Coronavirus

Corona trifft die Molkereien unterschiedlich

Die Coronakrise beeinflusst die Molkereien je nach Ausrichtung unterschiedlich. Welche Auswirkungen das auf die Milcherzeugerpreise der kommenden Wochen und Monate haben kann, wagt keiner konkret einzuschätzen. Update: Anfang April.

Obwohl im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) derzeit im zweistelligen Bereich erhöhte Mengen an Milch und Milchprodukten nachgefragt werden, deuten die Prognosen in den kommenden Monaten auf allgemein sinkende Milcherzeugerpreise hin. Von dem, nun rund 14-tägigen und voraussichtlich noch bis Ostern andauernden, Nachfrageboom werden die Milcherzeuger als Rohstofflieferanten wohl nicht profitieren. Trotz des gegenwärtig großen Nachfrage ist nach Angaben der Agrarmarkt Informations-GmbH (AMI) bei Molkereierzeugnissen auf Verbraucherebene kein Preisanstieg wegen des Corona-Virus festzustellen. Im Gegenteil: Die Ladenpreise für Milch und Milchprodukte haben im März um 0,7 % unter dem Niveau des Vorjahresmonats gelegen. Grund dafür seien die langen Laufzeiten der Kontrakte zwischen Herstellern und dem Handel, erläuterten die Bonner Marktbeobachter. Zudem haben sich die Warenströme in einer bislang ungekannten Weise insgesamt verschoben, gerade für Exportabsätze sieht es gegenwärtig schlecht aus. Diese auszugleichen bzw. im heimischen Markt unterzubringen, ist angesichts des eigentlichen Umfangs kaum/nicht möglich. Bedingt durch diese Entwicklungen werden die Molkereien, je nach Produktionsausrichtung, sehr unterschiedlich von den Auswirkungen der Krise getroffen:
  • Derzeit heißt es, aufgrund des Kontaktverbotes und dem entsprechend heruntergefahrenen Gesellschaftsleben, kein bis kaum Absatz mehr in Richtung Gastronomie oder Großkantinen.
  • Gleichzeitig stockt es, wenn auch etwas weniger, aufgrund logistischer Einschränkungen, aber dafür aufgrund gesunkener Nachfrage nach den wichtigsten Exportprodukten Milch/frische Milchprodukte, Käse sowie Magermilchpulver, im Exportgeschäft. China und Italien stellen die mit wichtigsten Absatzmärkte für deutsche Molkereien.
  • Im Exportprodukt Nr. 3, Magermilchpulver, wird die Nachfrage zumeist wieder als gut beurteilt, heißt es seitens der ZMB Zentrale Milchmarkt Berichterstattung GmbH im Marktbericht (25.03.2020). Für Exporte in verschiedene Regionen sind neue Anfragen eingegangen und auch einige Abschlüsse zu Stande gekommen. Am EU-Binnenmarkt sieht es anders aus: Bestehende Kontrakte würden abgerufen, neue Geschäfte für längerfristige Termine aber kaum abgeschlossen. Die Einkäufer warten ab, die Preise fallen, die Preistendenz: deutlich schwächer, beurteilt die Süddeutsche Butter- und Käsebörse in der aktuellen Preisermittlung Milchdauerwaren (25. März 2020). Und das gleichwohl in der EU, wie auch am Weltmarkt.

