Die Milchkontrolle bietet weitaus mehr als nur eine reine Übersicht über die Milchleistung. Milcherzeuger dürfen in Zukunft ausgefeilte Analysen erwarten.
Mehr als 85% der deutschen Milchkühe durchlaufen die Milchleistungsprüfung (MLP). Neben der Leistung und den Milchinhaltsstoffen wird dabei auch die Eutergesundheit (Zellzahlen) überprüft. Doch die Milchkontrolle kann mehr – zumindest in einigen Bundesländern.
Das jedenfalls haben wir auf zahlreichen Betriebsbesuchen immer wieder feststellen können. Deshalb haben wir uns bei den Angeboten und Dienstleistungen der verschiedenen Landeskontrollverbände (LKV) umgeschaut. Dabei haben uns vor allem die Daten interessiert, die nicht zusätzlich erhoben werden müssen (separate Milchproben), sondern die Daten, die automatisch mit der Milchkontrolle, ohne Mehraufwand, mitgeliefert werden:
Die Eutergesundheitskennzahlen (Neuinfektions- und Heilungsrate in der Trockenstehzeit, …) werden flächendeckend angeboten. Allerdings werden diese Daten nicht überall über den (schriftlichen) Monatsbericht, sondern häufig ausschließlich in digitaler Form ausgegeben.
Zur besseren Überprüfung der Stoffwechselstabilität wird auf Anfrage ein Ketosemonitoring(über die Schätzung des Beta-Hydroxy-Butyrat- (BHB) Gehaltes in der Milch) mit der Milchkontrolle angeboten.
Ein „Abo“ für Trächtigkeitstests (PAG-Test) direkt aus der Milchkontrolle kann bei den LKVs in Bayern und in Kürze auch in Niedersachsen gebucht werden.
In Bayern und Schleswig-Holstein können Betriebe bei jeder MLP die Leistungsdaten mit dem elektronischen Messgerät LactoCorder(ohne Mehrkosten) kontrollieren lassen.Dadurch kann z.B. während des Melkens u.a. die Milchflusskurve ermittelt sowie die Reinigung für jeden Melkplatz überwacht werden.
Schwachstellen im Betrieb lassen sich u.a. durch Benchmarks (ein Vergleich der MLP-Daten) aufspüren. Ein Beispiel sind die Betriebsvergleiche aus Baden-Württemberg und Bayern. Hier werden die eigenen Daten mit denen der 25% der Besten, nach Betriebsgröße, nach Produktionsform (öko, konventionell), nach Region und nach Melktechnik dargestellt (Online-Anwendung).
AMS: Angebote variieren
Besonders für Betriebe mit automatischem Melksystem steht die Frage im Raum, inwieweit sich eine regelmäßige MLP lohnt. Denn durch die Sensortechnik sind diese Betriebe in der Lage, täglich nicht nur die Entwicklung der Milchleistung, sondern auch die der Inhaltsstoffe und Leitfähigkeit zu überprüfen. Um sich als spezialisierter Dienstleister für Betriebe mit AMS zu positionieren, haben einige LKVs ihr Angebot hierauf zugeschnitten. Ein Beispiel ist die Bereitstellung der Probenahmegeräte (Shuttle). Diese kosten je nach Fabrikat und Größe zwischen 2.000 und 4.000€. Müssen Milchkuhhalter diese selbst kaufen, werden sie nicht nur durch hohe Kosten, sondern auch durch die Wartung belastet. Der LKV Schleswig-Holstein bietet die Shuttles zu den Probenahmeterminen kostenlos an. Bei anderen LKVs kann die Technik gemietet werden. Weitere Dienstleistungen im Bereich automatisches Melken sind die Analyse der Melkroboterdaten. Demnächst wird bei einigen LKVs der automatische Austausch von LKV-Daten mit den AMS-Herdenmanagement-Programmen angeboten.
Einige LKVs leihen Shuttle (Probenahmegeräte) an AMS-Betriebe aus.
(Bildquelle: Ostermann-Palz)
Gebühren schwanken
Nicht nur die Angebote der Landeskontrollverbände variieren deutlich, auch die Beiträge. Die Finanzierung der Landeskontrollverbände hat sich durch die föderalen Strukturen und verschiedenen Aufgaben der Verbände unterschiedlich entwickelt. Leider war es nicht möglich, die Anteile der Förderung (Bund/Länder) zu vergleichen, denn diese werden nicht öffentlich, sondern in den LKV-Jahresabschlüssen ausgewiesen. Zumindest für ihr eigenes Bundesland können LKV-Mitglieder die Fördersumme und -verwendung dort erfahren.
