Irland

Das Ryanair-Prinzip: Wettbewebsfähig in volatilen Märkten

Mit geringen Kosten und einem einfachen System einen maximalen Output erzielen, das gilt nicht nur für die irische Fluggesellschaft Ryanair sondern auch für die irische Milchbranche. Für eine positive Grundstimmung unter den Milchfarmern sorgen aber auch Festpreise und flexibel zurückzahlbare Molkerei-Darlehen sowie Investitionen der Molkereien in den Zukunftsmärkten Asien und Afrika.

Auf einem Meeting, zudem die European Dairy Farmer (EDF) kürzlich nach Dublin eingeladen haben, stellten die irischen Milchfarmer, ihre Molkereien und Verbände ihre Strategien vor.
Irland setzt beim Wachstum der Wirtschaft auf die Agrarbranche. Die Milch spielt dabei eine wichtige Rolle. Viele Verbraucher assoziieren Irland mit Die Grüne Insel" und qualitativ hochwertige Milchprodukte wie etwa Butter und Käse. Auch spielt Irland das Thema Umwelt und Nachhaltigkeit extrem stark: Grüne, Wiesen, gesunde Kühe (reine Grasfütterung) – Natur pur. In den kommenden Monaten will die irische Milchbranche jetzt den CO2-Footprint auf allen Milchprodukten labeln. Davon verspricht man sich auf der Insel bei den zunehmend umweltbewussteren Verbrauchern zu punkten.
EDF_Meeting

(Bildquelle: Elite Magazin)

Seit dem Wegfall der EU Milchquote ist die Milchproduktion Irlands um 14,5% gestiegen, auf der Insel scheint regelrecht ein Milchrausch ausgebrochen. Ein Ende scheint noch nicht in Sicht, denn die Iren wollen auch in den kommenden Jahren kräftig weiter melken. Die irische Milchbranche steuert, u.a. auch Dank umfangreicher (finanzieller) Unterstützung der Politik, weiter voll auf Wachstumskurs. Auf dem europäischen Festland befürchten zunehmend mehr Marktteilnehmer, dass die Iren den europäischen Michmarkt zunehmend fluten werden.

Soviel Milch wie nie zuvor!

In 2016 wurden in Irland 6,87 Mio. Tonnen Milch erzeugt, ein historischer Höchststand. Im Vergleich zum Vorjahr wurde der Tagesdurchschnitt um 4,1 % übertroffen (zum Vergleich: in 2014 wurden 5,81 Mio. Tonnen Milch gemolken). Auch wenn sich das Wachstum in 2016 im Vergleich zu den beiden Vorjahren etwas verlangsamt hat (zurückzuführen war dies auf die ungünstigere Witterung und auf die niedrigen Milchpreise), stehen die Zeichen weiter ganz klar auf Wachstum. In den nächsten fünf bis zehn Jahren wolle man „der am schnellsten wachsende Milchproduzent der Welt“ werden, ist aus dem Landwirtschaftsministerium in Dublin zu vernehmen. Bis 2020 wollen die Iren ihren Milch-Ausstoß auf 7,5 Milliarden Kilo Milch steigern. So steht es im Strategiepapier Food Harvest 2020". Abgesetzt werden soll die zusätzliche Milch im Ausland, in Europa und in Asien.
Die irische Milchbranche ist stark exportorientiert. Heute schon geht etwa 85% der gesamten Milchproduktion in den Export, überwiegend als Trockenmilch und Käse (ca. 85 % der Rohmilch wird zu diesen beiden Produkten veredelt). Zudem ist Irland eine der weltweit führenden Hersteller von Trockenmilch für Babynahrung, 15 % des weltweiten Bedarfs werden auf der Atlantikinsel produziert. Als weitere Exportschlager wird derzeit die Butter aufgebaut, die unter dem Markennamen Kerrygold vertrieben wird.
Keine Angst hat die Milchbranche vor der internationalen Konkurrenz. Man sei durchaus wettbewerbsfähig, ja man könne in punkto Wettbewerbsfähigkeit sogar mit Neuseeland mithalten, gibt man sich in der Branche selbstbewusst – trotz vergleichsweise kleiner Betriebs- bzw. Herdenstrukturen.

