MIV-Milchgipfel in Brüssel

Agrarpolitik nach 2020, was erwartet die Milch?

Der Milchgipfel in Brüssel, zu dem diese Woche der Freistaat Sachsen und der Milchindustrie-Verband nach Brüssel eingeladen haben, stand unter dem Motto: Agrarpolitik nach 2020, was erwartet die Milch? Der Diskussion stellte sich u.a. auch EU-Agrarkommissar Phil Hogan.

Grund zur Freude, aber kein Grund zur Zufriedenheit!

Die aktuell „guten“ Milchpreisen zur Entspannung haben auf vielen Milchkuhbetrieben beigetragen, so der sächsische Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt in seiner Begrüßung. Doch die aktuell „guten“ Preise dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirtschaftliche Situation in vielen Milch produzierenden Unternehmen noch immer angespannt sei. „Die aktuellen Milchpreise sind ein Grund zur Freude, aber kein Grund zur Zufriedenheit.“ Wichtig für die Milcherzeuger (wichtiger als stabile Milchpreise) seien in Zeiten volatiler Märkte eine langfristige Planungssicherheit. „Wir müssen wissen, was uns nach dem Jahr 2020 erwartet!“
Dass es einfache Lösungen zur Vermeidung von Preistälern auf den Milchmärkten nicht gibt, weiß auch Schmidt. Der Agrarminister plädierte denn auch mehrfach vehement für die Einführung von Milchlieferverträgen. Schmidt’s Kritik richtete sich vor allem an die genossenschaftlich organisierten Molkereien. Ihre Zusage, unabhängig von der Marktsituation immer die gesamte erzeugte Milch abzunehmen (Abnahmeverpflichtung), wiederspreche den Regeln freier Märkte. Zudem wüssten die Milcherzeuger zum Verkaufszeitpunkt nicht, welcher Preis ihnen hinterher gezahlt wird. „Das gibt es nur in der Milchbranche.“ Abhilfe schaffen könnte hier die Bündelung und die gemeinsame Vermarktung der Milch über Milcherzeugergemeinschaften, so der Minister. Leider nehme aktuell mit den steigenden Milchpreisen die Bereitschaft zur gemeinsamen Milchvermarktung ab, monierte Schmidt. Er forderte die Milcherzeuger auf, langfristiger zu denken und sich hier zu engagieren.

Brexit kann zum Problem werden!

Als zweiter Redner verwies Eckhard Heuser, Hauptgeschäftsführer des Milchindustrieverbands (MIV), auf den bevorstehenden Brexit. Dieser dürfte sich unter dem Strich schmerzlich bemerkbar machen, denn das Vereinigten Königreich (UK) ist mit 11,5 Mrd. Euro nach Deutschland der größte Netto-Einzahler in die EU. Allein dem Agrarhaushalt werden nach 2020 deshalb rund 6 Mrd. Euro fehlen. Sofern es jedoch gelingt, auch nach dem Brexit einen Freihandel mit dem Vereinigten Königreich zu organisieren, dürfte die Milchbranche noch glimpflich davonkommen, erklärte Heuser. Gelingt dies nicht, dann könnte der Brexit die europäischen Milchverarbeiter spürbar treffen.
Äußerst kritisch setzte sich Heuser auch mit dem mit Neuseeland geplanten Freihandelsabkommen auseinander. „Die Folgen für die europäische Milchbranche wären fatal“, warnte der Hauptgeschäftsführer. „Ein Freihandel mit Neuseeland kennt nur einen Gewinner und einen Verlierer, letzterer würde die europäische Milchbranche sein.“ Bei den WTO-verhandlungen habe die Milchwirtschaft immer einen besonderen Schutz genossen, dies dürfe jetzt nicht aufgeweicht werden (Anmerkung: Ein Vertreter von Arla Foods wiedersprach Heuser in diesem Punkt vehement. Man sei durchaus international wettbewerbsfähig und auch in der Lage, den neuseeländischen Molkereien Paroli zu bieten).
Zudem forderte Heuser mehr Verlässlichkeit seitens der Politik. „Wir brauchen Planungssicherheit für die Milchfarmer und ihre Molkereien und keine Nachtverhandlungen mit Ergebnissen morgens um Fünf!“ Es sei zu befürchten, dass die in vielen EU-Ländern anstehenden Wahlen etliche Überraschungen mit sich bringen werden, deshalb sei die angesprochene Planungssicherheit seitens der EU umso wichtiger.

