Cow Energy 4.0

Völlig unabhängig vom Stromnetz?

Ein intelligentes Energiemanagement-System erlaubt es, selbst erzeugten Strom, der nicht direkt im Stall verbraucht wird, zwischenzuspeichern. 

Wir haben mit Prof. Dr. Jörn Stumpenhausen gesprochen, der das Verbundforschungsprojekt "Stall 4.0 - CowEnergy" begleitet. 
Elite: Sie entwickeln ein System, mit dessen Hilfe Milcherzeuger unabhängig von externen Stromlieferungen sind. Was ist dafür notwendig?
Stumpenhausen: Der Strombedarf im Milchviehstall liegt bei rund 500 kWh pro Kuh und Jahr. Allein durch die Nutzung der Dachflächen mit Photovoltaik-Anlagen kann leicht mehr als das Doppelte an Energie gewonnen werden. Das in einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderten Forschungsvorhaben von uns in Zusammenarbeit mit der TU München-Weihenstephan und zwei innovativen Unternehmen der Branche  entwickelte On-Farm Energie Management System (EMS) sorgt dafür, dass Stromerzeugung und -verbrauch optimal aufeinander abgestimmt sind.   
 Elite: Stichwort Photovoltaik – wie wird sichergestellt, dass auch nachts und bei schlechtem Wetter noch gemolken und die Milch gekühlt werden kann?
Stumpenhausen: Mit Hilfe des EMS lässt sich der Strom, der nicht direkt im Stall verbraucht wird, zwischenspeichern. Aus diesen Speichern kann er dann abgerufen werden, sobald er benötigt wird. Auf unserem Praxis-Pilotbetrieb kann der installierte stationäre Akku den Betrieb selbst bei komplettem Stromausfall für zwei Tage am Laufen halten.  In einer nächsten Versuchsphase wollen wir auch die mobilen Akkus in den elektrischen Arbeitsmaschinen, wie Traktor, Futtermischwagen, Hoftrac etc. in das EMS mit einbeziehen. Zusätzlich eignen sich auch Eiswasser-Kühltanks, Warmwasserspeicher oder die Heißwasserreinigung als Energiespeicher.
 Elite: Wenn auf oder neben dem Kuhstall mehr Strom erzeugt als abgenommen wird, könnte der überschüssige Strom nicht verkauft werden?
Stumpenhausen: Das geschieht ja schon seit vielen Jahren. Wir wollen aber die Stromeinspeisung  netzdienlich gestalten, in enger Abstimmung mit dem Stromhändler oder Netzbetreiber. Zusätzlich könnten die Landwirte im regionalen Stromverbund weitere Netzdienstleistungen anbieten, wie Spannungshaltung und Schwarzstartfähigkeit, was zur Versorgungssicherheit beiträgt.
 Elite: Wann ist mit der Praxisreife zu rechnen?
Stumpenhausen: Seit 2015 arbeiten wir an der Konzeption und Entwicklung unseres On-Farm EMS. Seit letztem Jahr testen wir den Prototypen auf einem Praxis-Pilotbetrieb, ein Bioland-Betrieb mit 90 Kühen und weitgehend automatisierter und elektrifizierter Technik. Ich gehe davon aus, dass in 2022 das System die Marktreife erreichen wird.

Prof. Dr. sc. agr. Jörn Stumpenhausen lehrt Verfahrenstechnik Tierproduktion und Landwirtschaftliches Bauwesen an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.  (Bildquelle: privat)


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