Kommentar

Ohne Ausstiegsprämie wird's nichts!

Der Staat sollte überschuldeten Milchbauern Futterfläche und Kühe abkaufen. Nur so kann eine Neustrukturierung des Milchsektors gelingen. Ein Plädoyer für eine Ausstiegsprämie!

Die Lebensversicherung aufgelöst, die Altersvorsorge geplündert – viele Milcherzeuger Berufskollegen leben derzeit von der Substanz. Noch halten die meisten Kreditinstitute ihnen die Treue – aber wie lange noch? Zum Schwur dürfte es in den kommenden Wochen kommen. Denn spätestens im Hochsommer werden etliche Milchbauern, um liquide zu bleiben, weiteres Kapital bei den Banken nachfragen müssen. Viele Melker hoffen deshalb, dass der Staat jetzt endlich mal durchgreift, den Preisverfall stoppt in dem er den Einkäufern des Lebensmitteleinzelhandels die rote Karte zeigt und mit Hilfe staatlicher Markteingriffe (Mengenreduzierung) die Milchmärkte stabilisiert.
Bislang haben die Bundesregierung, die Molkereien und auch der Bauernverband solche Eingriffe immer vehement abgelehnt (zuletzt am 30. Mai beim Milchgipfel). Ihr Credo: Der Markt wird’s schon richten! Sicher, das wird er! Nur wird der Weg dorthin unwahrscheinlich brutal werden! Ein Großteil der Milcherzeuger wird das Ende der Preisschlacht nicht mehr erleben oder aber sich von den bis dato zugezogenen Verletzungen nicht mehr erholen! Wenn wir langfristig eine mehr oder weniger flächendeckende Milchproduktion in Deutschland erhalten wollen, dann führt jetzt an staatlichen Eingriffen kein Weg mehr vorbei!
Ja, ja, ja … ich weiß … die Milchbauern sind selbst Schuld an ihrer Misere, warum produzieren sie denn auch auf Teufel komm raus? Warum handeln sie nicht einfach ökonomisch und bremsen ihre Kühe aus? Ganz einfach, weil
  • sie aus unternehmerischer Sicht das einzig Richtige tun: Indem sie mehr Milch melken sorgen sie für mehr Umsatz und retten so das eigene Unternehmen vor dem Konkurs!
  • weil sie auf die Attacken ihrer niederländischen und irischen (und anderer europäischer) Berufskollegen reagieren müssen, die gerade versuchen, sie mit massiven Milchmengensteigerungen vom Milchmarkt zu drängen!

  • sie aus unternehmerischer Sicht das einzig Richtige tun: Indem sie mehr Milch melken sorgen sie für mehr Umsatz und retten so das eigene Unternehmen vor dem Konkurs!
  • weil sie auf die Attacken ihrer niederländischen und irischen (und anderer europäischer) Berufskollegen reagieren müssen, die gerade versuchen, sie mit massiven Milchmengensteigerungen vom Milchmarkt zu drängen!

Zalando erhält ja schließlich auch Geld vom Staat

Was wäre denn so schlimm an einem Eingreifen des Staates? Außergewöhnlich wäre dies zumindest nicht, denn schließlich greift der Staat tagtäglich massiv in das Wirtschaftsgeschehen ein. So gewährt der deutsche Staat ganz grpßzügig Unternehmen Subventionen und Steuervergünstigungen in einem Gesamtumfang von jährlich fast 40 Milliarden Euro. Erhebliche Summen fließen nach wie vor u.a. in die Abwicklung des Steinkohlebergbaus und die Stahlindustrie. Aber auch kleine Branchen wie die Filmproduktion werden in Deutschland subventioniert. Selbst der (nicht an Kapitalmangel leidende) Online-Versand Zalando bekam Subventionen der Bundesländer Berlin, Brandenburg und Thüringen im Gesamtumfang von 35 Millionen Euro bewilligt (FAZ, 25. August 2014, S. 22). Warum dann nicht auch die Milchbranche unterstützen? In jedem Falle muss sichergestellt sein, dass solche Zuwendungen zu nachhaltigen (Beschäftigungs)Effekten in den Regionen führen. Denn nur dann lässt sich eine solche finanzielle Unterstützung als „systemrelevant“ deklarieren bzw. rechtfertigen!