Neue Lieferverträge müssen her

Peter Jahr, EU Parlamentarier (MdEP) verwies darauf dass seit der MacSharry-Reform von 1992, die zum Ziel hatte, weniger Geld in den EU-Agrarhaushalt zu pumpen, 15 Mrd. Euro eingespart wurden. Jeder EU-Bürger zahlt umgerechnet mittlerweile nur noch 25 Cent in den Agrarhaushalt ein und nicht mehr 33 Cent wie noch in 1992. Peter Jahr rechnete vor, dass jeder Cent Milchpreiserhöhung, der durch staatliche Hilfen erreicht werde, die EU 1,65 Mrd. Euro kosten würde. Trotz der hohen Summe würden sich die Milchfarmer jedoch beklagen, dass bei ihnen nichts ankäme. Deshalb müsse über eine intelligentere Verwendung der Finanzmittel nachgedacht werden.
Die Instrumente aus der Milchquotenzeit, wie z.B. die Intervention lehnt Jahr als Lösungsvorschläge, zur Abfederung bzw. zur Verhinderung künftiger Milchkrisen ab. Nötig seien vielmehr Milchlieferverträge, die Liefermenge und Preis enthalten sowie die Bündelung der Milch in Milcherzeugergemeinschaften. So könne letztlich ein jeder Farmer seine Milch an mehrere Unternehmen vermarkten. Sollte sich die EU entscheiden, die Intervention beizubehalten, dann sollte diese zumindest nicht langfristig angekündigt sondern über Nacht gestartet werden. So könne sich der Markt nicht drauf einstellen.

Agrarkommissar fühlt sich von Milchfarmern im Stich gelassen!

Hogan

EU-Agrarkommissar Phil Hogan unterrichtete, mit welcher Milchmarktpolitik auf Sicht zu rechnen ist. (Bildquelle: Elite Magazin)

 Agrarkommissar Phil Hogan, der selbst in Irland auf einer Milchfarm aufgewachsen ist, zeigte sich verwundert, dass trotz allen Wissens um die Spielregeln der freien Märkte und trotz Milchkrise in 2016 die erzeugte Rohstoffmenge um rund 0,7 Prozent zugenommen hat. Der EU-Kommissar beklagte, dass ihn die Milcherzeuger im Stich gelassen hätten. Während er bei seinen Kollegen Geld zur Finanzierung zur Verringerung der Milchmenge „erbettelt“ habe, hätten die Milcherzeuger gleichzeitig die Produktion erhöht. „Zum Glück ging es im letzten Jahr in anderen Erzeugerregionen deutlich nach unten, sonst hätten wir jetzt ein Problem“, sparte der Kommissar nicht mit Kritik an dem Verhalten der Milchfarmer. In diesem Zusammenhang wies er ausdrücklich auf die Situation in Deutschland, den Niederlanden und in Polen hin, wo seit dem Quotenende rund 90 Prozent der Mehrmilch erzeugt wurde. Zudem seien die aktuell guten Milchpreise u.a. auch dem Euro: Dollar-Wechselkurs geschuldet. Ein starker Dollar erleichtert der EU den Export von Milchprodukten.
Enttäuscht hat der EU-Kommissar all diejenigen, die hofften, dass die EU auch in Zukunft mit staatlichen Markteingriffen die Milcherzeuger nennenswert unterstützen wird. Nach dem Brexit wird weniger Geld zur Finanzierung derartiger Maßnahmen zur Verfügung stehen, deshalb müsse die Milchbranche (die Agrarwirtschaft insgesamt) endlich lernen, die Marktsignale zu lesen. Langfristig (nach 2020) seien besonders die Molkereien gefordert, die Milchmenge den Vermarktungsmöglichkeiten anzupassen. Insbesondere seien hier die Genossenschaften gefordert, ihre Milcherzeuger zu schützen (Stichwort Abnahmeverpflichtung).
Auf den Freihandel angesprochen, u.a. mit Neuseeland, erklärte der Agrarkommissar, dass Protektionismus keine Zukunft habe. Auch, weil die europäischen Milchverarbeiter weiterhin auf den Export angewiesen seien. Der Export hochwertiger, veredelter Milchprodukte erhalte schließlich Arbeitsplätze im ländlichen Raum.
Die EU-Kommission wird sich laut Hogan in den kommenden Jahren (nach 2020) auf die folgenden Arbeitsschwerpunkte (Milch) konzentrieren:
  • Die Abfederung von Marktschwankungen (durch Marktinformationssysteme)
  • Die Förderung von Jungunternehmern
  • Förderung des Umweltschutzes (Anreize zur Verbesserung der Wasserqualität und des Klimas)
  • Bildung einer TaskForce.

