Die wirtschaftliche Situation in der Milcherzeugung ist angespannt. Die Produktionskosten sind hoch, eine passende Leistung nötig. Tipps zu den Stellschrauben.
2020 verschlechtern die Erlöse die Wirtschaftlichkeit
Die wirtschaftliche Situation der Milcherzeugerbetriebe ist im bisherigen Verlauf von 2020 weiter unter Druck geraten. Folgende Punkte verdeutlichen dies:
Die Gesamterlöse (Verkauf Milch, Altkühe, Kälber) sind laut aktuellen Auswertungen der AMI Agrarmarkt Informations-GmbH gesunken. Auf bisher 34,5 Cent pro kg Milch*. Das sei der schlechteste Gesamterlös seit dem Milchkrisenjahr 2016 (25,8 Cent). Verantwortlich für die schwache Erlössituation ist zu einem wesentlichen Teil die Corona-Krise.
Die Produktionskosten bleiben hoch. Wobei die Direktkosten bisher weitgehend stabil verliefen. Ein vorläufiger Wert von 24,7 Cent pro kg Milch* wird genannt. Für die Gemeinkosten bleibt eine Marge von 9,8 Cent, die nicht ausreichen kann, um diese annähernd zu decken.
*Januar bis September 2020, bezogen auf eine Jahresmilchleistung von 8.500 kg/Kuh
Ein Kostenpunkt, den viele Milchkuhbetriebe gegenwärtig zu verarbeiten haben, ist der Neu- oder Umbau von Silagelagerfläche. Mit einem Mehrertrag an Leistung geht gerade diese Investition nicht einher.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano)
Stellschrauben einer rentablen Milchproduktion
Die oben aufgeführten Auswertungen zeigen, dass es ein hartes Geschäft mit einer überdurchschnittlichen Arbeitsbelastung bleibt, um mit Milchkühen Geld zu verdienen.
Der Unternehmensberater Bernd Lührmann erläuterte in seinem Vortrag Ansatzpunkte für eine, unter den heutigen Bedingungen, rentable Milchproduktion. Ein Auszug daraus im Folgenden:
Über dem Durchschnitt: Um heute wirtschaftlich Milch zu erzeugen, muss man am jeweiligen Standort überdurchschnittliche Leistungen erreichen. Dabei ist dies immer als Zusammenspiel von Input (Arbeit, Art der Fütterung, …) und Output (Erträge, Milchleistung, Qualität Altkühe und Verkaufskälber) zu sehen. Low Input kann sich an einem Standort mit knapper, teurer Fläche nicht rechnen …
Um wirtschaftliche Ergebnisse über dem Durchschnitt zu erreichen, gilt es die Effizienz der Produktionsfaktoren zu verbessern. Als anzustrebender Zielwert sind 300 kg Milch pro Arbeitskraftstunde (AKh) genannt. Mit Blick auf die heutige Arbeitgeberbelastung wird deutlich, warum: Erhält ein Mitarbeiter 15,00 € Bruttolohn, kostet das den Betrieb rund 21,00 €. Bei einer Leistung von 250 kg Milch pro AKh kostet die Arbeit 8,46 Cent/kg Milch. Bei 300 kg Leistung pro AKh 7,05 Cent. Ein weiterer Zielwert ist es, über 22.000 kg Milch je ha Futterfläche zu erreichen. Beide Punkte inklusive Färsenaufzucht.
Optimiert werden immer zuerst die knappsten Produktionsfaktoren. Denn diese verteuern und/oder schränken die Milcherzeugung am stärksten ein. Dabei gilt es die Flaschenhälse zu finden und zu lösen. Denn es bringt keinen Vorsprung, wenn zunächst Input in kleinere Baustellen gesteckt wird, das Problem, das die Leistung oder den Ertrag limitiert aber bestehen bleibt. Am praktischen Beispiel Fütterung: Ein teures Spezialfuttermittel (z.B. einzelne Aminosäuren) einzumischen bringt nichts, wenn die TMR in sich nicht ausgewogen und selektierbar ist. Ein zweiter Grundsatz wird hieraus deutlich: Die Konzentration auf das Wesentliche bringt mehr Erfolg, als Perfektion in den einzelnen Details (“das ist kaum möglich, denn Probleme gibt es immer“).
Beispiel knappe Fläche: Zunächst muss die Ertragsleistung und Qualität hoch sein, bei Silomais sollten bsp. 45 bis 50 t/ha erreicht werden. Ein Punkt, der in den vergangenen Jahren hierbei klar an Bedeutung gewonnen hat, ist es, die Winterfeuchte zu nutzen. Zusätzliche Entlastung kann es schaffen, einen Teil des Jungviehs in Pension auszulagern und Grundfutter ab Feld zu tauschen (1. und 2. Schnitt für die Kühe, spätere Schnitte für das Jungvieh). Voraussetzung ist, dass Qualität und die Flächenentfernungen passen. Am Betriebsstandort ensteht durch das Auslagern des Jungviehs mehr Kapazität für die Kühe, in Form von Platz und Zeit zur Betreuung, und damit eine gute Chance auf eine verbesserte Milchleistung und damit mehr Liquidität. Mehr dazu unten!