Noch wird auf 17.500 Farmen gemolken

Derzeit melken auf der grünen Insel noch rund 17.500 Farmer. Allerdings halten die meisten weniger als 50 Kühe. Nur rund 35 % liefern mehr als 450.000 kg Milch jährlich an ihre Molkerei. Dass der Strukturwandel hier noch nicht so „gewütet“ hat wie z.B. in Deutschland bzw. noch nicht flächendeckend zum Aufbau größerer Kuhherden geführt hat, liegt vor allem an der restriktiven Handhabung der Flächenübertragung. Ein irischer Farmer gibt so schnell keine Fläche ab, und wenn dann nur für eine Vegetationsperiode. Diese Praxis beruht auf einem mittelalterlichen Gesetz, das besagt, dass eine Fläche, die länger als elf Monate einem fremden Bewirtschafter überlassen wird, automatisch in dessen Eigentum übergeht. Zwar gilt dieses Gesetz heute nicht mehr, doch in den Köpfen vieler Iren scheint es immer noch verankert. Nur so ist zu erklären, dass Flächenpachtverträge oftmals immer noch auf die besagten elf Monate begrenzt werden.
Seit einigen Jahren kommen in Folge von Betriebsaufgaben jedoch so langsam aber sicher immer mehr Flächen auf den Grundstücksmarkt. Diese Flächen werden in der Regel längerfristig verpachtet. Erleichtert wird dem Verpächter die Abgabe seiner Ländereien durch die EU-Flächenprämie, die er einbehält. Von Pächter erhält er dann zusätzlich noch eine Pacht in Höhe von 400 bis 600 Euro pro Hektar (zumeist Grünland). Für nicht wenige der aufgebenden Farmer sind die Einnahmen aus der Pacht ein wichtiger Bestandteil ihres Einkommens.

Vollweide: Low-Input-Strategie

Die Iren verstehen es, ihre Produktionskosten gering zu halten. Ihr Kostenbewusstsein ist allerdings vorbildlich. Aktuell die liegen die reinen Produktionskosten (Cash-Kosten) bei rund 21 Cent pro Liter Milch. Erreicht wird durch eine Low-Input-Strategie. Diese basiert auf dem Vollweide-System. Ziel ist, die Produktionskosten so niedrig wie möglich zu halten, u.a. durch:
  • zehnmonatige Weidehaltung
  • einen geringen Zukauf von Kraftfutter
  • möglichst wenig Futterkonservierung
  • geringen Arbeitskrafteinsatz (i Mittel werden 21,7 Akh/Kuh benötigt, in Herden mit mehr als 250 Kühen sogar nur 17,5 Akh)
  • die Kosten für Gebäude und Landmaschinen werden so gering wie möglich gehalten

  • zehnmonatige Weidehaltung
  • einen geringen Zukauf von Kraftfutter
  • möglichst wenig Futterkonservierung
  • geringen Arbeitskrafteinsatz (i Mittel werden 21,7 Akh/Kuh benötigt, in Herden mit mehr als 250 Kühen sogar nur 17,5 Akh)
  • die Kosten für Gebäude und Landmaschinen werden so gering wie möglich gehalten

Mit einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von über 1.000 mm/Jahr fällt in Irland genug Regen, um eine Weidehaltung von bis zu zehn Monaten im Jahr durchführen zu können. Weidegras ist denn auch die Hauptkomponente in der Milchviehfütterung. Die Beifütterung von Silagen und Kraftfutter wird dabei so weit wie möglich reduziert, um die Aufnahme des kostengünstigen Weidegrases nicht einzuschränken. Die Betriebe halten so ihre Futterkosten gering.
Vollweide

