Für unsere Aktion #wirmelkenweiter (mehr dazu siehe unten!) haben wir im Juni 2020 die Geschwister Bianka Rücker (25, geb. Ziegler) und Jan Ziegler (24) besucht. Die beiden werden den Familienbetrieb in Frankenhardt (Baden-Württemberg) gemeinsam übernehmen. Die Milchproduktion mit den 170 Fleckvieh-Kühen ist Teamarbeit: Die Geschwister bewirtschaften den Betrieb vorerst mit Mutter und Vater (51 Jahre). Tatkräftig unterstützen Schwester Nicole, die Partner von Bianka und Jan sowie verwandte und bekannte Helfer.
„Die Stallarbeit ist zu dritt zu bewerkstelligen. Wichtig ist uns aber, dass wir uns jeweils vertreten können.“ So ist Bianka für die Eigenbestandsbesamung zuständig– ist sie nicht da, übernimmt der Vater. Das Backup ist nicht nur wegen Biankas vorerst zusätzlicher Vollzeitstelle als Fachberaterin Rind wichtig, sondern auch, damit jeder zwei Wochen Urlaub ohne Kühe machen kann und normal weiter gemolken wird!
Verantwortungen sind verteilt, Entscheidungen trifft man jedoch einvernehmlich: Darüber, welche Kühe abgehen, besonders aber die zukunftsweisenden. Die junge Generation hat so einige Ideen, wie es weiter gehen kann. Und die Eltern? Die sind offen für Veränderungen und ziehen mit!
Optionen für höhere Tierwohlauflagen und Direktvermarktung offen halten
Die laufende Produktion und Tiergesundheit zu optimieren ist dabei Alltag. Aus der Ausbildung und Biankas und Jans Beratungstätigkeiten (Jan hat zwischenzeitlich als Betriebshelfer gearbeitet) fließen viele Impulse in die Stallarbeit. Die zukunftsweisenden Ideen sind größer: Auf 200 Kühe aufstocken und das Jungvieh zu Biankas Mann auslagern, oder stattdessen, dort die eigenen Bullen mästen, kombiniert mit einer Direktvermarktung. Eigene Milchprodukte herzustellen, trauen sich Bianka und Jans Freundin zu. Die an den Hof angrenzende Straße bietet sich als Pendlerachse für eine Direktvermarktung an.
Wir setzen auf die Wertschätzung heimischer Lebensmittel.“
Bianka Rücker
Um ihre Träume verwirklichen zu können, sehen die Geschwister allerdings auch den Herausforderungen ins Auge. „Die Tierwohlauflagen wachsen. Wir halten uns Optionen wie Weidegang und einen Laufhof offen, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Jan. Seitens der geografischen Standortbedingungen steht diesen Plänen nichts im Wege, wichtig ist den jungen Landwirten in diesem Punkt, dass sie die Behörden für ihre fortschrittlichen Entwicklungen gewinnen können.
Letztendlich entscheidet aber über die Zukunft, dass die Wertschätzung und dabei vor allem tatsächlich der monetäre Wert für heimische Milch- und Fleischprodukte steigt. „Ich sehe es auch als Teil einer Aufgabe unserer Generation, dafür Sorge zu tragen“, sagt Bianka. Sie selbst arbeitet auf ihrem Youtube-Channel
„Wir BEGREIFEN Landwirtschaft“ daran, aufzuklären, oder anders gesagt, Transparenz zu schaffen. Denn man muss auch immer selbst etwas ändern oder dafür tun, damit sich etwas ändert!
Der Betrieb: Klare Aufgabenteilung und gute Leistungen
Damit es läuft, ist es auch oder gerade im Familienbetrieb wichtig, dass jeder im Team seinen eigenen Verantwortungsbereich hat (und es trotzdem ein Backup gibt).
An der Fütterung feilen wir täglich.“
Jan Ziegler
Jan arbeitet bereits seit dem Ende der dreijährigen Berufsausbildung und dem anschließend absolvierten Techniker Vollzeit im Betrieb Ziegler. Zu seinen Verantwortungsbereichen zählt das Füttern, die Klauenpflege und die Außenwirtschaft im Futterbau. Das Feilen an der Fütterung ist dabei ein täglicher Ansporn: Bianka rechnet die Rationen selbst, aus ihrer Beratungstätigkeit bringt sie einiges an Ideen zur Optimierung mit und Jan ist sehr genau bei der Umsetzung der Mischration. Hier geht es allerdings um die perfekte Auslegung der Basics (hochwertiges Grundfutter und simple, aber ebenfalls hochwertige Kraftfutterkomponenten und eine hohe Mischqualität) und nicht um den Einsatz von Spezialfuttermitteln. Der einzige Zusatz, der neben dem Mineralfutter in die Ration kommt, ist im Sommer Säure, um eine Nacherwärmung im Trog zu verhindern. Für die Jungrinder und Trockensteher wird im Sommerhalbjahr eingegrast (für die Norddeutschen: Frischgras im Stall gefüttert).
