Der Früherkennung von Krankheiten wird in der Forschung immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Auch auf dem ICAR-Kongress 2021 („International Committee for Animal Recording”) wurde unter anderem dieses Thema diskutiert.
Ketose: Kühe unter dem Radar
Nicht alle Kühe reagieren nach der Kalbung gleich auf eine negative Energiebilanz (NEB). Mögliche Folgen sind z. B. eine unterschiedliche Intensität des Körperfettabbaus, Leberschäden, Immunsuppression oder eine reduzierte...
Der Früherkennung von Krankheiten wird in der Forschung immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Auch auf dem ICAR-Kongress 2021 („International Committee for Animal Recording”) wurde unter anderem dieses Thema diskutiert.
Ketose: Kühe unter dem Radar
Nicht alle Kühe reagieren nach der Kalbung gleich auf eine negative Energiebilanz (NEB). Mögliche Folgen sind z. B. eine unterschiedliche Intensität des Körperfettabbaus, Leberschäden, Immunsuppression oder eine reduzierte TM-Aufnahme. Das kann zu einer schlechteren Fruchtbarkeit, Labmagenverlagerungen oder Metritiden führen.
In mehreren Studien zeigten sich fünf verschiedene Typen von Kühen, die sehr unterschiedlich auf eine negative Energiebilanz reagieren, so Prof. Dörte Döpfer (Universität Wisconsin). Diese Typen sind:
- Athlete cows (Marathon-Kühe): Beta-Hydroxybutyrat (BHB im Blut) ist sehr hoch, gute Milchleistung
- Clevere Kühe: niedriger BHB im Blut, aber reduzierter Milchfettgehalt
- Healthy cows (gesunde Kühe): weder erhöhter Blut-BHB noch höhere NEFA-Gehalte (Non-esterified fatty acids), normale Milchleistung
- Hyperketonemic cows (Hyperketonämie): erhöhte BHB-Werte und eine deutlich reduzierte Milchleistung
- PMAS cows (poor metabolic adaption, schlechte Stoffwechselanpassung): niedrige BHB-Werte im Blut, aber deutlich erhöhte NEFA-Werte
Von besonderem Interesse sind die PMAS-Kühe (niedriger BHB, erhöhte NEFA). Denn sie fallen beim gängigen Ketose-Monitoring (Ketose: BHB im Blut > 1,2 mmol/l) durch das Raster. Gleichzeitig sind diese Kühe sehr gefährdet.
Diese oft mehrlaktierenden Kühe zeigen eine starke Reaktion auf eine negative Energiebilanz, da bei ihnen die TM-Aufnahme massiv sinkt und die Pansentätigkeit nachlässt. Sie reagieren häufig nicht auf die gängigen Ketosetherapien.
In Untersuchungen (u. a. QCheck) wurde nach einer Möglichkeit gesucht, diese gefährdeten Kühe im Rahmen der Milchleistungsprüfung (FTIR-Spektrum) erkennen und dies als Frühwarnsystem etablieren zu können.
Fazit: Vorhersage-Modelle mithilfe der MLP sind möglich, allerdings wäre es sinnvoll, in den ersten Wochen nach der Kalbung die Milch häufiger als alle vier Wochen zu beproben. Der bevorzugte Beprobungszeitraum scheint zwischen dem 6. und 13. Tag in Milch zu sein.
Schwanz-Scorings als Gesundheitsindikator bei Milchkühen
Von Mastbullen ist bekannt, dass Gesundheitsstörungen mit Schwanzspitzenveränderungen einhergehen. An der HS Weihenstephan-Triesdorf wurde untersucht, ob derartige Veränderungen auch bei Milchkühen auftreten und als Indikator für Erkrankungen dienen können (Meier et. al, 2021).
Dazu wurde ein sogenanntes Tail-Scoring entwickelt, mit dem die Veränderungen der Schwanzspitzen laktierender Kühe jede zweite Woche nach einem Punktesystem bonitiert wurden. Insgesamt wurden dabei sechs verschiedene Ausprägungen von Veränderungen betrachtet (Übersicht 2). Um Zusammenhänge zu prüfen, wurden auch BCS und Lahmheitsgrad der Tiere bewertet.
Die Auswertung zeigt, dass Veränderungen des unteren Schwanzabschnittes mit einer hohen Prävalenz auftreten (94 %), nur fünf Kühe waren nicht betroffen. Das Tail-Scoring erhöhte sich mit zunehmender Schwere der Lahmheit, während die ringartigen Veränderungen im Bereich der Schwanzquaste tendenziell durch den BCS beeinflusst wurden.
Milchleistungsdaten zeigten keinen Einfluss. Weitere Untersuchungen laufen.
Mit Daten Tierwohl messen?
Ein internationales Team (Stygar et al., 2021) wollte herausfinden, inwiefern tierbasierte Daten dazu genutzt werden können, um Tierwohl zu messen. Dazu haben sich die Forschenden systematisch einen Überblick über die Marktsituation verschafft. Sie fanden 30 verschiedene Sensortechnologien (inkl. Prototypen) – und auf dieser Basis 129 tatsächlich vertriebene Produkte.
Das Problem: Nur 18 davon waren bereits einmal unabhängig überprüft (validiert) worden (14 %). Die höchste Rate wiesen jene Systeme auf, die auf Basis von Bewegungsmessern funktionierten (30 % der am Markt verfügbaren Systeme). Bei jenen Technologien, die auf Kameras basieren, waren es lediglich 10 %. Noch weniger waren es bei Wiegezellen (8 %), verschiedenen Milchsensoren (8 %) und Boli (7 %).
Validierte Techniken beschrieben die Tieraktivität, Futter- und Wasseraufnahme, die physische Kondition und die Gesundheit der Tiere.
Echte Diagnosen bleiben noch aus
Natürlich ist die Tierüberwachung durch Sensoren nützlich. Sensoren schauen rund um die Uhr hin, Alarmlisten geben Auffälligkeiten aus. Doch es gibt immer noch keine echten Handlungsempfehlungen oder Diagnosen. Außerdem messen die meisten Systeme die Tiergesundheit – zum Tierwohl gehört aber mehr, z. B. die soziale Interaktion oder die Tier-Mensch-Beziehung. Die Wissenschaftler empfehlen, künftig mehr zu validieren und sich nicht auf der Messung reiner Gesundheitsdaten auszuruhen.
Über Sensoren, Melkroutinen und einen neuen Impfstoff wurde auf dem NMC-Kongress diskutiert.