Reportage

Die Kühe zur Selbstständigkeit erziehen

Drei Roboter, 50 ha Weide, 12.500 kg Milch/Kuh: Das sind die beeindruckenden Rahmendaten des Dänen René Søndergård aus Mitteljütland. Als Biobetrieb muss er ein Fünftel der jährlichen Milch pro Kuh als Weidemilch erzeugen - wie schafft er "trotzdem" diese hohe Leistung?

„Im  Rahmen der ökologischen Milcherzeugung bin ich verpflichtet, den Kühen vom 1.4. bis 1.11. mindestens 0,2 ha pro Kuh Weidefläche anzubieten“, erklärt René. Sein Betrieb im mittleren Teil Dänemarks liegt mit 50 ha Weide im Sommer über den Mindestanforderungen. Damit 20 Prozent der Milch jährlich aus Gras erzeugt wird, das die Kühe auf der Weide fressen, muss in den Monaten April bis Oktober dieser Anteil auf 30 bis 40% steigen. In der Sommerfütterung stellt die Weide für die Kühe also den Hauptbestandteil der Grundfutteraufnahme dar. Um diese Vorgaben sowohl wirtschaftlich als auch arbeitssparend umzusetzen, benötigen wir das passende  Management.“

Kühe

175

Nachzucht

150 Färsen, davon werden 90 auf einer gepachteten Hofstelle in Eigenarbeit aufgezogen;

Bullenkälber im Alter von 5 Wochen verkauft

Fläche

260 ha

davon Grünland

120 ha:

40 ha Weide für die Kühe plus 3./4. Aufwuchs restl. Grünland;

30 ha Weide für weibl. Nachzucht

davon Acker

60 ha Getreide mit Grasuntersaat: Schnitt wie erster Schnitt Grassilage, danach Grasaufwuchs;

5 ha Hafer,

23 ha Weizen,

10 ha Roggen,

25 ha Sommergerste/Hafer,

8 ha Sommergerste/Hafer-GPS

AK

2 Angestellte (2,0),

Betriebsleiter (1,0),

Ehefrau (0,3)

Außenarbeiten

Selbst erledigt, außer: Dreschen, Stroh pressen, bei der Grasernte Häcksler und 2 Transportwagen vom Lohnunternehmer

Glück: Arrondiertes  Grünland - maximal 800m bis zur Weide

Der Betrieb von René Søndergård weist nahezu ideale Bedingungen für intensive Weidehaltung auf. „Unsere Kühe weiden über die Saison auf insgesamt 50 ha Dauergrünland. Die Parzellen à 5 ha Größe werden je nach Aufwuchs zuerst beweidet oder dem ersten Schnitt zugeführt und dann später abgefressen. Im Frühjahr beginnen wir mit 4 Parzellen, die wir alle 3 bis 4 Tage wechseln. Sehr wichtig ist, dass den Kühen niemals eine neue Weide zugeteilt wird, wenn sie dabei sind. Ansonsten verlernen sie, dass der Weg zu einer neuen Weide immer durch den Stall und den Roboter führt.“
Wichtig ist für den engagierten Betriebsleiter ebenfalls ein möglichst offener Zugang zur Weide. Die Kühe dürfen zwischen 12 und 20 Stunden hinaus. Ein Selektionstor ermöglicht 2,5 Melkungen mit minimalem Arbeitsaufwand. Während die Herde im Winter durchschnittlich 3,5 Melkungen leistet, ist René im Sommer mit 2,5 Melkungen zufrieden.

Umstellung im Frühjahr - strategisch vorgehen

„Jedes Jahr starten wir die Weidesaison mit der gleichen Taktik:  Eine Woche lang haben alle Kühe drei Stunden freien Zugang zur Weide, das Selektionstor ist deaktiviert und steht offen. So lernen auch die erstlaktierenden Kühe den richtigen Weg zur Weide und empfinden das Gate nicht als Barriere.“ Jedes Anweiden im Frühling kostet im ersten Moment Melkungen und Milchmenge. Ist die Umstellungsphase vorbei, pendeln sich Leistung und Besuche wieder ein. Besonders ab Ende Juni, wenn die Weide nur von 14.00 bis 18.00 Uhr gesperrt ist, ist die Besuchsverteilung an den Melkrobotern genauso gleichmäßig wie im Winter. „Wir haben diese Sperrzeit so gewählt,dass wir nach dem Mittag alleTiere im Sommer einmal am Tag komplett im Stall versammeln und dann unsere Arbeiten im Herdenmanagement vornehmen. Die Kühe, die bis 14.00 Uhr nicht im Stall sind, hole ich mit dem Quad“, erklärt René. „Das sind im Sommer meistens nur eine Handvoll Kühe. Die Herde kennt den Rhythmus.“
Kühe auf dem Weg zum Stall

(Bildquelle: Elite Magazin)

Wasser auf der Weide? Aber sicher!

