World Buiatrics Congress 2012

Neue Kühe braucht das Land!?

Rund 2.000 Tierärzte und Wissenschaftler veterinärmedizinischer Fakultäten (darunter 200 aus Deutschland) haben sich diese Woche in Lissabon auf dem 27. World Buiatric Congress zusammengefunden, um sich über aktuelle Gesundheitsprobleme der Wiederkäuer auszutauschen. Dabei wurden auch ungewöhnliche Lösungen diskutiert, wie die Herdengesundheit optimiert werden kann.

Mastitis, Fruchtbarkeits- und Klauenerkrankungen, die Probleme sind immer die gleichen  – obwohl weltweit seit Jahren etliche Wissenschaftler intensiv an deren Ursachen und Therapiemöglichkeiten forschen. Über 1.000 Einsendungen zur Präsentation hat das Organisationskomitee erhalten, ein untrügliches Indiz, dass in Punkto Tiergesundheit noch einiges im Argen liegt. Eine Gebrauchsanweisung, wie man die modernen Hochleistungskühe in die Lage versetzen kann, über Jahre hinweg viel Milch zu produzieren und gleichzeitig noch jedes Jahr ein Kalb zu gebären, ist anschienend noch nicht gefunden.

Mastitis-Impfstoff ist das Thema 2012

Startvac2

(Bildquelle: Elite Magazin)

Es drängt sich der Verdacht auf, als würde mit der Einführung neuer Analysemethoden (z.B. DNA-Identifikation mittels Real-time PCR-Verfahren) auch die Anzahl der Erreger bzw. Krankheiten zunehmen. Da verwundert es kaum, dass sich die Mehrzahl der vorgestellten Studien denn auch mit der Beschreibung klinischer Symptome bzw. mit Fragen beschäftigte, wie sich die negativen Auswirkungen „produktionsbedingter“ Gesundheitsstörungen mithilfe von Medikamenten abschwächen lassen. Ein ganz großes Thema war z.B. der Einsatz des neuen Mastitis-Impfstoffes Startvac (siehe auch Elite 3/2012, Seite 48). Gleich mehrere Dutzend Forschungsgruppen haben sich dieser Thematik auseinandergesetzt (die Wirksamkeit der Vakzine scheint gegeben – zumindest S.aureus-Infektionen betreffend).

Die Kuh passt nicht ins System!

Schuldig geblieben sind die Veterinäre auch auf diesem Kongress die Frage, wieso trotz jahrelanger intensiver Forschung und dem Einsatz immer neuer Technologien, die Gesundheitsprobleme bei Milchkühen nicht ab, sondern eher noch zunehmen? Wieso steigen die Zellzahlen in der Milch kontinuierlich an und warum sinken die Fruchtbarkeitskennzahlen? Wieso erkranken regelmäßig im Durchschnitt bis zu 30 % der Frischkalber an subklinischer Ketose, wieso findet sich bei rund der Hälfte aller Kühe mindestens ein Defekt an den Gliedmaßen (in der Schweiz ebenso wie in den Niederlanden oder in den USA)? Schließlich wurden in den letzten Jahren in vielen Betrieben die Fütterungskonzepte und Haltungsbedingungen doch deutlich verbessert.
Auf einer Round-Table-Diskussionsrunde wurde versucht, Antwort auf die offenen Fragen zu artikulieren: Die Kuh selbst scheint das Problem zu sein! Sie passt nicht zur Umwelt bzw. zum System! Drei Argumente, welche die ungewöhnlichen Thesen einiger Wissenschaftler untermauern:
  1. Neuere wissenschaftliche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Kalbung das zentrale Problem der Milchkuh zu sein scheint. Die Geburt bzw. die damit verbundenen Prozesse lösen größere Entzündungsprozesse im Körper der Milchkuh aus. In der Folge geht das Immunsystem der Tiere dadurch „in die Knie“, andere Erreger/Erkrankungen haben so leichtes Spiel. Reproduktionsexperten vermuten,  dass z.B. der typische Gebärmutter-Ausfluss nicht zwangsweise die Folge einer bakteriellen Infektion im Uterus ist, sondern vielmehr das Ergebnis einer durch eine Entzündung hervorgerufene Abwehrreaktion des Organismus, eine Ansammlung von Abwehrzellen (eine Behandlung mit Antibiotika wie z.B. das Einlegen von „Stäbchen“ bringt deshalb in einer solchen Situation auch keinen Nutzen, im Gegenteil, es kostet denn nur unnötig Geld).
  2. Färsen, die bereits in der ersten Laktation lahmen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Folgelaktationen durch den Stall „humpeln“. Einmal lahm, immer lahm!
  3. Immer häufiger machen Erreger im Euter Probleme, die schon seit eh und je in der unmittelbaren Umwelt der Kühe gelebt haben. Nur mutieren diese Keime im Tier anscheinend im öfter. Laut US-amerikanischen Studien, lohnt sich in vielen Fällen eine bakteriologische Untersuchung der Milch und die nachfolgende Behandlung mit Antibiotika deshalb auch gar nicht mehr. Noch schlimmer: Es ist davon auszugehen, dass die Erreger lernfähig sind. Beim nächsten Ereignis (z.B. der nächsten Abkalbung) fällt es ihnen noch leichter, die Abwehrmechanismen im Euter zu überlisten. Auch scheinen viele Milchkühe nicht robotertauglich zu sein. Nach übereinstimmenden Aussagen vieler Veterinäre schaukeln sich die Zellzahlen nach der Inbetriebnahme eines AMS langsam aber sicher in die Höhe – zumindest in voll ausgelasteten Anlagen.

