CETA: Kanadier fürchten europäischen Käse

Das zwischen der EU und Kanada abgeschlossene Freihandelsabkommen CETA erlaubt es, jährlich 17.700 t Käse aus der EU nach Kanada zu exportieren. Kanadische Milcherzeuger fordern jetzt Schadensersatz. Europäische Milcherzeuger müssen im Gegenzug mit geringeren Erlösen aus Schlachtkuh- und Kälberverkauf rechnen.

Am vergangenen Freitag, den 30. Oktober 2016, unterschrieben die Regierungen der Europäischen Union und Kanadas das Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA, Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen) in Brüssel. Zusätzliche 16.000 t von hochqualitativem Käse sowie 1.700 t Industriekäse dürfen nun zollfrei aus der EU in den kanadischen Markt eingeführt werden, insgesamt summiert sich das Einfuhrkontigent der EU nach Kanada nun auf über 30.000 t pro Jahr. Während die großen europäischen Käseproduzenten davon profitieren können (die Milcherzeuger wirtschaftlich direkt wohl kaum), kommt das Handelsabkommen bei den kanadischen Milcherzeugern gar nicht gut an. Sie fürchten den zusätzlichen Druck den der europäische Käse auf die heimische Produktion ausübt. Sie können etwa 7,7 Prozent ihres nationalen Käsemarktes verlieren und damit sehr wohl wirtschaftliche Effekte im Milcherlös zu spüren bekommen.
Die europäischen Milchkuh-/Rinderhalter müssen derweil aufgrund erhöhter Rindfleischexporte aus Kanada mit niedrigeren Einnahmen aus dem Mastrinder-, Schlachtkuh- sowie auch dem Kälberverkauf in die Mast rechnen. Laut CETA-Vertrag kann Kanada in die EU mehr hormonfreies Rindfleisch (65.000 Tonnen, bisher 15.000 Tonnen) zollfrei einführen.

Jährlicher Verlust von etwa 100 Mio. bis 150 Mio. kanadischen Dollar

So teilte die Vereinigung der kanadischen Milcherzeuger, Dairy Farmers of Canada (DFC), mit, dass sie zwar das Ergebnis harter Arbeit der kanadischen Regierung anerkennen, jetzt nach der Unterzeichnung aber begierig sind, zu sehen wie das Abkommen umgesetzt wird und wie die Regierung ihr Versprechen eines Schadensminderungs- und Entschädigungspakets für die kanadischen Milcherzeuger erfüllen wird. Die Vereinigung erklärte in ihrer Pressemeldung, dass der durch CETA gewährte Marktzugang den kanadischen Milcherzeugern jährlich rund 116 Mio. kanadische Dollar (CAD) kosten könnte. Denn wenn der importierte Käse aus Europa mehr Regalfläche in den Märkten einnehme, brauche weniger heimische Milch in der rentablen Käseproduktion verarbeitet werden. 
Derweil forderte die Milcherzeugervereinigung aus der Provinz Quebec für die kommenden 15 Jahre konkret eine Entschädigung in Höhe von 2,4 Mrd. CAD von der Regierung. Sie begründeten ihre Forderung damit, dass die erwarteten höheren Käseeinfuhren aus Europa die kanadischen Milchkuhhalter rund 150 Mio. CAD pro Jahr kosten könne. Quebec sei besonders betroffen, wenn ein Teil der heimischen Milch aufgrund der erwarteten Konsequenzen von CETA nicht mehr verkäst werden könne, da in der Provinz 51 Prozent der kanadischen Käseproduktion konzentriert seien. So der Geschäftsführer der Quebec Dairy Producer, Alain Bourbeau gegenüber dem Nachrichtenkanal CBC New Montreal. Da bereits jetzt ein Zugang von über 20.000 t Käsespezialitäten auf den kanadischen Markt gewährt würde, wird der Druck auf die heimischen Käseproduktion durch weitere 16.000 t aus dem Ausland noch deutlich ansteigen.
Laut dem Newsportal Moproweb hat die kanadische Handelsministerin, Chrystia Freeland, bereits versucht die Sorgen der Milcherzeuger zu beschwichtigen. Die Regierung habe die Branchen erkannt, für die der Übergang zum Freihandel besonders hart ist. Man arbeite an geeigneten Fördermaßnahmen.

Handwerkliche Käsereien vertrauen auf die Regionalität

Die handwerklich aufgebauten Käsereien bräuchten sich nicht vor der Umsetzung von CETA fürchten, im Gegensatz zu den großen Käseproduzenten des Landes, erklärte unterdessen Gilles Jourdenais, ein Käseexperte und Eigentümer des Käsespezialitätengeschäfts „Fromagerie Atwater“ in Montreal. Er ist der Meinung, dass die kleinen Produzenten in Quebec zwar ein mehr Wettbewerbskonkurrenz bekommen und man nicht erwarten kann, dass zusätzliche 16.000 t Käsespezialitäten niemanden zerstören würden, doch am Ende würde der Verbraucher richtig entscheiden. Und darauf vertraut der Käseexperte. Er habe schon immer gesagt , dass Quebec-Produkte nicht gekauft werden, weil sie günstiger sind, sondern weil sie gut sind und die Verbraucher die lokalen Milcherzeuger und Käsereien unterstützen wollen.
Quellen: dairyfarmers.ca; cbc.ca; moproweb