Milchwirtschaft

Die Milch nicht mehr als Ganzes sehen

Der Milchmarkt boomt, die Preise sind auf dem aufsteigenden Ast. Das liegt vor allem daran, dass Milchprotein, Laktose und Fett immer häufiger getrennte Wege gehen.

Die Nachfrage typischer Milchprodukte wie Quark, Käse oder Butter ist in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gesunken. Trauriger Spitzenreiter 2013 war die Konsummilch mit einem Minus von 4,1%. Gleichzeitig lassen es sic die Milcherzeuger wiederum bei einem Durchschnittspreis von gut 38 Cent/kg (für 2013) nicht nehmen, kräftig zu produzieren. Deutschland wird voraussichtlich im aktuellen Milchwirtschaftsjahr seine Quote um ein bis 1,4 % überliefern. Auch die Niederlande, Irland oder Dänemark geben Gas (+4,4 % bis +1,4 %).

Wo soll all die Milch hin?

Sinkender Verbrauch und eine höhere Rohstoffmenge – wie passt das zusammen? Kann das gut gehen? Die Molkereien sagen ja! Die Lösung liegt in der Diversifizierung. Das war der Tenor auf der Pressekonferenz der Landesvereinigung Milch NRW. Als Inlandsmarkt dürfen die deutschen Milcherzueger und deren Vermarkter nicht mehr nur Deutschland oder Österreich ansehen sondern die gesamte EU. In den Nachbarländern wollen die Molkereien künftig durch höher verarbeitete Produkte wie laktosefreie Milch, Käsesnacks oder Dips punkten. Denn mit rund 70 % bleibt der Hauptanteil der Milch im europäischen Binnenmarkt, sagt Dr. Rudolf Schmidt, Geschäftsführer der Landesvereinigung Milchwirtschaft NRW. Aber auch der Export spiele eine wichtige Rolle.
Exportentwicklung ausgewählter Produkte

Quelle: AMI, LV Milch NRW (Bildquelle: Elite Magazin)

"Europäische Lebensmittel haben aufgrund ihrer Qualität im Ausland einen guten Ruf, weiß Schmidt. Verbraucher schätzen, dass Produkte oftmals bis zu ihren Rohstoffen zurückverfolgt werden können. Das führt dazu, dass sogar bisher exportunwürdige Produkte wie Trinkmilch einen Markt gefunden haben."

Die Milch wird zerlegt

Exportiert werden dabei weniger die typischen Produkte wie Butter und Milchpulver. Vielmehr wird ein Liter Milch mehr und mehr in seine Einzelbestandteile zerlegt. Wir dürfen die Milch heute nicht mehr als Ganzes sehen, erklärt Hans Stöcker, Milcherzeuger und Vorsitzender der Landesvereinigung NRW. Wenn die Molkereien fettarmen Käse nach Russland exportieren, geht das Milchfett nach Dubai. Aus der Molke gewinnen die Verarbeiter Laktose und Molkenproteine. Diese werden als Trägerstoff für Arzneimittel, Eiscreme oder Bestandteil von Babynahrung nach Asien exportiert.

Bevölkerungswachstum sichert Export noch auf Jahre

Die Molkereien rechnen also mit einem Mehrbedarf an Milch von 126 Mio. t in den nächsten sieben Jahren. Das entspricht rund 90 % der jährlichen EU-Milchproduktion. Demgegenüber steht ein Anstieg der globalen Milchproduktion von lediglich 12 Mio. t pro Jahr. Die Kalkulation basiert auf dem starken Zuwachs der Weltbevölkerung, die von 2005 bis 2012 von 6,5 Mrd. auf 7,1 Mrd. Menschen angewachsen ist. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Milch stieg im globalen Mittel von 101 auf 109 kg pro Jahr. Experten der UNO schätzen, dass sich diese Entwicklung erstmal fortsetzen wird.

Auch wenn die lokalen Milcherzeuger nachziehen (z.B. in Indien und China) – eine komplette Infrastruktur aufzubauen, dauert. Chinesische Milchviehhalter  produzieren beispielsweise derzeit rund 35 Mio. Tonnen pro Jahr, was in etwa der Milchproduktion in Deutschland entspricht. Demgegenüber stehen aber mehrere Hundert Millionen Verbraucher!
Rudolf Schmidt erwartet denn auch, dass  in den kommenden Jahren mehr Molkereien zusammenarbeiten und internationaler werden, denn nur so lassen sich die komplizierten Verarbeitungsprozesse der Milch weiter realisieren.