Das Agrarmarktstrukturgesetz ist geändert und jetzt?

Die Koalition hat vergangene Woche eine Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes beschlossen. Erzeugerorganisationen können damit befristet Mengenabsprachen zur Reduzierung der Rohmilchproduktion tätigen. Dies erwartet die Politik nun auch.

Nachdem am vergangenen Donnerstag die Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes mit Enthaltung der Opposition beschlossen wurde, setzt die Berliner Regierungskoalition die Milchwirtschaft nun unter Druck. Man erwarte von den Wirtschaftsakteuren, kurzfristig Lösungen für das derzeitige Überangebot am Milchmarkt zu finden, erklärten der Agrarsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Franz-Josef Holzenkamp anlässlich der Gesetzesänderung.
Mit der Änderung des Agrarmarktstrukturgesetzes macht Deutschland von der Möglichkeit des EU-Rechts Gebrauch, dass sowohl anerkannte als auch nicht anerkannte Erzeugerorganisationen befristet Mengenabsprachen zur Reduzierung der Rohmilchproduktion treffen können. Die Ausnahmeregelung für freiwillige gemeinsame Vereinbarungen, „welche die Planung der Milchproduktion zum Gegenstand haben“, gilt zunächst für ein halbes Jahr, kann aber um weitere sechs Monate verlängert werden. Nach Inkrafttreten auf EU-Ebene am 12. April 2016 hat die Neuregelung in Deutschland damit längstens Gültigkeit bis zum 12. April nächsten Jahres.
Zudem haben sich Union und SPD unmittelbar auf eine Vorschrift zur Allgemeinverbindlichkeit verständigt. Danach wird das Bundeslandwirtschaftsministerium ermächtigt, Regelungen zu erlassen, um Mengenvereinbarungen von anerkannten Agrarorganisationen für allgemein verbindlich zu erklären.

Koalition kritisiert bisherige Tätigkeit der Genossenschaften

Des Weiteren wurde eine Entschließung gefasst: Darin übt die Koalition offene Kritik an den Molkereigenossenschaften. Obwohl das Genossenschaftsrecht schon heute die Möglichkeit eröffne, mehr Flexibilität im Bereich der Lieferbeziehungen zu schaffen, werde davon kaum Gebrauch gemacht. Man erwarte von den Genossenschaften, „in eigener Verantwortung kurzfristig tragfähige Lösungen zur Verbesserung der Marktstellung ihrer Erzeuger anzugehen“. Die Bundesregierung wird in der Entschließung aufgefordert, „diesen Weg durch entsprechende Rechtsetzungen zu gestalten“. Die SPD hat dafür vor allem eine Abschaffung der Andienungspflicht von Milcherzeugern gegenüber ihren Molkereien im Auge. Den „vermeintlichen Vorteil“ der Abnahmeverpflichtung der Molkerei sieht der agrarpolitische Sprecher der SPD, Dr. Wilhelm Priesmeier als eine Ursache für die derzeitige Krise. Notwendig sei „ein echter Wettbewerb“ auf dem Milchmarkt. „Jeder Milchviehhalter muss in Zukunft einen Vertrag haben, in dem Preis, Menge und Vertragslaufzeit genau geregelt wird“, betonte er.

Raiffeisenverband fühlt sich zu Unrecht angegriffen

„Verschnupft“ reagierte der Deutsche Raiffeisenverband (DRV). Präsident Manfred Nüssel nannte es realitätsfern, „angesichts der globalen Marktkrise die Verantwortung ausschließlich einzelnen Unternehmen der Genossenschaftsgruppe in Deutschland zuzuweisen“. Nüssel zeigte sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Beratungen beim „Milchgipfel“ Anfang vergangener Woche überrascht von der Kritik der Koalition an den Genossenschaften und der Aufforderung zum Handeln. Der Vorwurf, bestehende Möglichkeiten zur Verbesserung der Marktstellung von Erzeugern würden nicht genutzt, stehe im krassen Gegensatz zur genossenschaftlichen Praxis, erklärte der Raiffeisenpräsident. Die Erzeuger hätten sich zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre Marktstellung zu stärken. Nach Nüssels Angaben entscheiden die Mitglieder autonom und in einem demokratischen Prozess über die Ausgestaltung der Lieferbeziehungen bis hin zur Unternehmensstrategie. „Deshalb weise ich jegliche externe Einflussnahme oder die Drohung mit veränderten rechtlichen Vorgaben entschieden zurück“, so der DRV-Präsident. Das Genossenschaftsrecht biete ausreichend Möglichkeiten, mehr Flexibilität im Bereich der Lieferbeziehungen zu schaffen. „Dabei darf es nicht zu einer Entsolidarisierung unter den Mitgliedern kommen“, warnte Nüssel. Der DRV werde mit seinen Mitgliedsunternehmen intensiv beraten, ob sie Chancen in dem neuen gesetzlichen Rahmen sehen. Insbesondere sei zu klären, wie die genossenschaftlich organisierten Milcherzeuger die Vorschläge der Politik bewerten.

DBV: Milchwirtschaft muss jetzt reagieren, damit Gesetzgeber nicht weiter eingreift

Demgegenüber sei für den Präsidenten des Deutschen Bauernverband (DBV), Joachim Rukwied, der Handlungsbedarf bei den Lieferbeziehungen in der aktuellen Krise besonders deutlich geworden. Sowohl die Gesetzesänderung als auch die Entschließung des Bundestages unterstreichen aus seiner Sicht die wichtige Rolle, „die Marktpartner, Genossenschaften und Erzeugerorganisationen für eine marktorientierte Angebotsanpassung haben“. Seit dem Auslaufen der Milchquote könne die Verantwortung für das Management der Anlieferungsmengen und zunehmender Preisschwankungen nur zwischen Vermarktern und Erzeugern wahrgenommen werden. Landwirte und ihre Molkereien hätten die Instrumente in der Hand, um auch kurzfristig entsprechende Änderungen herbeizuführen und so auf veränderte Marktsituationen reagieren zu können.
„Die Beschlüsse des Bundestages sehen wir als Aufforderung an die deutsche Milchwirtschaft, die dringend angezeigten Veränderungen in den Lieferbeziehungen zwischen Molkereien und Landwirten schnell zu verhandeln und in Angriff zu nehmen“, stellte Rukwied klar. Jetzt gelte es, Lösungen zu schaffen, „damit der Gesetzgeber nicht in Detailregelungen eingreifen muss“. (AgE)