Negative Energiebilanz – der Risikofaktor im ersten Laktationsdrittel

Hohe Futteraufnahmen im ersten Laktationsdrittel sind das A und O. Denn die Gesundheit und damit auch die Wirtschaftlichkeit einer Hochleistungskuh werden durch eine der Milchleistung angemessen Energieaufnahme bestimmt.

Man könnte annehmen, dass die Milchkuh im Leistungspeak besonders empfänglich für Krankheiten ist. Tatsächlich erweisen sich aber die ersten 4 bis 6 Wochen nach dem Kalben als die kritischste Phase innerhalb der Laktation. Diese Phase, die gleichzeitig durch das Vorhandensein einer negativen Energiebilanz (NEB) charakterisiert ist, geht mit Gesundheitsproblemen einher, die dazu führen, dass Kühe frühzeitig aus der Herde ausscheiden. Die Futteraufnahme hängt, genauso wie die Milchleistung, von genetischen und nicht genetischen Faktoren ab. Als Faustzahl rechnet man bei laktierenden Kühen und guter Futterqualität mit einer täglichen Trockensubstanzaufnahme von 3,2 bis 3,3 % der Körpermasse. Dieser Wert wird aber nur in der Mitte der Laktation erreicht, während der ersten 6 bis 10 Wochen nach der Kalbung ist die Futteraufnahme im Allgemeinen geringer.

Milchleistung steigt schneller als Futteraufnahme

Hochleistende Milchkühe geben im Leistungspeak regelmäßig mehr als 50 kg Milch am Tag. Bei einer täglichen Milchleistung von 50 kg besteht ein Glukosebedarf von etwa 3,8 kg Kuh/Tag. Der relativ große Bedarf an Glukose wird bei Milchkühen nicht direkt aus dem Dünndarm aufgenommen, sondern zu 2/3 aus Propionat gebildet („Glucoseneogenese“). Für eine ausreichende Propionat-Bildung ist wiederum eine optimal funktionierende Fermentation im Pansen notwendige Voraussetzung. Nach der Kalbung steigen bekanntermaßen Milchleistung und Futteraufnahme unterschiedlich schnell an. Während das Maximum der Milchleistung bei Kühen, die eine leistungsgerechte Ration erhalten, bereits zwischen der 5. und 7. Woche erreicht wird, variiert der Zeitpunkt des Erreichens der maximalen Futteraufnahme zwischen der 8. und 14. Woche post partum (p.p.).

Mobilisation von Körperreserven, um Energiebedarf zu decken

Eine ungenügende Futteraufnahme, insbesondere zu Beginn der Laktation, ist am Futterzustand der Kühe zu erkennen. Gewichtsverluste zwischen 6 und 8 Prozent der Körpermasse im ersten Laktationsdrittel können noch als biologisch normal erachtet werden. Größere Verluste sind unphysiologisch und erhöhen das Risiko einer Erkrankung bzw. einer unzureichenden Fruchtbarkeit. Die hochleistende Milchkuh deckt ihren Nährstoff- und Energiebedarf nach der Abkalbung über das aufgenommene Futter und durch die Mobilisation von Körperreserven. Die Tendenz, vorhandene Körperreserven in immer kürzerer Zeit zu mobilisieren, hat sich mit zunehmendem Selektionsdruck auf höhere Einsatzleistungen in den letzten Jahren weiter verstärkt.

Niedriger Milchfettgehalt verringert NEB

Die gezielte genetisch-züchterische und/oder fütterungsbedingte Beeinflussung der Milchzusammensetzung, in Form der Stabilisierung eines hohen Milcheiweißgehaltes bei abnehmendem Milchfettgehalt, könnte ein zusätzlicher Weg zur Verbesserung der Stoffwechselstabilität hoch leistender Milchkühe sein. Dieser Weg wurde in Deutschland jedoch bisher kaum verfolgt. Die Nutzung der milchfettsenkenden Eigenschaften der CLA (= konjugierte Linolsäure) konnte in der Praxis schon einige Erfolge verbuchen. So hat beispielsweise die Supplementation pansengeschützter konjugierter Linolsäure dazu geführt, den zu Laktationsbeginn bestehenden hohen Energie-Output durch die Hemmung der Milchfettsynthese im Euter gezielt abzusenken und dadurch die Dauer und die Schwere der NEB zu verringern.

Hohe TM-Aufnahme sichern!

Weitere mögliche Einflussfaktoren zur Sicherung einer hohen Futteraufnahme sind:
  • Bereitstellung von nährstoff- und energiereichem Grundfutter mit hoher Qualität, guter Abbaubarkeit im Pansen und ausreichender Struktur
  • bedarfsgerechte Ergänzung mit Nährstoffen durch leistungsgerechte Kraftfuttergaben (Vermeidung hoher Einzelgaben)
  • Vermeidung abrupter Rationsumstellungen
  • Gewährleistung ausreichend langer Fresszeiten bzw. ständiger Zugang zu frischem Futter
  • hoher Kuhkomfort (Ruhe-, Steh- und Liegeflächen, leichter Zugang zu Tränken, gute Stallluft).

  • Bereitstellung von nährstoff- und energiereichem Grundfutter mit hoher Qualität, guter Abbaubarkeit im Pansen und ausreichender Struktur
  • bedarfsgerechte Ergänzung mit Nährstoffen durch leistungsgerechte Kraftfuttergaben (Vermeidung hoher Einzelgaben)
  • Vermeidung abrupter Rationsumstellungen
  • Gewährleistung ausreichend langer Fresszeiten bzw. ständiger Zugang zu frischem Futter
  • hoher Kuhkomfort (Ruhe-, Steh- und Liegeflächen, leichter Zugang zu Tränken, gute Stallluft).

Da die TM-Aufnahme nach der Kalbung das Ausmaß der NEB mitbestimmt, sind alle Fütterungs- und Managementmaßnahmen darauf auszurichten, dass die Kühe ein hohes TM-Aufnahmepotenzial erreichen. Die Vermeidung einer Überkonditionierung der Kühe bereits während der Trockenstehphase und ein geringerer Umweltstress sind hier deshalb zusätzlich zu nennen.
 
Quelle: Prof. Dr. Wilfried Brande (Hannover/Dummerstorf) und Dr. Edwin Brande (Paretz)