Der mit den Kühen spricht

Kühe sind nicht sehr gesprächig. Dennoch haben sie manchmal etwas mitzuteilen. Was sie sagen wollen, erkennt Bioakustiker Gerhard Jahns dank einer speziellen Software, mit deren Hilfe er Tierstimmen deuten kann. So kann er bestimmen, ob Kühe Hunger oder Durst haben oder gemolken werden müssen.

Kühe sind nicht sehr gesprächig. Sie kennen nur zehn verschiedene Laute und Rufe, um Stimmungen auszudrücken. Schweine sind dagegen viel lebhafter und kommunikativer, weiß der Agrarforscher Gerhard Jahns aus Wendeburg bei Peine. Er hat früher bei der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft in Braunschweig gearbeitet und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der computergestützten Erkennung von Tierstimmen. Der Bioakustiker Jahns hat eine Software entwickelt, mit der verschiedenste Tierstimmen und -stimmungen verarbeitet werden können. Sie basiert auf Methoden der Spracherkennung beim Menschen. Die Lauterzeugung bei Wirbeltieren - vom Frosch über die Kuh bis zum Menschen - ist physiologisch sehr ähnlich.
Mit Kühen kennt sich Jahns inzwischen bestens aus. Er hat quasi ein Wörterbuch der Kuh-Sprache erstellt. Kühe sind deshalb so wortkarg, weil sie evolutionsbedingt als Beutetiere keine Schmerzenslaute kennen. Sonst würden sie im Verletzungsfall nur weitere Jäger anlocken." Auch machen Kühe lautmäßig keinen Unterschied zwischen Hunger und Durst.

Hohe Trefferquote

Für die Entwicklung seiner Software hat Jahns zunächst viele Rufe und deren mögliche Bedeutungen gesammelt - mit Hilfe von Verhaltensforschern oder durch eigene Besuche in Kuhställen. Aus 688 selbst aufgenommenen Klangproben von 39 Kühen filterte seine Software dann zehn Laute mit unterschiedlichen Bedeutungen heraus. Für jeden dieser Laute wurde mit Hilfe von 20 Merkmalen ein mathematisches Modell erstellt. Neu erfasste Laute können nun damit verglichen und so identifiziert werden. Dabei können sogar unterschiedliche Lautstärken, Stimmlagen und Muuh"-Dehnungen berücksichtigt werden.
"Die Trefferquote des Systems ist schon sehr hoch, berichtet Jahns. Hungrige und durstige Kühe wurden bei Tests zu 100 Prozent identifiziert, kranke, hustende Tiere zu 93 Prozent und Tiere mit übervollem Euter zu 74 Prozent. Brünftige Kühe wurden zu 88 Prozent erkannt. Für Züchter ist es besonders wichtig zu wissen, wann die Tiere empfängnisbereit sind. Bei erfolgreicher Ruf-Erkennung kann der Landwirt durch ein Signal auf seinem Computer informiert werden und schnell handeln.
Praxisreif ist das System allerdings noch nicht. So könnte die Fehlerquote durch eine größere Datensammlung noch reduziert werden, so der Forscher. Außerdem müsse das System trotz der vielen Nebengeräusche im Stall einwandfrei funktionieren und noch klarer deuten können, welche Rufe von welcher Kuh stammen.