Botulismus: Panikmache im Norden?

Effekthascherei oder seriöse Berichterstattung? In Schleswig-Holstein sorgen die Fälle von chronischem Botulismus für Gesprächsstoff. Angefacht wurde die Diskussion durch mehrere TV-Sendungen. Darin haben Milcherzeuger von der Infektion ihrer Herde berichtet.

Bereits im Oktober 2010 hatten mehrere ARD-Sender von einer neuen Krankheit berichtet, die Landwirte bedrohe. Mit kräftigen Phrasen (Heimsuchung biblischen Ausmaßes, Tiere sterben weg, Herden werden vernichtet, Höfe machen dicht). Angeblich zeigen laut den Sendern mehrere Bauern aus Norddeutschland, die über einen längeren Zeitraum Kontakt zu Rindern mit Botulismus hatten, selbst deutliche Anzeichen für eine chronische Erkrankung wie Krafteinbußen, Blasenfunktionsstörungen, Augentrockenheit sowie häufiger Durchfall oder Verstopfung. Die Behörden würden nichts gegen die Ausbreitung der Krankheit unternehmen, so der Vorwurf der TV-Journalisten.
Am 25. Juli 2011 hat nun der NDR in der Sendung Schleswig-Holstein Magazin" erneut das Thema aufgegriffen. In der Sendung berichtet ein Milcherzeuger von dem Drama, das sich in seinem Stall abgespielt hat. Auch hätten er und seine Familie sich mit dem Erreger infiziert.
Hier finden Sie den TV-Beitrag des NDR Botulismus: Wieder ist eine Kuh tot sowie einen TV-Beitrag des SWR (Report Mainz) Botulismus: Die verharmloste Krankheit.

"Völlig aus der Luft gegriffen"

Das Kieler Landwirtschaftsministerium hat indes klargestellt, dass in der Rinderhaltung in Schleswig-Holstein derzeit kein signifikantes Problem mit der Faktorenerkrankung „chronischer Botulismus“ bestehe. Aktuelle Berichte, in denen beschrieben wurde, dass in einigen Kreisen bereits 90 % der Rinderbestände mit chronischem Botulismus infiziert seien, entbehren aus Sicht des Ministeriums jeglicher Grundlage. Allerdings räumte laut dem NDR Ministeriumssprecher Christian Seyfert ein, dass es bislang 61 bekannte Fälle oder Verdachtsfälle gibt. Diese lägen aber zum Teil schon drei Jahre zurück.
Heftige Kritik an der Berichterstattung des NDR übte auch der Landesbauernverband in Rendsburg. Diese unseriösen Darstellungen taugten allein dazu, das Sommerloch zu füllen, heißt es in Rendsburg. In einer Pressemeldung (20. Juli 2011) zitiert der Bauernverband seinen Präsidenten Werner Schwarz mit den Worten: „Die Behauptungen, dass in einigen Kreisen Schleswig-Holsteins bereits 90 % der Rinderbestände erkrankt seien, sind völlig aus der Luft gegriffen und entbehren jeglicher sachlicher Grundlage. Auch Behauptungen, dass die Zahl der Krankheitsfälle aktuell deutlich ansteigt, sind falsch. Im Gegenteil hat sich die Zahl der Impfanträge im vergangenen und zeitanteilig auch in diesem Jahr halbiert. Vor diesem Hintergrund ist eine solche Berichterstattung verantwortungslos, reine Effekthascherei und ein Geschäft mit der Angst der Verbraucher."

Plötzlicher Sinneswandel beim Bauernverband?

Laut dem NDR scheint man inzwischen beim Bauernverband die Situation neu zu bewerten. Der Verband in Rendsburg habe mittlerweile der Einschätzung des Landwirtschaftsministeriums widersprochen, ist vom NDR zu hören. So zitiert der Sender den Verbands-Präsident Werner Schwarz mit den Worten, dass chronischer Botulismus nun doch ein Problem in den schleswig-holsteinischen Tierherden sei. Auf Nachfrage von Elite, wie diese plötzliche Kehrtwende zu verstehen sei, erklärt Stephan Gersteuer, Generalsekretär des Bauernverbandes, dass man das Erkrankungsgeschehen keinesfalls bagatellisieren wolle, die Berichterstattung des NDR aber als völlig überzogen empfinde. Seit zwei Jahren stehe man bereits mit der Landesregierung und den Veterinärämtern in intensivem Austausch. Eine Lösung des Problems sei aber noch nicht in Sicht, zumal immer noch der wissenschaftliche Nachweis fehle, dass Clostridium botulinum tatsächlich für die Symptome bei den erkrankten Menschen ursächlich war.

Impfstoff nur bei Ausnahmegenehmigung

In Südafrika liegen nach Aussage einiger Veterinäre gute Erfahrungen mit einem Impfstoff vor. Der Impfstoff ist in Deutschland aber nicht zugelassen, kann jedoch über eine Ausnahmegenehmigung nach § 17c Absatz 4 des Tierseuchengesetzes angewendet werden. Allerdings wird in Südafrika der Impfstoff oftmals prophylaktisch eingesetzt, um dem dort bei Rindern vorkommenden klassischen Botulismus, hervorgerufen durch Clostridium botulinum Typ C und Typ D, vorzubeugen. Der Impfstoff ist nach Informationen aus der Praxis im Allgemeinen gut verträglich. Er garantiert aber nicht automtisch eine Verbesserung der Bestandssituation. In den geimpften Beständen wurden oftmals auch weitere Maßnahmen, wie die Verbesserung von Haltungs- und Fütterungshygiene, veranlasst, so dass nicht eingeschätzt werden kann, ob die Verbesserung der Bestandssituation ausschließlich der Impfung zuzuschreiben war. Teilweise konnte keine Verbesserung der tiergesundheitlichen Situation in den betroffenen Beständen beobachtet werden, in einigen Fällen verschlechterte sich die Situation sogar.