Den genetischen Fortschritt auf die Spitze treiben

Die Genotypisierung hat die Zucht schnelllebiger gemacht. Um vorne mitzuhalten, müssen Zuchtorganisationen aus Spitzentieren noch rascher die beste Nachzucht ziehen. CRV hat dafür in einen neuen Färsenstandort investiert.

Als man noch auf die Ergebnisse der Testbullentöchter warten musste, dauerte es gut und gerne sieben Jahre, bis die nächste Generation geprüfte Bullen in den Startlöchern stand. Mit der genomischen Selektion sind die Informationen direkt nach der Geburt bzw. nach Entnahme eines Embryos verfügbar. Mit wenigen Zellen lässt sich die genetische Ausstattung eines Tieres auslesen und nach einer Zuchtwertschätzung in Form von Zuchtwerten beschreiben. Hoch getestete Tiere können dann theoretisch direkt nach der Geschlechtsreife eigene Nachkommen produzieren, d.h. das Generationsintervall (Zeitraum von der Geburt des Tieres bis zur Geburt seiner Nachkommen) beträgt heute nur noch ca. zwei Jahre. Das steigert den Zuchtfortschritt. Doch wer mit Zuchttieren Geld verdienen will, muss schnell sein, da mit der nächsten Zuchtwertschätzung neue Bullen und Rinder mit noch höheren Zuchtwerten zur Verfügung stehen und die eigenen Tiere im Ranking nach hinten rutschen.
Die niederländische Genossenschaft CRV hat darauf reagiert, indem sie in den vergangenen Jahren ihr Donorzuchtprogramm intensiv ausgebaut hat.
Zuchtprogramm CRV

(Bildquelle: CRV)

Ein Stall für 300 Elite-Färsen

Im eigenen Zuchtzentrum im niederländischen Friesland steht nun ein Aufzuchtstall für 300 Jungrinder bereit. Sobald diese die Geschlechtsreife erreicht haben, werden sie gespült, um Embryos zu gewinnen. Die Embryos werden für einen geringen Betrag (100 Euro) an 250 bis 300 Partnerbetriebe („Satelliten-Farmen“, Testherden) verkauft und dort ausgetragen. Die Kälber, die daraus geboren werden, werden genotypisiert und die besten 160 Tiere für 3.000 Euro zurückgekauft. Diese Färsen und dazu 20 weitere Färsen von CRV-Züchtern bilden dann die nächste Generation Bullen- und Kuhmütter aus.
Dairy Breeding Center von außen

(Bildquelle: CRV)

Vorteil der eigenen Nukleus-Herde: Wer sowohl Färsen als auch Besamungsbullen selber hält, kann noch einige Monate im Generationsintervall rausholen. Denn das Sperma der Jungbullen kann direkt von der ersten Absamung an zur Produktion von Embryos verwendet werden, noch bevor der Bulle in den regulären Verkauf geht (Mindestmenge Sperma muss produziert werden, steigt mit zunehmendem Alter).
Die Selektion der Zuchttiere erfolgt nach genomischen Zuchtwerten, zudem müssen die Tiere gesund sein. Schon nach 21 Tagen reduziert sich die engere Auswahl der potenziellen Besamungsbullen von 3.800 auf ca. 175 Tiere. Das spart Aufzuchtkosten. Im Alter von 14 Monaten fällt dann die Entscheidung für die 50 Top-Bullen eines Jahrgangs, die Sperma für die Besamung produzieren dürfen. Die übrigen Bullen werden in die Mast verkauft.

