Milchpreisempfehlung – aber keiner hält sich daran

In Spanien hält sich die Mehrheit der Verarbeitungsbetriebe nicht an die interprofessionelle Vereinbarung. In Frankreich wollen die Molkereien wieder aus dem Abkommen aussteigen, Landwirtschaftsminister Le Maire will nicht eingreifen.

In Spanien wird die im Juli 2009 erstmals nach französischem Muster unterzeichnete Milchpreisempfehlung von 31 Cent/l den heimischen Molkereien ganz offensichtlich unterlaufen. Die Generaldirektion Ackerbau und Tierhaltung räumte ein, dass bislang lediglich rund 15 % der spanischen Milchquote oder etwas mehr als 550.000 t Milch betroffen seien. Insgesamt seien nur 1.383 Verträge unterzeichnet worden. Ein leitender Ministerialbeamte bestätigte zugleich, dass sowohl die privaten als auch die genossenschaftlichen Molkereien den Abschluss neuer Lieferverträge bewusst komplizieren.

Agrarverbände unzufrieden

Der landwirtschaftliche Spitzenverband ASAJA hat bereits mit einem Boykott der Milchpreisempfehlung gedroht, wenn der empfohlene Mindestauszahlungspreis bis Ende 2009 weiterhin von den meisten Molkereien ignoriert werde. Auch der Kleinbauernverband (UPA) kritisiert die „Sabotageversuche“ der Milchverarbeiter und drohte seinerseits mit „einer gezielten Kampagne gegen Abweichler“. Es sei nicht mehr länger zumutbar, dass die Milchverarbeiter einseitig die Vereinbarung boykottierten.
Im Juli haben einige in der Milchinterprofession Inlac zusammen geschlossene berufsständige Organisationen und der Milchindustrieverband ein Referenzpreisabkommen (Milchpreisempfehlung) unterzeichnet. Nicht unterzeichnet hatte die Vereinbarung der Landwirtschaftsverband COAG, der vorwiegend die mittleren und kleineren Agrarbetriebe vertritt. Dieser hatte bemängelt, dass in der Vereinbarung nicht verankert sei, dass die Milch nicht unter Gestehungskosten verkauft werden dürfe. Diese liegen nach Angaben der staatlichen Preisbeobachtungsstelle zwischen 33 Cent/l und 37 Cent/l, also über dem vereinbarten Referenzpreis von 31 Cent/l.
Der Spitzenverband ASAJA, dem auch die Junglandwirte angeschlossen sind, besteht nachdrücklich auf einer Erfüllung der interprofessionellen Milchpreisempfehlung, zumal die vertragliche Vereinbarung nach seiner Ansicht fundamental ist für eine garantierte Milchabnahme und eine bessere Preissituation für die Milchviehhalter. Zugleich appellierte der Verband an das Landwirtschaftsministerium, auf die Unterzeichnung von korrekten Lieferverträgen zu drängen.

Staat kann nicht den Milchpreis festlegen

Indess lehnte Frankreichs Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire eine Einflussnahme auf  die Verhandlungspartner in der Branchenorganisation Interprofession nachdrücklich ab. Zwar sieht der Ressortchef in effizienteren vertraglichen Beziehungen zwischen Milchproduzenten, Molkereien und dem Handel eine wichtige Voraussetzung für eine Stabilisierung des aus den Fugen geratenen Milchmarktes, allerdings  sei ein Eingreifen des Staates bei der Festsetzung des Milchpreises keine Lösung, heißt es in Paris.
Inzwischen hat die französische Wettbewerbsbehörde gegen das neue Modell der interprofessionellen Milchpreisempfehlung rechtliche Bedenken geäußert. In einer Stellungnahme warnt die Behörde, dass die Preisempfehlung gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen könnte. Statt einer Preisempfehlung schlägt die Behörde vor, Erzeuger und Milchverarbeiter sollten mehrjährige Lieferverträge schließen.

Molkereien beklagen „realitätsfremden“ Milchpreis

Der Dachverband der privaten Molkereien (FNIL) hat indess die Rückkehr zu einem marktorientierten Milchpreis gefordert. Die französische Milchwirtschaft könne nicht länger vollständig von der Realität abgekoppelt sein. Der aktuelle Milchauszahlungspreis müsse sich wieder am Markt orientieren, was derzeit in Frankreich nicht der Fall sei, erklärte der FNIL in einer Pressemitteilung. Der Verband verwies auf Angaben der EU-Kommission, wonach der durchschnittliche Milchauszahlungspreis in Frankreich in den Monaten Januar bis August 2009 mit 29,2 Cent/l zu den höchsten Preisen innerhalb der EU gezählt habe. Vor allem liege er um 25 % über dem Auszahlungspreis in Deutschland, „unserem zugleich wichtigsten Abnehmer und Lieferanten“, monierte der Verband. Die Folgen seien verheerend. Bis Ende Juli legten die Einfuhren von Konsummilch nach Frankreich laut FNIL um 44 % zu; die Sahneeinfuhren stiegen um 36 % und der Import von Emmentaler um 52 %, was der Produktion von zwei großen Molkereien entspreche. Zugleich verzeichneten die französischen Ausfuhren an Molkereiprodukten im ersten Halbjahr 2009 dem Verband zufolge wertmäßig einen Rückgang um 18 %. Sollte diese Situation andauern, drohten irreversible Schäden für die gesamte Branche, warnte der FNIL.