Der Milchrevoluzzer tritt ab!

Als Organisator von Milchstreiks erreichte Romuald Schaber bundesweite Bekanntheit - und machte auf die Notlage der Milchbauern aufmerksam. Sogar bis zur Kanzlerin drang er vor. Jetzt tritt der BDM-Vorsitzende, oberster europäischer Revoluzzer in Sachen Milch, von der großen Bühne ab.

Vor 20 Jahren hat Romuald Schaber den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) gegründet. 20 Jahre lang hat er die Milchbranche mit seinem Verband regelrecht „aufgemischt“, jetzt verlässt der „Robin Hood“ der Milchbranche, der früher selbst mal Ortsobmann des Deutschen Bauernverbandes (DBV) war, still und leise die Bühne! Der Zeitpunkt sei für ihn richtig, erklärte Schaber. Der BDM stehe auf gesunden Füßen und er könne den Verband so guten Gewissens jüngeren Kollegen überlassen. Für ihn sei es an der Zeit, zu seinem Milchkuhbetrieb im Allgäu zurück zukehren und ihm den Rücken freizuhalten.
Rückblick: Ein Abend im Frühjahr 1997 im Unterallgäu. Romuald Schaber nimmt an einer Diskussionsrunde mit dem Bauernverbandspräsidenten Gerd Sonnleitner teil. Es ging um die Düngeverordnung und um angeblich weltferne Regeln, die von Agrarbürokraten aufgestellt wurden. Einige der anwesenden Bauern haben während der Veranstaltung dem Bauernverband (DBV) vorgeworfen, dieser unterstütze die Bürokraten. Während der Diskussion habe der Bauernpräsident Sonnleitner dann plötzlich losgebrüllt, erinnert sich Schaber. „Alle Anwesenden dachten mit einem Mal: Die vom Bauernverband arbeiten gar nicht für uns, die sind Teil des Systems!“ Dieses Erlebnis hat Schaber nach eigenen Angaben letztlich dazu bewogen einen Berufsverband zu gründen, der sich für die Belange der Bauern einsetzt.

Gegenentwurf zur Globalisierung

Schaber, der auch dem European Milk Board (EMB) vorsteht, ist kein Poltergeist, der aus reinem Trotz sich der Moderne wiedersetzt. Im Gegenteil: Der stets fröhlich lächelnde Allgäuer, wirkt immer ruhig und besonnen. Schaber sieht seine Botschaften als Gegenentwurf zur Globalisierung, zur absoluten Spezialisierung („das ist der Horror“), er möchte den Bauern Bauer sein lassen! Für ihn bedeutet vor allem standortangepasste Strukturen (Herdengrößen). Zudem sollten die der Milchproduktion wie z.B. auch die Landschaftspflege den Milchbauern auch vergütet werden! In die Ecke der Planwirtschaft (Programm zur Milchmengensteuerung) wollte er sich denn auch nie drängen lassen. Für so manchen mag es nach einer Verschwörungstheorie klingen wenn Schaber aufzählt, dass es internationale (Molkerei)Konzerne darauf absehen, die (Milch)Bauern in den Bankrott zu treiben, um an deren Land und Rohstoffe zu gelangen. Schabers Mission war es, dies zu verhindern. „Wir durchkreuzen den Plan derer, die Markt sagen und Monopol meinen.“
Der begnadete Redner, der selbstsicher gerade heraus und druckreif spricht. vermag seine Zuhörer schnell in seinen Bann zu ziehen. Er hat aber auch gelernt, dass man dick auftragen muss um öffentlich wahrgenommen zu werden. So war der BDM unter seiner Führung auch immer gut für öffentliche Aktionen. Noch immer finden sich an vielen Kuhställen die Schilder mit der Forderung nach einem fairen Milchpreis von 40 Cent. Die bekannteste Aktion, die wohl noch lange untrennbar mit seinem Wirken in Erinnerung bleiben dürfte, ist der im Jahr 2009 vom BDM ausgerufene Milchstreik!

