Antibiotikafreie Milchproduktion?

Das Schwerpunktthema auf der diesjährigen Jahrestagung des National Mastits Council (NMC) ist die Minimierung des Einsatzes von Antibiotika, denn internationale Fastfood-Konzerne und Handelsketten erhöhen den Druck auf die Molkereien. Lässt sich die Eutergesundheit auch mit weniger Antibiotika erhalten oder sogar noch verbessern?

"Aus antibiotikafreier Milchproduktion" – in den USA labeln immer häufiger Handelsketten Frischmilchprodukte mit diesem Slogan. Schon „prognostizieren“ einige Marktanalysten, dass diese Entwicklung nicht mehr aufzuhalten ist … nach dem Label „GMO-frei“ bzw. „ohne Gentechnik“ könnte schon bald eine neue Welle auf die Milchbranche zu rollen.

Angst vor der Gefahr resistenter Keime

Die meisten Konsumenten wissen um die heilende Wirkung von Antibiotika, ihnen ist grundsätzlich bewusst, dass der Einsatz von Antibiotika für den Erhalt der Tiergesundheit erforderlich ist. Laut Umfragen sehen zunehmend mehr Verbraucher den Einsatz von Antibiotika aber kritisch. Dieses Phänomen ist mittlerweile weltweit zu beobachten. Laut Berichten einiger Kongressteilnehmer aus Asien nimmt selbst dort die Angst zu, dass Lebensmittel mit Antibiotika kontaminiert sein könnten. Viele Menschen befürchten (aufgrund von reißerischen Medienberichten), dass Antibiotika über tierische Produkte in den menschlichen Körper gelangen können und dieser dann resistente Keime dagegen bildet.
Auch wenn die Milchbranche – im Gegensatz zur Fleischbranche – (glücklicherweise) bislang noch nicht für negative Schlagzeilen gesorgt hat, so nimmt der Druck insbesonders seitens der Fastfood-Ketten (McDonalds, Subway, ...), der Lebensmittelindustrie und der Handelsketten (Walmart, Discount; …) zu, die Einsatzmengen an Antibiotika deutlich zu reduzieren.
Unter Gesundheitsexperten besteht weltweit Konsens, dass aus Tierschutzsicht kranke oder verletzte Tiere mit Antibiotika behandelt werden müssen, um Leiden zu vermeiden oder zu reduzieren – sofern der Tierarzt eine entsprechende Diagnose gestellt hat. Kritiker der modernen Nutztierhaltung beklagen jedoch, dass ein Großteil der Antibiotika eingesetzt wird, um Erkrankungen und Verletzungen zu behandeln, die aufgrund von Management- und Haltungsdefiziten entstehen. Zudem würden die verfügbaren antibiotischen Wirkstoffgruppen noch zu wenig differenziert und verantwortungsbewusst eingesetzt, so dass eine Resistenzentwicklungen forciert wird. Dies gilt besonders für die sogenannten „Reserve-Antibiotika“, die nur im absoluten Notfall und wenn kein anderer Wirkstoff wirksam ist, eingesetzt werden sollten.

Auf Trockensteller komplett verzichten?

Eine deutliche Reduktion von Antibiotika würde sich in der Milchbranche sicherlich durch den weitestgehenden Verzicht von antibiotischen Trockenstellern erreichen lassen. Erste Versuche zeigen, dass das selektive Trockenstellen durchaus eine Alternative zum präventiven 100 %igen Schutz sein kann. So wurde z.B. in den Niederlanden im Jahr 2014 der prophylaktische Einsatz von Trockenstellern verboten. Seitdem konnte die verabreichte Menge an Antibiotika deutlich, um 40 Prozent, verringert werden, ohne (flächendeckende Einbußen) bei der Eutergesundheit.
Selektives Trockenstellen in den Niederlanden

Seit dem Jahr 2014 ist der prophylaktische Einsatz von antibiotischen Trockenstellern in den Niederlanden untersagt. Trotz des selektiven Trockenstellens hat sich die Eutergesundheit nicht verschlechtert – im Gegenteil! (Bildquelle: Elite Magazin)