  1. Neuere wissenschaftliche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Kalbung das zentrale Problem der Milchkuh zu sein scheint. Die Geburt bzw. die damit verbundenen Prozesse lösen größere Entzündungsprozesse im Körper der Milchkuh aus. In der Folge geht das Immunsystem der Tiere dadurch „in die Knie“, andere Erreger/Erkrankungen haben so leichtes Spiel. Reproduktionsexperten vermuten,  dass z.B. der typische Gebärmutter-Ausfluss nicht zwangsweise die Folge einer bakteriellen Infektion im Uterus ist, sondern vielmehr das Ergebnis einer durch eine Entzündung hervorgerufene Abwehrreaktion des Organismus, eine Ansammlung von Abwehrzellen (eine Behandlung mit Antibiotika wie z.B. das Einlegen von „Stäbchen“ bringt deshalb in einer solchen Situation auch keinen Nutzen, im Gegenteil, es kostet denn nur unnötig Geld).
  2. Färsen, die bereits in der ersten Laktation lahmen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit auch in den Folgelaktationen durch den Stall „humpeln“. Einmal lahm, immer lahm!
  3. Immer häufiger machen Erreger im Euter Probleme, die schon seit eh und je in der unmittelbaren Umwelt der Kühe gelebt haben. Nur mutieren diese Keime im Tier anscheinend im öfter. Laut US-amerikanischen Studien, lohnt sich in vielen Fällen eine bakteriologische Untersuchung der Milch und die nachfolgende Behandlung mit Antibiotika deshalb auch gar nicht mehr. Noch schlimmer: Es ist davon auszugehen, dass die Erreger lernfähig sind. Beim nächsten Ereignis (z.B. der nächsten Abkalbung) fällt es ihnen noch leichter, die Abwehrmechanismen im Euter zu überlisten. Auch scheinen viele Milchkühe nicht robotertauglich zu sein. Nach übereinstimmenden Aussagen vieler Veterinäre schaukeln sich die Zellzahlen nach der Inbetriebnahme eines AMS langsam aber sicher in die Höhe – zumindest in voll ausgelasteten Anlagen.

 „Survival of the fitest“?

Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Praxis ableiten? Theoretisch gibt es zwei Handlungsalternativen:
  1. Die Kühe einfach sich selbst überlassen, getreu dem Motto „Survival of the fitest“ (natürliche Auslese)!
  2. Neue, systemkonforme Kühe züchten, die in der Lage sind, in der Laktationsspitze enorme Mengen an Futter aufzunehmen, über robuste Gliedmaßen (Klauen) verfügen und sich hormonell nicht so schnell aus der Bahn werfen lassen (gute Fruchtbarkeit).

  1. Die Kühe einfach sich selbst überlassen, getreu dem Motto „Survival of the fitest“ (natürliche Auslese)!
  2. Neue, systemkonforme Kühe züchten, die in der Lage sind, in der Laktationsspitze enorme Mengen an Futter aufzunehmen, über robuste Gliedmaßen (Klauen) verfügen und sich hormonell nicht so schnell aus der Bahn werfen lassen (gute Fruchtbarkeit).

Erstgenannte Variante scheidet sowohl aus ethischen als auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Bleibt also nur die Zucht systemkonformer Kühe! Bis diese Kühe in den Ställen stehen, werden aber trotz Einsatz gesexten Spermas und genomischer Zuchtwerte, noch etliche Jahre ins Land ziehen. Langfristig ist dies sicherlich der richtige Weg, doch keine kurzfristige Problemlösung.

Tier-Mensch-Interaktion nicht unterschätzen

Vergessen wird bei der ganzen Diskussion um die Tiergesundheit bzw. um das ungenügende Adaptionsvermögen der modernen Milchkuh an ihre Umwelt jedoch gerne ein wichtiger (der wichtigste?) Einflussfaktor: Der Herdenmanger! Wer den Kühen die Schuld gibt, verdrängt wird bei der Diskussion um hohe Erkrankungsraten bzw. um eine zu kurze Nutzungsdauer, dass die genannten Phänomene nicht zwangsläufig mit hohen Milchleistungen einhergen müssen. Dies ist nur dann der Fall, wenn Haltungsbedingungen, Fütterung und Tierbetreuung Unzulänglichkeiten aufweisen. Gelingt es, die größten Stressquellen im Stall zu minimieren oder im besten Fall sogar auszuschalten („den Kühen das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten“), dann sind durchaus auch in größeren Herden Milchleistungen von über 10.000 kg pro Kuh bei einer guten Herdengesundheit möglich. Dazu brauchen wir nun wirklich keine anderen (neuen) Kühe!
Ausführliche Informationen vom Buiatrik-Kongress 2012 (Forschungsergebnisse) finden Sie in Elite 4/2012.