20 Jahre haben Spuren hinterlassen

20 Jahre Romuald Schaber, 20 Jahre BDM haben Spuren hinterlassen. Der Allgäuer hat durch seine Reden und Aktionen die Milchbauern in West und Ost, in Nord und Süd in zwei Lager aufgespalten. Zeitweise durchzog ein tiefer Riss die Milchbranche, der auch zehn Jahre nach dem Milchstreik noch nicht wieder vollständig verschwunden ist. Gleichzeitig hat Schaber aber auch mit seiner Hartnäckigkeit die vielerorts verkrusteten Strukturen auf dem Land und in den Verbänden aufgebrochen. Ohne einen Romuald Schaber wäre ein Karsten Schmal wahrscheinlich nicht zum Milchpräsidenten des Bauernverbandes ernannt worden. Auch wenn man es beim DBV nicht zugeben wird, der BDM hat hier so manchen Sympathisanten gewonnen.

Wie geht’s jetzt weiter mit dem BDM?

Milchprotest

Mit zahlreichen Aktionen hat der BDM in den vergangenen 20 Jahren immer wieder gegen die seiner Meinung nach verfehlte Milchpolitik der EU aufmerksam gemacht. Foto: BDM (Bildquelle: Elite Magazin)

Wie geht’s jetzt weiter mit dem BDM, der in Hochzeiten 33.000 Milcherzeuger in seinen Mitgliederlisten führte, rund 30 % aller deutschen Milcherzeuger? Nach 20 Jahren des Kampfes gegen den Bauernverband, die Molkereien und die Agroindustrie scheinen die Schwerter des BDM zunehmend stumpf, zudem lichten sich die Reihen deutlich. Rund 50 % seiner Mitglieder dürfte der BDM in den vergangenen Jahren verloren haben. Viele übrig gebliebene sind Karteileichen, nur noch aus Tradtion dem BDM treu. Dazu beigetragen haben dürfte wohl auch die Erkenntnis, dass der BDM seinen Milcherzeugern nicht aktiv bei der Vermarktung helfen, keine besseren Preise durchsetzen kann. Die Versuche, eine eigene Vermarktungsschiene aufzubauen und mit dem Label „Faire Milch“ zu beim Verbraucher zu punkten, sind kläglich gescheitert. Auch in Berlin und Brüssel, wo Schaber schon desöfteren bis in das Innerste der Machtzentralen vorgedrungen ist, konnte er bzw. der BDM letztlich keinen Kurswechsel herbeiführen ist (Schaber hat mehrfach mit Bundeskanzlerinnen und EU-Kommissaren, mit Parteivorsitzenden und Wirtschaftsführern, mit Verbandspräsidenten aus Kanada, Frankreich oder Spanien verhandelt).

Sind die Stalltüren erstmal zu sind, werden sie nicht mehr aufgemacht!

Eine Abschottung des europäischen Milchmarktes, eine Voraussetzung damit die vom BDM geforderten Marktsteuerungsmaßnahmen (flexibles Mengenmanagement) greifen können, ist nicht weiterhin – trotz regelmäßiger Milchkrisen – nicht absehbar. Die Zeichen stehen vielmehr auf einer weiteren Ausdehnung des Freihandels. Im internationalen Vergleich können deutsche Milcherzeuger jedoch nur mithalten, wenn entweder die kostenintensiven Standards verringert oder aber die Leistungen (Tierwohl, Landschaftspflege, Nachhaltigkeit durch Ressourcen-Schonung weltweit, …) den Milchbauern zusätzlich entlohnt werden. Wir benötigen Milchpreise, die so hoch ausfallen, dass ein vernünftig bewirtschafteter Milchkuhbetrieb überleben kann und nicht ständig von seiner Substanz zehren muss! Denn Milchbauern können nicht heute aufhören und morgen wieder anfangen. Wenn die Stalltüren erstmal zu sind, werden sie nicht mehr aufgemacht." In diesem Punkt hat Romuald Schaber recht!
Romuald Schaber war seit der Gründung nicht nur das Gesicht des BDM sondern auch sein Hirn. Spannend zu sehen, ob und wie sich der Verband jetzt weiter entwickeln wird oder ob demnächst nur noch die bunten Schilder an den Stalltüren an ihn erinnern werden.
Text: Gregor Veauthier