Die Beratungsstelle und der Betrieb bereiten viel Arbeit, ich lerne dadurch aber auch unendlich viel!“
Bianka Rücker
Bianka übernimmt neben ihrer vorläufigen (aber mittlerweile schon dreijährigen) Vollzeitstelle als Spezialberaterin beim Beratungsdienst Milchvieh Ostalb Baden-Württemberg, im Wesentlichen die Organisation der Reproduktion: Sie plant die Anpaarungen, teilt sich mit ihrem Vater die Arbeit in der Eigenbestandsbesamung und übernimmt die Dokumentation im Herdenmanagement vornehmlich. Gegenwärtig fokussiert Bianka in der Anpaarung der mittelrahmigen Fleckviehkühe die Euterqualität, insbesondere die Aufhängung und die Festigkeit im Zentralband. Hier liegen die Schwächen in der Herde. Die Fruchtbarkeit und die Tiergesundheit sind sehr gut: Ein Besamungsindex von 1,7 bei den Kühen und Tierarztkosten von 50 € pro Kuh und Jahr inklusive Trockensteller und Zitzenversiegler stimmen zufrieden.
Ihre Erfolgsfaktoren sehen die Zieglers dafür klar in der Auslegung der Umweltfaktoren und im Management: Futterqualität, Stall- und Melkhygiene, Stallklima sowie die konsequente Klauenkontrolle sowie Pflege nach Laktationstagen in Eigenleistung (immer 14 Tage vor dem Trockenstellen und vier bis sechs Wochen nach der Kalbung) werden konsequent verfolgt und angepasst.
Immer mit im Blick sind die Kosten, nach dem Motto: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig.“ Ein Beispiel ist der Einsatz von Zitzendippmittel nach dem Melken im Doppel-12er. Die Zellzahl liegt bei 98.000 Zellen/ml Milch – gedippt wird aber nur vorsorglich, wenn im Sommer vermehrt Fliegen da sind. Als sonstige Hygienemaßnahmen genügen das Tragen von Melkhandschuhen, sauberes Vormelken und das Durchspülen der Melkzeuge nach auffälligen Kühen mit Wasser.
Die Herdenleistung liegt im laufenden Milchkontrolljahr bei rund 9.300 kg pro Tag. Die Milchinhaltsstoffe im Juni bei 3,37 % Eiweiß und 4,01 % Fett.
Ein paar Einblicke in den Stall der Familie Ziegler in Frankenhardt
Klare Empfehlung: Die landwirtschaftliche Ausbildung bringt Vorteile!
Bianka und Jan haben beide nach der Schule die dreijährige Ausbildung zum staatlich geprüften Landwirt abgelegt, danach hat Jan die zweijährige Technikerschule angehängt und Bianka den Meisterkurs. Zur landwirtschaftlichen Berufsausbildung raten die beiden wirklich jedem – egal, ob man vom Betrieb kommt oder nicht, ob man studieren möchte oder nicht! „In der Ausbildungszeit auf verschiedenen Betrieben lernt man nicht nur unendlich viel für die fachliche Praxis, sondern man wächst auch in der Persönlichkeit“, fasst Bianka die Vorteile zusammen.
Sie weiß genau, wovon sie redet, denn mit 25 Jahren ist sie bereits im Prüfungsausschuss für die landwirtschaftliche Berufsausbildung. Und ihre Beratungsstelle hat sie außer planmäßig von der Stellenanforderung auch ohne Studium und „nur“ mit dem erfolgreich absolvierten Meister bekommen – sie beweist, dass ein Abschluss allein herzlich wenig über die tatsächliche Expertise aussagt. Auf das, was sie geschafft hat, ist sie stolz und beweist ihr Können täglich in der Arbeit mit den anderen Landwirten.
Die Ausbildungszeit fördert nicht nur die fachliche Expertise, sondern auch die Persönlichkeit.“
Jan Ziegler
Die beiden Geschwister haben zwar beide auch ein Jahr der Ausbildung zuhause absolviert, waren aber trotzdem auch jeweils ein Jahr auf einem anderen Milchkuhbetrieb in Süddeutschland – beide mit Holstein-Kühen. „Die Rasse macht für die grundsätzlichen Schritte im Herdenmanagement keinen Unterschied,“ so Bianka. Sie hat auf ihrem Ausbildungsbetrieb vor allem in puncto Organisation der Herde dazu gelernt, was sie heute zuhause im Betrieb anwendet.
Jan hat besonders viel Positives für die Jungviehaufzucht mit auf den Ziegler-Hof bringen können: Aktuell bauen sie ihren Kälberstall so um, dass man dort entsprechend mit automatischer Tränketechnik sowie intelligenter Aufstallungseinrichtung gut alleine arbeiten kann. Aber auch hinsichtlich ihrer persönlichen Entwicklung haben sie profitiert: „Man sammelt viele neue Erfahrungen mit Menschen im täglichen Zusammenleben und -arbeiten. Das ist in einer anderen Familie etwas völlig anderes als zuhause. Es fördert die Offenheit aber auch das Selbstvertrauen,“ sagt Jan heute.
Abgesehen davon, ist die Praxis in jedem Milchkuhbetrieb verschieden – sprich, man kann eine Menge lernen, was man zuhause nicht lernen kann. „Natürlich gibt es dabei immer Gutes und Schlechtes, aus dem man dazu lernt. Wie überall!“, sagt Bianka und zwinkert. Ihr liegt es besonders am Herzen, dass Menschen, die im Umfeld der Landwirtschaft arbeiten möchten, auch tatsächlich nachvollziehen und einschätzen können, worauf es in der täglichen Praxis ankommt. „Ohne ernsthafte Praxiserfahrung und nur mit einem Studium ist das nicht möglich“, sagt sie. Ein halbes Jahr Vollzeit-Praktikum sollten mindestens „drin sein“.
#wirmelkenweiter – für unsere Aktion besuchen wir viele motivierte Milcherzeuger*innen, die nichts davon abhält, das zu tun, wofür ihr Herz schlägt: Kühe melken! Schaut rein und macht mit auf
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