Transgene Kühe produzieren Grippe-Medikament

Von außen sehen die neu errichteten Kuhställe aus, wie so viele moderne Milchfarmen in den USA. Allerdings werden hier keine Kühe zur Milchproduktion gehalten, die Kühe produzieren Antikörper, mit deren Hilfe sich Krankheiten beim Menschen behandeln lassen können.

Die schwarz weiß gefleckten Kühe auf der Farm gehören dem Biotech-Unternehmen SAB Biotherapeutics mit Sitz in Sioux Falls. Forscher haben die Tiere gentechnisch „verändert“, damit diese humane Antikörper produzieren. Das sind Proteine, die Krankheitserreger bekämpfen. Mit diesen Antikörpern sollen sich Infektionskrankheiten wie Ebola, Influenza und Zika behandeln lassen.
Der neueste Fokus des Unternehmens ist die Behandlung der Grippe, die immer noch Menschen ins Krankenhaus zwingt. Denn manche Menschen reagieren nicht auf Grippeschutzimpfungen, ein Influenza-Therapeutikum von SAB Biotherapeutics könnte ihnen anscheinend helfen. Das Unternehmen arbeitet an den ersten klinischen Studien zur Influenza. Wenn das Medikament zugelassen wird, stehen die Rinder und Kühe von SAB Biotherapeutics bereit zur „Produktion“. Die neue Anlage (Farm) könnte genug des Antikörpers herstellen, um die weltweite Nachfrage zu decken.
Gerade abgeschlossen hat das Biotech-Unternehmen nach eigenen Angaben seine erste Studie an Menschen zur Behandlung von MERS oder dem Nahost-Respirationssyndrom. Die Ergebnisse zeigten, dass die von Kühen hergestellten Antikörper genau wie menschliche Antikörper zur Behandlung der Krankheit funktionierten.

Geklonte Kühe mit menschlicher DNA

Bei den geklonten Rindern bzw. Kühen wurden deren Rinderantikörper-Gene ausgeschaltet und durch die menschliche Version dieser Gene ersetzt, so dass die Kühe vollständig menschliche Antikörper herstellen können. Um die Antikörper zu erzeugen, wird den Kühen ein Virus injiziert, zum Beispiel Ebola, das eine Immunantwort erzeugt. Nachdem die Kühe genug Antikörper gegen diese Krankheit produziert haben, wird ihr Plasma dreimal pro Monat extrahiert und in einem Labor sterilisiert. Anschließend lassen sich die Antikörper bei Menschen verwenden.

Warum werden gerade Rinder und Kühe genutzt? Laut SAB Biotherapeutics ist die Technologie, die erforderlich ist, um humane Antikörpergene in die endogenen Antikörpergene einzuführen und zu inaktivieren, bei Rindern weiter fortgeschritten als bei jeder anderen Spezies. Hinzu kommt, dass Rinder große Mengen an Antikörpern produzieren. Ausgewachsene Rinder haben etwas mehr als 1,1 kg Antikörper in ihrem Blut. Und Rinder sind einfach verfügbar. Auch ist weitgehend erforscht, wie der Rinderorganismus sich bei Krankheiten verhält bzw. diese bekämpft.

Transgene Rinder sind vielversprechend           

Transgene Rinder sind vielversprechend, weil sie auf lange Sicht die Herstellung von Arzneimitteln verbilligen könnten. Einmal „geschaffen“, können die Tiere grundsätzlich zu niedrigen Kosten Medikamente „herstellen“. Deshalb investiert SAB Biotherapeutics auch gerade in die neue Farm. In den kommenden Tagen sollen zunächst die 35 Kühe, die noch in im benachbarten Bundesstaat Iowa in einer Einrichtung von TransOvaGenetics leben, umziehen. Diesen Kühe wurden am Tag nach der Grundsteinlegung der Farm Embryonen implantiert, um die nächste Generation von Antikörper-produzierenden Rindern herzustellen.
Die neue Biotech-Rinderfarm in South Dakota

Der erste bio-sichere Stall kann bis zu 80 Kühe aufnehmen. Bei voller Kapazität könnte das 80 Hektar große Gelände 400 Kühen Platz bieten. (Bildquelle: Elite Magazin)

Zukunftstechnologie Gene Pharming?
Die Wortschöpfung Gene Pharming" verknüpft den Begriff der Pharmazie mit dem englischen Wort Farming": Mithilfe von genetisch veränderten Nutztieren (oder auch Pflanzen) will man die Herstellung von pharmazeutischen Produkten vereinfachen – indem die Tiere (oder Pflanzen) ganz nebenbei jene Wirkstoffe produzieren, die mit industriellen Verfahren nur mühsam oder sehr kostspielig herzustellen sind. Dabei setzen die Forscher gerne Rinder und Kühe.
Der Einsatz von Tieren zur Gewinnung von Arzneimitteln ist nichts Neues. Bis in die 1940er Jahre gewann man Kortison aus den Nebennieren von Rindern. Der Gerinnungshemmer Heparin stammt bis heute aus Schweinedarm oder Rinderlunge. Insulin, das für Diabetiker lebenswichtig ist, wurde aus der Bauchspeicheldrüse von Rindern und Schweinen gewonnen. Doch 1982 gelang es, eine verbesserte Variante in genveränderten Escherichia-coli-Bakterien heranzuzüchten. Inzwischen ist diese Methode der Standard in der Insulin-Herstellung.