fordern, funktioniert oder deren Wirkung verpufft. Die Wirkung einer Mengensteuerung lässt sich ökonomisch mithilfe der sog. „Preisflexibilität“ bewerten. Für Trinkmilch ergibt diese Berechnung bei einem Ziel von 2% Mengenreduzierung und einem derzeitigen Milchpreis von 23 Cent eine Milchpreissteigerung um gerade einmal 0,6 Cent! 10% Mengenreduktion müssten schon sein, will man den Marktüberhang an Milch tatsächlich senken. (Jonas Peltner, CAU / Silke Thiele, ife)
  • 120 Tage Weide sind zu wenig! Zumindest dann, wenn man die Verbraucher fragt. Zu diesem Ergebnis kommt die Bachelor-Arbeit von Yascha Koik von der FH Kiel. Sie hat 144 Personen vor Supermärkten in der Region Rendsburg-Kiel befragt. Über 90% der Befragten stimmten der Aussage „Kühe gehören auf die Weide“ voll oder teilweise zu, bei „Den Kühen geht es besser, wenn sie während des Sommers auf der Weide stehen“ waren es sogar 95%! Wichtig war dabei, dass die Milch aus der Region kommt (74%). Während eine tägliche Weidezeit von 6 Stunden für die Verbraucher vollkommen in Ordnung war, wurden 120 Tage bzw. vier Monate von nur 36% der Personen als ausreichend beurteilt. Grundsätzliche bietet Weidemilch noch Potenzial, da die Verbrauchermeinung noch nicht gefestigt zu sein scheint. Jetzt heißt es, transparent zu sein und die Verbraucher gut zu informieren!
  • Was will die Gesellschaft – Tierschutz oder Klimaschutz? „In den vergangenen Jahren ist der Stallbau deutlich teurer geworden. Kostete ein Kuhplatz 2006 noch etwa 6.000 €, muss man heute 7.000 bis 14.000 € auf den Tisch legen!“, stellt Prof. Urban Hellmuth (FH Kiel) fest. „Das liegt insbesondere an den steigenden Anforderungen für Tierwohl – wir umbauen heute einfach viel mehr Raum!“  Was positiv für die Kühe ist, könnte uns in Zukunft jedoch teuer zu stehen kommen. Die sogenannte NEC-Richtlinie (engl. National Emission Ceilings Directive) regelt nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe. Bis 2030 muss die Landwirtschaft rund 39% ihrer Ammoniakemissionen einsparen. Die Rinderhaltung sorgt mit 283 kt für den größten Ausstoß im Vergleich zu anderen Nutztierarten (z.B. Schweine: 106,9 kt; Geflügel: 48,9 kt). Ein Teil lässt sich mit emissionsarmer Ausbringung relativ einfach sparen. Schwieriger wird es, wenn die Ziele höher gesteckt werden. Denn ein niedriges Emissionspotenzial haben genau die Ställe, die Landwirte und Gesellschaft eigentlich nicht mehr wollen – Anbindeställe, geschlossene Gebäudehüllen, Festmist, ohne Auslauf.  „Würden wir alle Milchkühe, die in Süddeutschland noch in der Anbindung stehen, in Laufställen unterbringen, würden wir die Klimagasemissionen um den Faktor 3 erhöhen!“ Die Gesellschaft wird entscheiden müssen.
  • Innovationen der Molkereien beeinflussen den Auszahlungspreis kaum: Der Milchpreis ist für beide wichtig – für Molkerei und Milcherzeuger. Die Lehrbuchmeinung besagt, dass innovative Molkereien mit hoher Wertschöpfungstiefe erfolgreicher sind als andere. Aber lässt sich aus der Innovationsfreude auch ein höherer Milchpreis vorhersagen? Nach einem von Joke Clausen und Prof. Holger Thiele (FH Kiel) entwickelten Index hat die Innovation keinen signifikanten Einfluss auf den Milchpreis. Signifikant ist nur die Region! „Die Produktinnovation hat natürlich einen Einfluss auf den Erfolg der Molkerei. Allerdings sind die Privaten ja nicht verpflichtet, einen möglichst hohen Milchpreis auszuzahlen. Daher wirkt sich Innovation nicht auf den Milchpreis aus“, erklärt Prof. Thiele.
  • Keimzahlbestimmung jetzt schon ab 5.000 Keimen möglich: Um die Keimzahl in Milchproben zu bestimmen, gibt es verschiedene Verfahren. Seit 2015 wird in deutschen Laboren nun eine aktualisierte Tabelle für die Umrechnung zwischen diesen Verfahren benutzt. Die korrekte Keimzahl kann jetzt ab einer Anzahl von 5.000 Keimen/ml ausgegeben werden, nicht erst ab 10.000 KbE/ml. Durch die hohe Milchqualität gab es durch das neue Umrechnungsverfahren kaum Auswirkungen. Vor 20 Jahren lag der Mittelwert bei 180.000 Keimen, da wäre die Umstellung deutlich stärker zu Buche geschlagen. (Dr. Hans-Georg Walte, Max-Rubner-Institut)
  • Milch als Gesundheitsrisiko? Von wegen! „Studien zeigen: Ob das Fett in Milch und Milchprodukten den Cholesterinspiegel erhöht, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die gleiche Menge Fett aus Käse senkt im Vergleich zu Butter sogar den Cholesterinspiegel ab!“ Mit Ergebnissen wie diesen überraschte Dr. Maria Pfeuffer, die bis zu ihrem Ruhestand als Wissenschaftlerin am Max-Rubner-Institut in Kiel gearbeitet hatte. Als mögliche Gründe nannte sie probiotische Bakterien im Käse oder bestimmte Peptide, die bei der Reifung entstehen. Zudem weist Butterfett eine andere Zusammensetzung auf als Käsefett. Milch ist mit über 400 verschiedenen Fettsäuren in der Milch übrigens der absolute Spitzenreiter! Soviel schafft kein anderes. Pfeuffer: „Wir haben derzeit eine durch Studien gesicherte Erkenntnislage, dass vollfette Produkte häufig besser sind als fettarme Varianten – nur die Ernährungsprogramme wurden noch nicht umgestellt!“
  • Molkereien schätzen ihre Stoppkosten häufig zu gering ein. Stoppkosten, also jene Transportkosten, die je Stopp beim Milcherzeuger zum Abholen der Milch anfallen, fallen oft zu gering aus. Zu diesem Ergebnis kommt die Arbeit von Christian Worms (FH Kiel), der im Auftrag einer Schleswig-Holsteinischen Molkerei nachgerechnet hat. Heruntergebrochen auf den Stopp bei einem Milcherzeuger ergeben sich Kosten von 6,10€ - damit liegen sieben der acht betrachteten Molkereien oberhalb der bisher geschätzten Höhe! Milcherzeuger oder Molkerei müssen also irgendwo Abstriche machen; letzendlich beim Milchgeld. Beim Neu- oder Umbau die Haltestellen nicht vergessen, denn dort liegt neben einer zweitägigen Abholung das größte Sparpotenzial!

C. Stöcker