René hat das Selektionstor und somit den Ausgang zur Weide entgegensetzt dem Eingang zum Stall platziert und somit einen Rundlauf ohne Gegenverkehr konzipiert, der sich sehr vorteilhaft für das Lauf- und Besuchsverhalten auswirkt. „Die Erziehung zur Selbstständigkeit ist das A&O“, betont der Landwirt. „Ich treibe während der Sperrzeiten nur diejenigen
Kühe zum Roboter, die über 12 Stunden nicht gemolken wurden. Kühe, die 180 Tage und länger tragend sind, lasse ich auch die Möglichkeit, noch innerhalb von 16 Stunden allein zum Roboter zurückzugehen. Für unsere Herde ist es der normale Alltag, mehrmals täglich den Gang vom Roboter zur Weide und umgekehrt zu machen, ohne dass der Mensch eine Rolle dabei spielt. Die Philosophie einer attraktiven Umwelt für das Tier ist der Schlüssel für dessen Akzeptanz. So biete ich meinen Tieren stets Wasser auf der Weide. Die Kühe saufen dort häufig in einer Kleingruppe nach dem Melken auf dem Rückweg zur Weide. Ich meine, dass eine Zwangssteuerung über ein ausschließliches Wasserangebot im Stall das falsche Signal für die Kuh wäre.“
Der Weidespezialist weist darauf hin, dass auch der Stall als Umgebung  für die Kuh im Sommer gleichermaßen attraktiv für die Kuh sein muss wie im Winter. Das beinhaltet top gepflegte Boxen genausowie eine frische TMR adlibitum am Futtertisch. René Søndergård baute  den  vorhandenen Tiefstreustall 2007 als Liegeboxenstall mit Sandeinstreu um. Im gleichen Zuge stellte  er auf automatisches  Melken  mit zwei Melkrobotern um. René wollte Kuhzahl erhöhen und erwarb 2014 ein drittes Gerät. Mittlerweile werden im Durchschnitt 175 Kühe gemolken.
Im Stall wird vormittags eine Kompakt-TMR gefüttert, reduziert um den Anteil Grassilage, den die Kühe als Grasim Freien aufnehmen. Die Futtermischung besteht aus Grassilage, Erbsen-GPS und eingeweichtem Quetschgetreide. Das Getreide lässt der Landwirt über Nacht im Mischwagen quellen, danach werden die anderen Komponenten wie üblich gemischt. Dieses System des Quellens ist recht verbreitet. Maissilage ist klimatisch und aufgrund der Ökorichtlinien auf dem Betrieb in Mitteljytland nur sehr teuer zu erzeugen und wird deshalb nicht gefüttert. Im Roboter erhalten die Kühe nach Leistung bis zu max. 8 kg Kraftfutter aus einer ökologisch erzeugten Getreide-, Sonnenblumen-, Ackerbohnen-, Erb- sen- und Sojamischung.
Enorme Leistungssteigerung - flache Laktationskurve
Durch die Umstellung auf eine Kompakt-TMR zeitgleich mit der Anschaffung des Dritten Roboters, konnte René die Leistung seiner Herde in 12 Monaten um 1.200 kg pro Kuh steigern. Er führt dies einerseits auf eine optimierte Pansenphysiologie zurück. Andererseits hat der Einbau des dritten Roboters im vergangenen Jahr mehr freie Zeit für das Melken der Gesamtherde verschafft. Besonders die Erstlaktierenden profitieren davon und setzen mit höheren Leistungen ein. Insgesamt zeichnet sich die Hochleistungsherde durch einen flachen Verlauf der Laktationskurve aus. Typisch für Biobetriebe? „Zum Teil ja, aber eher typisch für mich und meine Ziele“, bestätigt der erfahrene Ökomilch-Erzeuger. Um es zusammenzufassen: Worin besteht sein 'Geheimrezept'? „Die Kunst besteht darin, dass 95% der Kühe selbstständig den Stall aufsuchen, einen Melkbesuch absolvieren und wieder auf die Weide zurückgehen.“
Annette Reiners