Die Kühe laufen von Februar bis November auf der Weide. (Bildquelle: Elite Magazin)

Ziel der Vollweidehaltung ist eine hohe Flächenproduktivität mit einer maximalen Umwandlung von Weidegras in Milch. Um das Maximum an Milch aus dem Gras melken zu können, kalben die Kühe meist innerhalb von acht bis zehn Wochen ab, beginnend ab Anfang Februar. Mit der Frühjahrsabkalbung soll sichergestellt werden, dass sämtliche Kühe pünktlich zum Vegetationsbeginn (Hauptphase des Grasaufwuchses) laktieren. Der komplette Vegetationszeitraum kann so vollständig für die Milchproduktion ausgenutzt werden. Kraftfutter gibt es für die Kühe zumeist nur beim Melken (1 bis 2 kg), daneben wird zu Vegetationsbeginn noch etwas Silage zugefüttert, um die Fettprozente in der Milch zu halten. Das System Vollweide ist nicht auf hohe Milchleistung ausgelegt. Die durchschnittliche Milchleistung der irischen Kuhherden liegt bei ca. 5.600 kg pro Kuh und Jahr.
Kosten

(Bildquelle: Elite Magazin)

Festpreise für Milch

Die stark saisonale Produktion zwingt die Molkereien dazu, im Frühjahr sehr große Milchmengen zu verarbeiten, während sie im Herbst und Winter ihre Produktionskapazitäten kaum auslasten können. Um auch den Bedarf an Trinkmilch und Frischeprodukten zu decken, gibt es sogenannte „Liquid Milk“-Verträge. Mit Zuschlägen versuchen die Molkereien einige insbesondere größere Milchfarmer davon zu überzeugen, zumindest einen Teil ihrer Herde erst im Herbst abkalben zu lassen. Der Zuschlag für die Wintermilch erscheint vielen Farmern allerdings nicht ausreichend, um die Mehrkosten der Ganzjahresmilchproduktion zu decken.
Die Genossenschaftsmolkerei Glanbia ist der größte Milchverarbeiter auf der Insel. Etwa zwei Milliarden Liter Milch erfasst und verarbeitet das Unternehmen jährlich, also mehr als ein Drittel der irischen Milch. Aktuell beliefern rund 4.800 Milchfarmer die Molkerei. Da sich Glanbia weiter auf Wachtumskurs befindet, hat sich das Unternehmen intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, wie es in Zeiten zunehmender Preisvolatilität gelingen kann, die Milchfarmer davon zu überzeugen, weiter zu melken und nicht die Kühe abzuschaffen. Schnell wurde klar, dass dazu auf den meisten Farmen umfangreiche Investitionen notwendig erforderlich sind, insbesondere in Melktechnik und Stallgebäude. Um die Investitionsplanungen der Farmer abzusichern hat die Molkerei mehrere Instrumente entwickelt:
  • MilkFlex: Die Molkerei vergibt flexible Kredite (über die Rabobank) an ihre Milcherzeuger, die Höhe der Rückzahlung ist abhängig vom Milchpreis
  • GAP (Glanbia Advance Payment): Molkerei gewährt finanzielle Unterstützung zum Erhalt des Cash-Flow; bei steigenden Milchpreisen wird der zuvor gewährte Zuschuss vom Milchcheck abgezogen (Rückzahlung über max. 5 Jahre)
  • „Back-to-back“-Vereinbarung: Die Preissicherheit aus langfristigen Kontrakten wird von der Molkerei an die Milchfarmer weitergegeben. Die Milcherzeuger können ca. ein Drittel der Verarbeitungsmenge absichern.
  • bereits seit dem Jahr 2011 bietet Glanbia Milchfestpreise für einen Zeitraum von18 bzw. 36 Monaten an.
  • zudem legt Glanbia regelmäßig ein Stützungsprogramm (Hilfspaket) für die Milchlieferanten auf. Das „Member Support Package” umfasst ein 1026 rund 35,6 Mio. Euro. Ziel ist es, den Milchauszahlungspreis um 1 Cent/kg zu erhöhen. Finanziert wird das Hilfspaket aus dem über den Verkauf von vier Millionen Aktien der Glanbia PLC .