Embryoproduktion ab acht Monaten

Sobald die Donor-(„Geber“-)Färsen geschlechtsreif werden, beginnen sie mit der Embryoproduktion. Dazu wird das Rind entweder mit Hormonen behandelt und besamt, sodass es mehr Eizellen als üblich zur Verfügung stellt. Die befruchteten Embryonen werden mit Flüssigkeit aus der Gebärmutter herausgespült. Alternativ lassen sich auch unbefruchtete Eizellen gewinnen und im Labor besamen. Dazu ist jedoch ein kleiner operativer Eingriff notwendig.
Etwa 60 Embryonen schafft jede Färse bis zum Alter von 16 bis 22 Monaten. Reicht ihr Zuchtwert nicht mehr aus, wird sie besamt und als vier Monate tragende Färse an einen von neun Partner-Betrieben abgegeben, um dort eine normale Milchkuh zu sein. Nur 10 bis 15 Färsen pro Jahrgang werden auch als Kühe nochmals für das Programm gespült.
Mittlerweile stammen rund 75% der CRV-Besamungsbullen aus dem Donorzuchtprogramm. Seit dem Beginn des Zuchtprogramms in 2012 hat sich die Zahl der Embryonen jährlich gesteigert. Derzeit werden pro Jahr etwa 12.000 Embryos produziert, bis 2022 sollen es 20.000 sein.
Vor einem gesteigerten Inzuchtgrad hat CRV-Zuchtspezialist Marcel Fox keine Angst: „Es gibt genügend alternative Genetik. Viele Betriebe sind jedoch nicht bereit, für Outcross-Bullen auf ein paar Zuchtwert-Punkte zu verzichten“, sagt er. Daher setzt er für die Zukunft auf Anpaarungsprogramm und sieht die Zuchtorganisationen in der Pflicht.

Wiegetröge auf normalen Betrieben

CRV will vor allem mittelrahmige, effiziente Kühe züchten, die ihre Milchleistung mit weniger Bedarf an Futter melken. Ziel ist es, in 15 bis 20 Jahren durch effizientere Genetik Futterkosten in Höhe von 2 ct/kg Milch einzusparen. Dazu hat CRV zwei eigene Zuchtindizes entwickelt, „Effizienz“ und „Gesundheit“. Um genügend Daten gerade für die Futtereffizienz und noch mehr Praxiserfahrung zu sammeln, stattet CRV nun normale landwirtschaftliche Betriebe mit Wiegetrögen aus. Gemeinsam mit dem Tiergewicht (Waage) und der Milchleistung (Melkstand) soll die Futtereffizienz so genau berechnet werden können.
Eine der ersten, die die Futteraufnahme direkt misst, ist Familie Alders in Overloon (NL). Willem Alders melkt 200 Kühe mit einer Milchleistung von 11.000 kg. Auch er hat unter der Phosphatquote zu leiden. Der 2010 für 270 Kühe gebaute Stall ist derzeit nur mit 190 Tieren belegt. Ich rechne gerne, sagt der Hofnachfolger und sucht nach Möglichkeiten, die besten Kühe für seinen Betrieb zu behalten. Er findet es interessant, welche Unterschiede die Berechnung ausgibt: „Wir haben drei Schwestern auf dem Betrieb, die sich äußerlich sehr ähneln und trotzdem einen Unterschied von 0,5 in der Futtereffizienz aufweisen.“ (Futtereffizienz = Verhältnis von ermolkener Milch und aufgenommenem Futter, Bsp.: Produziert eine Kuh 30.000 kg Milch und nimmt dafür 18 t TM auf, hat sie eine Futtereffizienz von 1,65.)
Willem Alders selbst kann die Ergebnisse der Wiegetröge nicht verwerten, weil die für die Forschung hergestellten Tröge keine anwenderfreundliche Softwareoberfläche anbieten. Er wird mit einem kleinen Gehalt für den Mehraufwand bei der Fütterung und Gruppierung der Kühe entlohnt, auch die Investitionskosten von 200.000 Euro hat CRV getragen. Und so funktioniert das Management im Alltag:

Mehr über die Vor- und Nachteile genomischer Selektion diskutieren zwei Experten auf der Letzten Seite" im aktuellen Heft, wie sich genomische Selektion in Ihrer eigenen Herde nutzen lässt, haben wir in Elite 3/18 vorgestellt.


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