Beispiel Arbeitserledigung: Ansätze zur Optimierung sind hier eine gute Strukturierung der Arbeit. Arbeitspläne und Anleitungen zu erstellen und einzuführen lohnen sich. Auch im Familienbetrieb und auch für die Arbeiten im Büro. Arbeitserleichterung ist zudem ein Thema, Technisierung oder Automatisierung sollten immer abgewogen werden. Eine Frage, die sich viele hinsichtlich einer höheren Effizienz stellen, ist das dreimalige Melken. Das bringt zwar eine Leistungssteigerung und Vorteile für den Stoffwechsel, der dafür betriebene höhere Aufwand muss sich aber rechnen. Ohne Fremd-AK ist das kaum zu gewährleisten.
Aktuell gibt es kaum Gründe, die gegen das Ausprobieren einer reduzierten Herdengröße sprechen!“
Bernd Lührmann
Unterbelegung: Ein Weniger an Kühen, bringt auf Dauer mehr!
Beispiel Milchleistung: Die wichtigste betriebswirtschaftliche Empfehlung ist es heute, die Milchleistung pro Einzeltier zu optimieren und nicht die Milchmenge pro Herde. Man kann es sich heute nur schwer leisten, Einzeltiere mit unterdurchschnittlicher Leistung mitzutragen. Es muss sich immer vor Augen gehalten werden, dass jede Kuh viel Futter frisst, Arbeitszeit und Platz beansprucht und Gülle produziert, …
Kuhkomfort ist ein Leistungsfaktor. Eine Unterbelegung der Liegeplätze (< 1:1) zahlt sich kurz- (Abstocken verbessert die Liquidität), mittel- (weniger Sozialstress erhöht die Milchleistung) und langfristig (ausgeruhte, entspannte Kühe sind gesünder) aus.
(Bildquelle: Berkemeier)
Als eine der größten Stellschrauben zur Optimierung der (Milch-)Leistung pro Einzelkuh gilt dabei die Unterbelegung von Stallplätzen (also < 1:1). Bei insgesamt stimmiger Versorgung in Fütterung, Wasserversorgung, Haltung und Management gilt diese als Sprungbrett in Richtung hin zu Tagesgemelken von 35 bis 38 kg.
Dabei bringt das Reduzieren der Herde kurzfristig betrachtet zunächst Liquidität durch den Verkauf von Altkühen und Nachzucht sowie durch Einsparungen in Futter und sonstigem Aufwand pro Kuh. Anders als bei der Reduzierung einer vorheriger Überbelegung, bei der die Milchleistung meist gleich bleibt und/oder steigt, obwohl die Herde abgestockt wurde, kostet das Herbeiführen einer leichten Unterbelegung (z. B. um 5 %) zunächst Milch im Tank (etwa 3 %).
Datenauswertungen von Praxisbetrieben zeigen jedoch, dass durch eine reduzierte Herdengröße mittel- und langfristig die Leistung pro Einzeltier steigt und damit die Herdenleistung. Das Mehr an Platz und Ruhe reduziert Sozialstress, der vorher besonders bei den rangniedrigeren Tieren Futteraufnahme und Liegezeit eingeschränkt hat. Bereits eine Leistungssteigerung von 0,5 kg pro Kuh und Tag gleicht den kurzfristigen Unterschuss durch die Umstellung mehr als aus.
Die Auswertungen belegen zudem, dass sich mittel- und langfristig die Tiergesundheit verbessert. Stress, auch sozialer, beeinträchtigt das Immunsystem negativ. Eine Erkrankung weniger pro Monat (angesetzt mit Kosten von 400 €), summieren sich im Jahr auf 4.800 € zusätzlicher monetärer Auswirkung einer Unterbelegung. Eine durch gesündere Kühe um 2 % geringere Bestandsergänzung ist zudem realistisch.
Aufzeichnung bringt die schleichenden Prozesse ans Licht
Unterbelegung ist ein Schritt, der durch die zunächst messbar geringere Milchmenge, vielen Milcherzeugern schwer fällt. Denn die Steigerung der Milchleistung und der allgemeinen Tiergesundheit kommen im Gegensatz zur zunächst geringeren Milchmenge, schleichend. Ganz genauso wie eine Verschlechterung dieser durch eine wieder erhöhte Tierzahl im Stall. Das belegen eindeutig die Auswertungen von Praxisbetrieben, die diesen Schritt gemacht haben und halten.
Entsprechend lautet die Empfehlung an alle Betriebe, die Stallbelegung sowie die Leistung, Krankheitsverläufe und Inzidenzien aufzuschreiben. Nur die Datenaufzeichnung kann eindeutig die schleichenden Entwicklungen aufzeigen.
Futterknappheit, steigende Auflagen und niedrige Milchpreise machen eine kostendeckende Milchproduktion schwer. 16 Punkte, in denen Berater in der Praxis noch Optimierungspotenzial sehen, finden Sie in dem Artikel „Wo stecken noch Reserven?“