Der Ruf aus der niederländischen Gesellschaft nach einer regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft bzw. Milcherzeugung wurde in den vergangenen Jahren drängender. Trotz vieler gesetzlicher Verschärfungen wie der Phosphatquote, ging vor allem den NGO’s und Teilen der Politik die Entwicklung der Milcherzeugung hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht schnell und weit genug. Und wie so oft, erschallte erneut der Ruf nach einer strengeren, gesetzlichen Regulierung.
Doch in diesem Fall handelte...
Der Ruf aus der niederländischen Gesellschaft nach einer regionalen und nachhaltigen Landwirtschaft bzw. Milcherzeugung wurde in den vergangenen Jahren drängender. Trotz vieler gesetzlicher Verschärfungen wie der Phosphatquote, ging vor allem den NGO’s und Teilen der Politik die Entwicklung der Milcherzeugung hin zu mehr Nachhaltigkeit nicht schnell und weit genug. Und wie so oft, erschallte erneut der Ruf nach einer strengeren, gesetzlichen Regulierung.
Doch in diesem Fall handelte der niederländische Bauernverband (LTO) und der Molkereiverband NZO. „Wir wollten selbst bestimmen, wie eine nachhaltige Milcherzeugung aussehen soll“, erklärt Wil Meulenbroeks, Vorsitzender Milchviehhaltung beim niederländischen Bauernverband LTO. Dem stimmt René van Buitenen, Sprecher des Molkerei-Verbands NZO zu: "Es ist unser Ziel, Milchprodukte nachhaltig zu produzieren. Das sind wir gewohnt, deshalb warten wir auch nicht erst auf politische Anforderungen".
Gemeinsam mit dem Molkereiverband rief der Bauernverband deshalb eine Kommission ins Leben, die eine Definition für die „grondgebonden melkveehouderij“ (Anmerk. d. Red.: flächengebundene Milchkuhhaltung) liefern sollte. Um die Akzeptanz für die „flächengebundene Milchkuhhaltung“ auf eine breite Basis zu stellen, entschieden sich die beiden Verbände in diese beratende Kommission verschiedene Vertreter u.a. Landwirte, Vertreter von NGO’s und Politik zu berufen.
Konkrete Ziele bereits festgelegt
Doch was steckt hinter der Initiative "flächengebundene Milchkuhhaltung"? Wie soll eine solche nachhaltige Bewirtschaftung aussehen? Die beratende Kommission veröffentlichte hierzu im vergangenen Jahr bereits vier große Eckpunkte:
- Wenigstens 65% des Futterproteins in der Ration muss von den eigenen Flächen oder aus der direkten Umgebung des Milchkuhbetriebs stammen. Folglich müssen die Milcherzeuger regelmäßig den Eiweißbedarf für ihre Herde abschätzen. Es soll dabei ein Durchschnitt von drei oder fünf Jahren gebildet werden, um Betriebe z.B. in Dürrejahren nicht in Bedrängnis zu bringen und sie beispielsweise damit zum Abstocken zu zwingen (weil sie die 65%-Grenze nicht erreichen). Die Futterproteinmenge und nicht Großvieheinheiten pro Hektar wurde gewählt, um den Betrieben weiterhin eine Entwicklungsmöglichkeit (z.B. Erhöhung des Proteinertrags) zu geben und sie nicht zur Abstockung zu zwingen.
- Um regionale Raufutter- und Dünge-Kreisläufe realisieren zu können, können die Milchkuhhalter Verträge mit Ackerbauern abschließen, die sich in einem Radius von 20km rund um den Betrieb befinden. Dabei muss jedoch mindestens 50% des Grundfutters vom eigenen Betrieb stammen.
- Auch grasende Kühe gehören für die Initiatoren zur flächengebundenen Haltung dazu. Weidegang soll nicht vorgeschrieben werden. Jedoch wird ein Tierbesatz von maximal zehn Kühen pro Hektar (Weide rund um den Betrieb) festgelegt.
- Durch einen höheren Selbstversorgungsgrad bei Eiweiß soll der Bedarf an Eiweißimporten z.B. durch Soja aber auch der Import von Palmfett stark sinken. Dadurch soll die Abhängigkeit vom Weltmarkt drastisch verringert werden. Konkretes Ziel ist eine Reduzierung bis 2025 um mindestens Zweidrittel des jetzigen Imports.
Jeder kann Milchkuhhalter bleiben
Die Eckpunkte sind festgesteckt. Weitreichende gesetzliche Verschärfungen verhindert. Gibt es weitere Vorteile für Milchkuhhalter? "Wir fördern und unterstützen alle Milcherzeuger darin, das Grundfutter auf den eigenen Flächen zu produzieren. Landwirte, die die Ziele der „flächengebundenen Milchkuhhaltung“ jedoch nicht erreichen können, können trotzdem weiter Kühe halten. Denn die Initiative bleibt freiwillig“, erklärt Will Meulenbroeks (LTO).
Daneben erhoffen sich die Vertreter der Milchbranche auch einen Wettbewerbsvorteil für die niederländische Branche: „Wir glauben, dass eine flächengebundene Milchkuhhaltung die derzeitige öffentliche Meinung widerspiegelt. Dies kann vorteilhaft gegenüber einem landwirtschaftlichen System sein, das nicht flächengebunden ist, auch im Wettbewerb mit anderen Ländern. Aber es liegt an den einzelnen Molkereiunternehmen, die Wettbewerbsvorteile zu nutzen“, so René van Buitenen (NZO).