  • Die Abfederung von Marktschwankungen (durch Marktinformationssysteme)
  • Die Förderung von Jungunternehmern
  • Förderung des Umweltschutzes (Anreize zur Verbesserung der Wasserqualität und des Klimas)
  • Bildung einer TaskForce.

Klar heraus stellte Hogan aber auch, dass die EU nach dem Jahr 2020 über weniger Geld verfügen werde, das sie im Milchsektor wird einsetzen können. Zwischen den Zeilen ließ er auch durchblicken, dass es keine weiteren „Hilfspakete Milch“ mehr geben wird (die 1,6 Mrd. Euro, die das letzte Paket gekostet hat, müssen erst wieder reinkommen!).
Sicher scheint auch zu sein, dass die EU-Kommission, den Regionen mehr Handlungsspielraum zugestehen möchte. Die Produktionsbedingungen in den EU-Staaten und nochmehr in den Regionen variieren doch erheblich, da ist es schwer, alle zufriedenzustellen. Doch bevor er sich zu konkret zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik äußern wird, erwartet Hogan jetzt aber zunächst Vorschläge aus den EU-Mitgliedsstaaten, Zudem forderte er alle Beteiligten der Milchbranche auf, sich in die Diskussion einzubringen.
Podium

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion. Fotos: Veauthier (Bildquelle: Elite Magazin)

Bei der sich anschließenden Podiumsdiskussion verteidigte der Direktor bei der EU-Kommission, Dr. Jens Schaps, die Politik der Behörde und versprach einen verantwortungsvollen Umgang mit den vorhandenen Interventionsbeständen („wir werden nicht um jeden Preis verkaufen“!).
Der neue Leiter des Brüsseler DBV-Büros, Dr. Simon Schlüter, erläuterte dass auch innerhalb des Berufstandes die Überlegungen zur Reform der künftigen Agrarpolitik noch nicht abgeschlossen sind. Wünschenswert wäre mehr Diskussionen zwischen Milcherzeugern und Molkereien, z.B. im Rahmen einer Branchenorganisation. Allerdings wolle man hier keine Mengendiskussion.
Sicher ist sich der DBV-Vertreter jedoch, dass eine sehr starke erste Säule bei den EU-Zuwendungen die Milcherzeuger in Zukunft stärken muss. Auch an der Intervention will der DBV festhalten, die Interventionskäufe seien ein wichtiges Mittel, um Preiseinbrüche auf dem Milchmarkt abzufedern, so Schlüter. Teilweisen Widerspruch erhielt er hier vom Hauptgeschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes (MIV), Eckhard Heuser, sowie Dr. Jens Schaps von der Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission.

Was bleibt?

Sicher scheint zu sein, dass die EU keine neuen Pfeile im Köcher hat, die Milchmärkte noch mehr als bisher schon von der Leine gelassen werden, da
  • durch den Brexit der EU finanzielle Engpässe entstehen werden,
  • die Nettozahler der EU nicht mehr Geld für die Landwirtschaft bereit stellen werden
  • die Unterschiede zwischen den Regionen sehr groß sind, so dass es immer schwieriger werden dürfte, im Krisenfall Hilfsmaßnahmen durchzusetzen,
  • man in Brüssel der Ansicht ist, dass Milcherzeuger und ihre Molkereien sich über die vermarktbare Milchmenge in bilateralen Verhandlungen einigen sollten.

  • durch den Brexit der EU finanzielle Engpässe entstehen werden,
  • die Nettozahler der EU nicht mehr Geld für die Landwirtschaft bereit stellen werden
  • die Unterschiede zwischen den Regionen sehr groß sind, so dass es immer schwieriger werden dürfte, im Krisenfall Hilfsmaßnahmen durchzusetzen,
  • man in Brüssel der Ansicht ist, dass Milcherzeuger und ihre Molkereien sich über die vermarktbare Milchmenge in bilateralen Verhandlungen einigen sollten.

Autor: Gregor Veauthier (Elite)