Farm Walk

Automatisch melken mit Vollweide, das geht!

Im Rahmen eines Betriebsrundganges konnten sich an Weide und Melkrobotern interessierte Milcherzeuger vergangene Woche anschauen, wie Jörg Schwarting seine 130 Kühe trotz Vollweide am AMS am laufen hält.

Seit dem Herbst 2018 melkt die Familie Schwarting/Vos aus Stadland in Niedersachsen ihre 130 laktierenden Milchkühe mit einem automatischen Melksystem - drei GEA Monoboxen wurden im alten Melkstand eingebaut. Nichts Ungewöhnliches mehr in der heutigen Zeit. Eine Besonderheit ist allerdings, dass Jörg Schwarting trotz der Umstellung der Melktechnik an seinem Vollweidegang über das Sommerhalbjahr festhalten möchte. Im Betrieb bewirtschaften wir 92 Hektar und zwar ausschließlich Dauergrünland. 68 Hektar davon können wir mit den Kühen beweiden. In unserer Region bietet die Weidenutzung einfach einen Kostenvorteil, erklärt der Betriebsleiter seine Hintergründe für das Festhalten an der Vollweide. Also musste eben eine Lösung gefunden werden, mit der es funktioniert, dass die Kühe unter Vollweide laufen, aber trotzdem häufig genug von allein die Melkroboter aufsuchen". Schließlich haben sich Jörg Schwarting und seine Partnerin Patricia Vos sich aus arbeitswirtschaftlichen Gründen für ein automatisches Melksystem entschieden, aufgrund des Weideangebotes mehr Kühe nachtreiben zu müssen wäre daher für sie nicht akzeptabel.

Frisches Gras hält die Kühe am laufen

Gemeinsam mit ihrem Melktechniker suchten sie nach einer Lösung. Viel internationale Literatur zu Erfahrungen von Weidegang in Kombination mit automatischen Melksystemen wurde gewälzt. Am Ende entschieden sie sich für eine Drei-Wege-Selektion. Man hält die Kühe mit dem Angebot frischer Weide am Laufen. Wir haben uns hier für das sogenannte ABA-Modell entschieden, berichtete Jörg Schwarting.
Hier wird parallel immer mit zwei Weideflächen gearbeitet. Das bedeutet, dass die Kühe zu bestimmten Uhrzeiten und Melkanrechten nur in Richtung der Weiden A laufen können und nach wiederum bestimmter Zeit und Melkanrecht in Richtung der Weiden B. Dazwischen befindet sich die Station Stall mit den drei Melkrobotern. Die Selektion steuert das Wegenetz und die Kühe. Zur Selektion laufen müssen sie aber von alleine! Und was funktioniert da bei Kühen am besten als Lockmittel? Natürlich das sichere Wissen darüber, dass an bestimmter Stelle immer frisches, schmackhaftes Futter für sie bereitsteht. In Fall Vollweide ist das eben neu abgestecktes Gras. Zur dritten Melkung werden die Kühe über das frische Angebot der zugefütterten Silage am Trog gelockt (abends).
Seit Mitte April 2019 arbeiten die Kühe nun unter Vollweide am AMS und Jörg Schwarting hat sein Steuerungssystem gemeinsam mit dem Techniker bereits sehr gut ausfeilen können. Immerhin liegen die Melkungen aktuell im Mittel über alle Laktationsstadien im guten Zielbereich von 2,5 bis 2,7 Melkungen pro Kuh und Tag.
Worauf es bei der Einrichtung und Steuerung der Drei-Wege-Selektion zur Vollweide ankommt und weitere Tipps zur Organisation von Automatischen Melksystemen in Kombination mit Weide, lesen Sie im kommenden Heft von Elite (Elite 4/2019)!
Die Milchleistung der hauptsächlich rotbunten Holstein-Kühe beträgt aktuell im Schnitt 31 kg bei einer durchschnittlichen Kraftfuttergabe (16:4er) von 6 kg pro Kuh und Tag. Zusätzlich zu der Kraftfutterzuteilung am AMS (max. 2,5 kg pro Melkung), werden höher leistende Kühe zusätzlich über eine separate Kraftfutterstation versorgt. Wichtig ist Jörg Schwarting bei der Kraftfutterwahl ein hoher Anteil an Körnermais von 45 % zwecks eines ausreichenden Angebotes an beständiger Stärke. Als Grobfutter angeboten wird insgesamt nur ein aufgelöster Heulageballen und etwas Maissilage, keine TMR.

Das Weidemanagement

Es wird täglich immer nur frisches Gras von Jörg Schwarting dazu gesteckt, er zäunt nicht die abgegraste Fläche in einer Parzelle wieder ab. Den Zeitaufwand für das tägliche Portionieren auf zwei Flächen bewertet der Betriebsleiter als überschaubar. Das ist vergleichbar mit der Zeit, die wir früher für das Küheholen zum Melken zweimal am Tag benötigt haben". Er arbeitet dabei mit einem Quad.
Die Größen seiner einzelnen Parzellen hat er so ausgewählt, dass die Kühe maximal 2 bis 4 Tage auf einer Fläche verbleiben. Das hängt natürlich auch stark von den Niederschlägen ab. Beweidet werden die Parzellen etwa im Intervall von 14 Tagen, auch das ist aufwuchs- und damit witterungsabhängig. Das tägliche Zuteilen und Treffen der Entscheidung, ob die Weidereife einer Parzelle passt oder vielleicht schon überschritten ist (= Schnittnutzung für Wintervorrat), nimmt Jörg Schwarting bisher nach Auge vor. Er denkt aber darüber nach, hierzu in nächster Zeit mit einem Aufwuchsmesser zu arbeiten. Dies würde ihm auch einen genaueren Überblick darüber verschaffen, welche Trockenmasseaufnahmen die Kühe im Mittel exakt an Gras aufnehmen.
Die zwischenzeitliche Schnittnutzung der Flächen stellt auch sicher, dass immer ausreichend frischer, weidereifer Aufwuchs zur Verfügung steht.
Der Farm Walk wurde im Rahmen des EU-Projektes "Nefertiti" gemeinsam mit dem Grünlandzentrum Niedersachsen/Bremen organisiert.


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