  • MilkFlex: Die Molkerei vergibt flexible Kredite (über die Rabobank) an ihre Milcherzeuger, die Höhe der Rückzahlung ist abhängig vom Milchpreis
  • GAP (Glanbia Advance Payment): Molkerei gewährt finanzielle Unterstützung zum Erhalt des Cash-Flow; bei steigenden Milchpreisen wird der zuvor gewährte Zuschuss vom Milchcheck abgezogen (Rückzahlung über max. 5 Jahre)
  • „Back-to-back“-Vereinbarung: Die Preissicherheit aus langfristigen Kontrakten wird von der Molkerei an die Milchfarmer weitergegeben. Die Milcherzeuger können ca. ein Drittel der Verarbeitungsmenge absichern.
  • bereits seit dem Jahr 2011 bietet Glanbia Milchfestpreise für einen Zeitraum von18 bzw. 36 Monaten an.
  • zudem legt Glanbia regelmäßig ein Stützungsprogramm (Hilfspaket) für die Milchlieferanten auf. Das „Member Support Package” umfasst ein 1026 rund 35,6 Mio. Euro. Ziel ist es, den Milchauszahlungspreis um 1 Cent/kg zu erhöhen. Finanziert wird das Hilfspaket aus dem über den Verkauf von vier Millionen Aktien der Glanbia PLC .

Rund 40 Prozent der Glanbia-Milcherzeuger nehmen an den Programmen teil.

Milchwirtschaft investiert weltweit

Die Vertriebsgesellschaft der irischen Milchwirtschaft, Ornua, hat im letzten Jahr kräftig investiert. In Saudi-Arabien wurde für 20 Mio. Euro ein neuer High-Tech-Hub für die Produktion von Weißkäse errichtet. In China haben die Iren den Milchverarbeiter Ambrosia Dairy in Shanghai erworben. Das Unternehmen beliefert den Groß- und Einzelhandel in der Region um die Millionenmetropole mit Milchprodukten wie Sauerrahm, Joghurt und Käsespezialitäten. Mit der Übernahme haben sich die Iren einen ersten Produktionsstandort im wichtigen Wachstumsmarkt China gesichert. Im Ambrosia-Werk soll ein „New Product Development Center“ spezielle auf den Geschmack der chinesischen Verbraucher abgestimmte Produkte entwickeln. Erst wenige Wochen zuvor eröffnete Ornua eine Milchpulver-Verpackungsfabrik in Nigeria. Dort soll Milchpulver verpackt und in Nigeria unter der Marke Kerrygold vertrieben werden. Daneben wurden in Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA Unternehmen übernommen oder es wurde in bestehende Tochterunternehmen investiert.
Ornua (vormals: Irish Dairy Board) ist eine genossenschaftliche Organisation von irischen Milchbauern und deren Molkereien. Ihre Aufgabe ist es, für den weltweiten Absatz irischer Milchprodukte zu sorgen. Vermarktet werden die Produkte unter der Marke „Kerrygold“.
Der Molkereikonzern Glanbia PLC hat indess laut der Irish Times gerade angekündigt, 181 Mio. Euro in den Erwerb von zwei Unternehmen, das US-amerikanischen Amazing Grass und das niederländischen Body & Fit steckenzu wollen. Beide Unternehmen passen gut zu Glanbias Sparte Performance Nutrition (GPN) und sollen dazu beitragen neue Absatzkanäle und Konsumenten zu erreichen.
Autor: Gregor Veauthier