Einig sind sich die meisten Experten, dass sich das selektive Trockenstellen aber nur durchsetzen wird, wenn – wie in den Niederlanden praktiziert – der Gesetzgeber dies vorschreibt. Denn obwohl wissenschaftlich abgesichert, wollen viele Milcherzeuger das neue Verfahren nicht anwenden, so der Tenor der Eutergesundheitsexperten auf dem Kongress. Warum dem so ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Es scheint jedoch, dass viele Landwirte den damit verbundenen höheren Managementaufwand scheuen (häufigere Euterkontrolle, On-Farm Test, Verbesserung der Hygiene im Kuhstall und Verringerung von Stress).
Sicher scheint auf jeden Fall zu sein, dass in den meisten Ländern künftig der Antibiotikaeinsatz nur noch nach Empfehlung/Begutachtung durch den Tierarzt erfolgen soll und dass im Rahmen der Bestandsbetreuung nur noch in Ausnahmefällen Antibiotika mehr zur Anwendung durch den Herdenbetreuer abgegeben werden (in Kalifornien wird dieser Weg gerade beschritten; es ist anzunehmen, dass weitere US-Bundesstaaten diese Verordnungen übernehmen werden). Zudem soll das Monitoring (Erfolgskontrolle) ausgebaut werden, mit dem Ziel Maßnahmen entwickeln zu können, um den Antibiotikaeinsatz zu verringern (ohne dass die Euter- bzw. Tiergesundheit leidet). Immerhin finden sich nachweislich in 30 bis 40 Prozent aller Milchproben, die aus klinisch und subklinisch erkrankten Eutervierteln gewonnen werden, keine Erreger.

Gibt's Alternativen zu Antibiotika?

Wegen der „angespannten Situation“ arbeiten bereits mehrere Institute an Alternativen zu Antibiotika. Besonders in den Fokus gerückt bzw. intensiv diskutiert werden:
  • spezifische Wirkung von Antibiotika (viele Erreger bilden Subtypen aus, stallspezifische Behandlungsprotokolle bringen hier Vorteile; Management des Euter-Mikrobioms)
  • die Steigerung der Immunität, z.B. durch die Anwendung von Immunmodulatoren oder eine verbesserte Selektion (Genomics)

  • spezifische Wirkung von Antibiotika (viele Erreger bilden Subtypen aus, stallspezifische Behandlungsprotokolle bringen hier Vorteile; Management des Euter-Mikrobioms)
  • die Steigerung der Immunität, z.B. durch die Anwendung von Immunmodulatoren oder eine verbesserte Selektion (Genomics)

Einig sind sich die Eutergesundheitsexperten aber auch darin, dass sich durch Verbesserungen bei der Melkhygiene und dem Management der Melkzentren und der Transitställe die Infektionsraten (Zellgehalte) noch deutlich absenken lassen. Letztlich führen diese Maßnahmen dann auch zu Einsparungen beim Antibiotikaeinsatz. Doch dazu müssen die Melker mitgenommen werden, ist Erich Hillerton, einer der weltweit anerkanntesten Experten, überzeugt. Auf die Frage, welche die am dringendsten im Hinblick auf eine Optimierung Eutergesundheit zu bearbeiten Punkte seien, antwortete Hillerton:  1. People (Herdenbetreuer und Melker), 2. People (Herdenbetreuer und Melker)!
National Mastits Council (NMC)

Die Jahrestagung des National Mastits Council (NMC), die diese Woche in Tucson (Arizona, USA) stattfindet, hat sich in der globalen Milchbranche längst als als Forum zur Kommunikation, Wissenserweiterung und zur Präsentation innovativer wissenschaftlicher Erkenntnisse etabliert. Auch in diesem Jahr gelang es den Veranstalter wieder mehrere hundert Experten, darunter viele Berater, Tierärzte und Wissenschaftler aus aller Welt zusammen zu rufen. Elite ist auch diesmal wieder vor Ort. Die Elite-Redaktion wird die wichtigsten neuen Erkenntnisse und Trends in den kommenden Elite-Ausgaben präsentieren.

Text: G. Veauthier