Ausstiegsprämie ermöglicht sanften Strukturwandel

Der Markt muss bereinigt werden – und zwar schnell! Warum nicht notleidenden, überschuldeten Milchbauern Futterfläche und Kühe abkaufen? So könnte der Teufelskreis aus Investitionen, höherer Produktion und sinkenden Preisen vielerorts durchbrochen werden. Genau genommen handelt es sich bei diesem Modell um nichts anderes als um eine aktive Milch-Sterbehilfe für Milcherzeuger: Die Futterflächen der Aufgabebetriebe würden zunächst eingezogen, die Milchkühe und Rinder geschlachtet. Die so aufgenommen Futterflächen könnten sukzessive wieder insbesondere an junge Unternehmer (sogenannten Startup’s) oder an innovative Milcherzeuger ausgegeben (verkauft) werden, die ein schlüssiges, nachhaltiges Unternehmenskonzept vorlegen können. Flankierend sollten gesunde Unternehmen mit staatlichen Bürgschaften und Krediten ausgestattet werden, damit sie die Milchkrise überstehen.
Im Gegensatz zur Festschreibung von Mindestverkaufspreisen für Milchprodukte oder anderer planwirtschaftlicher Ansätze, würde im Fall der Aufkaufstrategie der Staat ja nicht nachhaltig ins Marktgeschehen eingreifen. Milchkuhbetrieben, die aus welchen Gründen auch immer, nicht überlebensfähig sind, die ohnehin nur durch Subventionen gerade so am Leben gehalten werden, könnte so ein sanfter Ausstieg aus der Milchproduktion ermöglicht werden. Das Kapital aus den Erlösen wäre für die Aussteiger quasi eine Starthilfe für den Beginn eines neues Lebens (nach der Milch). Strukturbrüche im ländlichen Raum würden so weitgehend abgefedert.
Welche Alternativen gibt’s?
  • Subventionen nach dem Gießkannenprinzip: Fatal! Denn wenn sich Milcherzeuger darauf verlassen können, dass ihnen der Staat in jeder Krise zur Seite springt, agieren sie ganz anders. Sie riskieren mehr, denn sie wissen ja: Geht es schief, werden sie gerettet. Defizitäre Strukturen würden so zementiert, Milliarden an Steuergeldern würden versickern und der Strukturwandel letztlich doch nicht aufgehalten (siehe das Milchquotensystem in Kanada!).
  • Eine zeitlich befristete Stilllegungsprämie für Milch? Ebenfalls nicht zielführend, denn das ist nichts anderes als die Wiedereinführung der Planwirtschaft durch die Hintertür. Vielfach würde durch freiwillige Verzichtsprämien (30 Cent pro Liter Milch sind im Gespräch) der Bankrott vieler Milchkuhbetriebe nur über Jahre gestreckt, die Milchmenge nach sechs Monaten wieder auf das alte Niveau ansteigen!

  • Subventionen nach dem Gießkannenprinzip: Fatal! Denn wenn sich Milcherzeuger darauf verlassen können, dass ihnen der Staat in jeder Krise zur Seite springt, agieren sie ganz anders. Sie riskieren mehr, denn sie wissen ja: Geht es schief, werden sie gerettet. Defizitäre Strukturen würden so zementiert, Milliarden an Steuergeldern würden versickern und der Strukturwandel letztlich doch nicht aufgehalten (siehe das Milchquotensystem in Kanada!).
  • Eine zeitlich befristete Stilllegungsprämie für Milch? Ebenfalls nicht zielführend, denn das ist nichts anderes als die Wiedereinführung der Planwirtschaft durch die Hintertür. Vielfach würde durch freiwillige Verzichtsprämien (30 Cent pro Liter Milch sind im Gespräch) der Bankrott vieler Milchkuhbetriebe nur über Jahre gestreckt, die Milchmenge nach sechs Monaten wieder auf das alte Niveau ansteigen!

Innovativen Unternehmern eine Chance geben …

Als Elite-Leser wissen Sie, dass ich bislang immer dafür plädiert habe, dass der Staat die Finger vom Milchmarkt lässt. Dieser Überzeugung bin ich im Grundsatz auch heute noch, denn Protektionismus ist im Zeitalter von Freihandelsabkommen nicht durchzuhalten. Doch in der aktuell verfahrenen Lage braucht es nun ausnahmweise mal (befristet) die ordnende Hand des Staates. Staatliches Eingreifen bedeutet in diesem Fall ganz einfach: Zeit kaufen! Zeit benötigen wir derzeit dringend, um die Milchbranche neu aufzustellen, die notwendigen Umstrukturierungen zu bewältigen. Denn machen wir uns nichts vor, viele der rund 73.000 Milchkuhbetriebe in Deutschland sind offenkundig nicht überlebensfähig. Das liegt nicht unbedingt an der Herdengröße, sondern zumeist am Unternehmer. Nicht jeder, der in einen Kuhstall „hineingeboren“ wird, ist per Geburt oder Abstammung automatisch auch ein guter Unternehmer! Das ist in der Milchbranche auch nicht anders als in anderen Wirtschaftszweigen. Wichtig ist jetzt, dass diejenigen Milcherzeuger unterstützt und gefördert werden, die voraussichtlich am liberalisierten Milchmarkt werden bestehen können und gleichzeitig allen anderen ein sanfter Ausstieg ermöglicht wird. Nur so lassen sich mittelfristig soziale Eruptionen im ländlichen Raum vermeiden!
Gregor Veauthier
Chefredakteur