Gute Standorte bevorzugt?
Auf den ersten Blick eine Reihe an Vorteilen, doch gerade unter den Milchkuhhaltern gibt es auch kritische Stimmen. Denn mit der Festlegung auf eine Proteingrenze sind gerade die „guten“ Weide-/Grasstandorte im Vorteil, bzw. die Betriebe, die weniger intensiv auf Grasstandorten wirtschaften. Daneben werden Bedenken laut, dass mit Einführung der Futterprotein-Anforderung die Biodiversität (Artenvielfalt) leiden könnte, also nur noch Pflanzen mit hohen Proteinerträgen angebaut werden. Zudem ist in den vergangenen Jahren im Nährstoffmanagement viel von den Milchkuhhaltern abverlangt worden, sodass sie neuerliche Auflagen ablehnen.
Auch an dem Punkt Freiwilligkeit haben einige Milcherzeuger ihre Zweifel. Denn nehmen alle Molkereien die „flächengebundene Milchkuhhaltung“ in ihre Programme auf, ist es mit der Freiwilligkeit und der tatsächlichen Wahlmöglichkeit nicht mehr weit her. Dann muss nach den festgelegten Standards der Molkereien gewirtschaftet werden. Natürlich können sich Milcherzeuger in diesem Fall einen neuen Abnehmer suchen, da aber die Mitgliedsunternehmen des Molkereiverbands NZO der Initiative zugestimmt haben, dürfte die Auswahl an Molkereien ohne die Festlegung auf eine „flächengebundene Milchkuhhaltung“ durchaus dürftig werden. Zudem bleibt die Frage, ob die Initiative freiwillig bleiben kann, wenn die Ziele in 2025 von den Milcherzeugern nicht erfüllt werden.
Um einen besseren Einblick zu bekommen, mit welchen Hürden die Milchkuhhalter durch die Nachhaltigskeitsinitiative zu kämpfen hätten, hat der LTO ein Pilotprojekt in Auftrag gegeben. In Achterhoek (Teil der Provinz Gelderland) hat man sich die Flächenverteilung von insgesamt 25.000ha angeschaut. Das internationale Institut Wageningen Economic Research optimierte (fiktiv) die Zuteilung der Flächen für die Betriebe. Noch sind die Ergebnisse dieses Projekts nicht bekannt. Der LTO deutete jedoch an, dass ein Flächentausch eine mögliche Option sei, um die Ziele der "flächengebundenen Milchkuhhaltung" besser zu erreichen. Natürlich weiß auch der LTO, dass ein Flächentausch ein langwieriger Prozess sein kann.
An der konkreten Umsetzung wird noch gearbeitet
Die endgültige Umsetzung der Ziele der „flächengebundenen Milchkuhhaltung“ sollen Molkereien und Milchkuhhalter gemeinsam übernehmen. Konkrete Vereinbarungen oder Maßnahmen (Umsetzung, Kontrolle, etc.), gibt es laut FrieslandCampina zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht. Der Molkereikonzern beispielsweise hofft bis zum Ende des Jahres mehr zur Ausgestaltung der "flächengebundenen Milchkuhhaltung" sagen zu können.
Derzeit jedenfalls, erreichen laut Will Meulenbroeks, erst ca. 30% der Milchkuhhalter einen Proteinertrag von 65% von ihren eigenen Flächen. „Wir werden unsere Milchkuhhalter in den nächsten Jahren dabei unterstützen, den Proteinertrag weiter zu erhöhen“, hebt Will Meulenbroeks hervor. Gleichzeitig setzt er aber auch auf die Beratung der Futtermittelindustrie.
So will auch ForFarmers seine Kunden durch eine individuelle Beratung bei der „flächengebundenen Milchkuhhaltung“ unterstützen. Hassan Taweel (Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung Rind, ForFarmers): „Das Ziel, 65% Protein von der eigenen Fläche zu produzieren, ist sehr anspruchsvoll, aber nicht unmöglich. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es für uns u.a. zwei Strategien.“
- Mehr Protein von der eigenen Fläche: Erhöhung der Grünlandmenge, Erhöhung des Ertrags/ha, Erhöhung des Proteingehalts und der Futterqualität sowie eine Minimierung der Silierverluste. Eine andere Möglichkeit ist der Anbau proteinreicherer Pflanzen.
- Die Nachfrage nach Protein reduzieren: Durch die Steigerung der Leistung und der Langlebigkeit werden weniger Kühe und Jungvieh für die gleiche Milchmenge benötigt. Dabei müssen natürlich ausgewogene Rationen angeboten werden, damit Milch mit der besten Futterverwertung und dem geringstmöglichen Eiweißeinsatz produziert wird.
Fazit
Die niederländische Milchbranche will nicht mehr Getriebe sein, sondern selbst die Entwicklung vorgeben. Das scheint ihnen mit der Initiative „grondgebonden melkveehouderij“, mit der sie eine flächengebundene Milchkuhhaltung anstrebt, gelungen zu sein. Denn noch im April versicherte die niederländische Landwirtschaftsministerin Carola Schouten, dass sie keinen Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung sieht. Die Weichen sind gestellt, dennoch bleiben noch viele Fragen zur Umsetzung.