Je nach Ausrichtung trifft es die Molkereien unterschiedlich

Je nach Produktionsausrichtung stehen die Molkereien derzeit entsprechend vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen. In wie weit das die jeweiligen Höhen oder Tiefen der Milcherzeugerpreise in den kommenden Wochen und Monaten beeinflussen wird, wagt zurzeit keiner konkret vorherzusagen.
Den extremen Nachfrageboom erlebt gerade unter anderem das Deutsche Milchkontor (DMK). Der Sprecher der größten deutschen Genossenschaftsmolkerei, Oliver Bartelt, erklärte: „Die Aufträge seitens des Lebensmitteleinzelhandels (im Inland) sind aktuell doppelt so hoch wie in einer „normalen” Woche um diese Zeit.” Nachgefragt seien vor allem haltbare Milch und Sahne sowie Butter und Käse. „Alle weiteren Segmente verzeichnen aber ebenfalls deutliche Anstiege – teilweise wird die dreifache Wochenmenge bestellt”, so Bartelt. Die aktuelle Liefermenge bei DMK liegt demnach derzeit 40% über Durchschnitt.
Um diese derart spontan erhöhte Nachfrage nach Frischmilchprodukten bedienen zu können, haben entsprechende Molkereien ihre Produktion ausgeweitet. Das bedeutet im Umkehrschluss Zusatzschichten. Gleichzeitig stehen die Molkereien, trotzt der erhöhten Maßnahmen zum Infektionsschutz ihrer Angestellten, unter der Sorge vor Corona-erkrankungsbedingten Ausfällen bei ihren Mitarbeitern.
Während ein Unternehmen in dieser Größenordnung in der Produktion noch relativ flexibel reagieren kann, hadern kleinere Milchverarbeiter mit einem weiteren Problem: Verpackungsmaterial. So erklärt Dr. Hans-Jürgen Seufferlein vom Verband der bayerischen Milcherzeuger, dass das Verpackungsmaterial ein Grund dafür ist, dass einige Molkereien derzeit trotzt genügend Rohstoff nicht komplett ausliefern können. Kleineren Molkereien fehle der passende Maschinenpark, um die Produktion in kurzer Zeit komplett auf den Einzelhandel umzustellen. Vorhandene Gastronomie-Verpackungen von 5 bis 10 l sind für den Einzelhandel eben ungeeignet.
Molkereien, die etwa bisher Käse für Abnehmer in Italien oder Spanien produziert haben, müssen gerade massive Absatzeinbrüche weg stecken. Laut Trigona Dairy Trade stellen Käsereien, die ansonsten etwa Mozzarella für Italien herstellen, ihre Produktion teilweise und soweit es den überhaupt möglich ist, auf länger haltbare Käsesorten um.
Update: Spotmarkt zeigt Anfang April merklich den Stress im Markt
Der Handel mit Rohmilch zwischen den Molkereien am Spotmarkt ist in der ersten Aprilwoche (KW 14) gekippt. Laut den Marktexperten der niederländischen Trigona Dairy Trade herrscht großer Stress im Markt: Denn das Milchaufkommen steht nah am Peak, die Nachfrage ist schwach. Da die Molkereien je nach Produktionsausrichtung (Kleingebinde für den LEH/Großabnehmer/Export) sehr unterschiedlich von der Krise betroffen sind, hat sich auch Angebot und Nachfrage am Spotmarkt verschoben. Molkereien, die z.B. für Abnehmer von Großgebinden oder Käse nach Südeuropa ausgerichtet sind, sind teils gezwungen Milch zu niedrigen Preisen am Spotmarkt abzugeben. Entsprechend werden die Gesamtverwertungen der Milchverarbeiter leiden und das dürfte sich alsbald auf die Milcherzeugerpreise auswirken. Erste rückwirkende Preiskorrekturen für März seien bereits vorgenommen worden. Spotmilch aufnehmen dürften intensiver nur die, die ihre Produktion für den LEH erheblich hochgefahren haben und dafür keine Milch aus anderen Verwertungen abziehen. Seitens der Magermilchpulverproduktion geht es derzeit um Auslastung der Kapazitäten und darum, wie es um die weitere Preisentwicklung geht.
Einige Molkereien (u.a. in Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien) beginnen ihre Milcherzeuger daher jetzt aufzufordern, die Milchproduktion zunächst freiwillig zu reduzieren; etwa um 20%.
Entsprechend geben die Preise am Spotmarkt stark nach. In Deutschland wurde freie Milch zwischen den Molkereien zur Lieferung in der kommenden Woche (KW 15) in der KW14 im Mittel zu Preisen gehandelt, die sich zwischen 23,6 € (Nord) und 25,16 € (Süd) pro 100 kg Milch (3,7% Fett) orientierten. In der Vorwoche orientierten sich die Preise hier im Mittel noch zwischen 27,33 € (Nord) und 28,83 € (Süd).
Zum 02. April 2020 teilt Trigona Dairy Trade für den niederländischen Spotmarkt noch eine mittlere Notierung von 30,0 € pro 100 kg Milch (4,4% Fett) mit.

Forderung nach EU-Intervention und privater Lagerhaltung

Eng sieht es für den Handel mit Versandmilch aus, die Preise entwickeln sich in der EU und Deutschland ebenfalls schwächer. Übermengen, die zwischen den Molkereien oder auch ins EU-Umland gehandelt werden, finden weniger Abnehmer, der Versand nach Italien sei reduziert. Italiens Milcherzeugerverbände klagen darüber, dass nach wie vor Rohmilch und Käsebruch importiert würden, während ihre Milchpreise drastisch sinken und appellieren an die Regierung, den Import ausländischer Milch zu stoppen.
Gleichzeitig steigt saisonal bedingt das Milchaufkommen in den meisten EU-Ländern. Teils überschreitet das Aufkommen dabei die Vorjahrsmengen, in Deutschland lag die Anlieferungsmenge zuletzt Anfang März um 2% über der Vorjahreslinie. Anders als in Österreich, Südtirol und Italien, appellieren bisher in Deutschland aber noch keine Molkereien offiziell an ihre Erzeuger, die Anlieferungsmengen zu reduzieren. Es könnte aber in den nächsten Tagen zu solchen Empfehlungen kommen, da derzeit der Absatzmarkt für große Milchmengen in der Branche weggebrochen sei. Diese Erwartung ist zumindest derzeit aus Süddeutschland zu vernehmen.
Um Druck vom Milchmarkt zu nehmen, sind mehr und mehr Forderungen oder Vorschläge dazu zu vernehmen, die EU-Intervention und die private Lagerhaltung für Milchpulver, Butter und Käse zu öffnen. Zuletzt hat der DBV-Milchpräsident Karsten Schmal die EU-Kommission bzw. den Sonderausschuss Landwirtschaft der EU-Mitgliedstaaten und Molkereien aufgefordert, auf die aufgetretenen Verwerfungen durch die Coronakrise zu reagieren: „Wenn es eine Marktlage gibt, die Beihilfen zur privaten Lagerhaltung von Milchprodukten rechtfertigt, dann ist es die aktuelle. Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten sind deshalb gefordert, dieses Instrument zeitnah zu eröffnen.“ Man müsse schnell auf die Veränderungen in der Logistik und bei den Absatzwegen von Milchprodukten reagieren.
Dass das Kriseninstrument der Intervention allein nicht ausreichen wird, erklärte allerdings der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM). Er fordert daher, einvernehmlich mit dem European Milk Board EMB, eine bundes- bzw. EU-weite freiwillige Mengenregulierung als zusätzliche Maßnahme. Der europäische Milchmarkt müsse gemeinsam um wenige Prozentpunkte bereinigt" werden.
Mehr zur Coronakrise und ihren Auswirkungen auf die Milchbranche finden Sie bei uns hier.
Quellen: Lebensmittelzeitung, Trigona Dairy Trade, Süddeutsche Butter- und Käsebörse e.V., ZMB, BDM


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