Je nach Höhe der Zuschüsse variieren die Umlagen, die von den Milchkuhhaltern getragen werden müssen. So verlangen einige Landeskontrollverbände keine Jahresbeiträge (z.B. Sachsen-Anhalt, Sachsen, Thüringen, Schleswig-Holstein, …) wohingegen die Milchkuhalter in Baden-Württemberg 182€ oder in NRW 120€ pro Jahr bezahlen. Ähnlich wie die Jahresbeiträge variieren jedoch auch das Angebot an Prüfverfahren/-intervallen und letztlich die Gebühren für die einzelnen Milchkontrollen. So schwanken diese pro Kuh und Jahr (A4-Prüfverfahren) zwischen ca. 22 und 40€. Auch die Gebühren für AMS-Betriebe zeigen sich nicht einheitlich. In einigen Bundesländern gilt eine niedrigere Gebühr, in anderen wird wiederum kein Unterschied zwischen den Melksystemen gemacht.
Landeskontrollverbände SÜD
Für die Zukunft
Neben den Zusatzleistungen, die die LKVs anbieten, ist es auch interessant zu sehen, in welche Richtung sich die Milchkontrolle in den nächsten Jahren entwickelt. Folgende Projekte verfolgt derzeit der DLQ bzw. die Rechenzentren (vit, RDV), die den Mitgliedern in den nächsten Jahren zugutekommen sollen:
Über Milchfettsäuremuster kann das Fütterungscontrolling weiter verfeinert werden.
Bessere Anpassung der Milchkontrolle an die Bedürfnisse des Herdenmanagements. Ein Beispiel: Eine wöchentliche Kontrolle in der Frühlaktation, mit gleichzeitigem Ketosemonitoring, könnte die tatsächliche Stoffwechsellage der Kühe besser abbilden.
Mit der Mittel-Infrarot-Spektroskopie (MIR) lassen sich künftig weitere Informationen aus der Milch ablesen, die in die Milchkontrolle eingebaut werden könnten. Dazu gehören z.B. die Methanemission und Energiebilanz einer Kuh.
Probenflaschen sollen standardmäßig eine Einzelcodierung (RFID) erhalten (in Bayern/Schleswig-Holstein bereits Einzelcodierung über Barcode). Damit soll nicht nur die Kopplung zwischen Kuh und Probeflasche schneller erfolgen, es lassen sich auch einfacher Flaschen für Sonderuntersuchungen (z.B. Trächtigkeit) aussteuern.
Landeskontrollverbände Nord
Kommentar: Da geht noch was!
Durch die föderalen Strukturen konnten sich die LKVs ein Stück weit an die Bedürfnisse der Milchkuhbetriebe anpassen. So sind viele Milcherzeuger zufrieden mit „ihrem” LKV. Dennoch müssen sie sich die Frage gefallen lassen, warum ihre Angebote bzw. deren Ausführung sich zum Teil so deutlich unterscheiden. Ein Grund ist sicherlich ihre finanzielle Ausstattung, die je nach Bundesland deutlich schwankt. Trotzdem kann die unterschiedliche Qualität der Angebote nicht allein auf die öffentlichen Zuschüsse zurückgeführt werden. Denn wer sich darauf ausruht, macht es sich zu leicht: Bei einem Selbstverständnis als „Dienstleister der Landwirte“ verwundert es dann doch, dass manche Monatsberichte viel verständlicher aufgemacht sind als andere, wichtige Kennzahlen mancherorts nur sehr kompliziert digital verfügbar sind (obwohl immer noch einige Milcherzeuger am liebsten mit Papier arbeiten) oder bestimmte Analysemöglichkeiten noch längst nicht in jedem Bundesland vorhanden sind. Daneben müssen einige LKVs die Aufbereitung von Daten viel stärker vorantreiben. Ansonsten könnte die Bedeutung der MLP für die Milchkuhhalter weiter schrumpfen.
Damit Sie die Möglichkeit haben, einen Überblick zu bekommen, was im Rahmen der MLP möglich wäre, haben wir in diesem Artikel viele positive Beispiele zusammengestellt. Wenn Sie eines dieser Angebote interessiert, fragen Sie doch einfach mal bei Ihrem LKV kritisch nach. Denn die LKVs gehören nach wie vor den Milchkuhhaltern!
Landeskontrollverbände Ost
„Das war nicht die letzte Fusion“ (Interview Dr. Jens Baltissen, Bundesverband Rind und Schwein e. V.
(BRS)
Elite Warum unterscheiden sich die Angebote so?
Baltissen: Betriebsgrößen und -strukturen (Familienbetrieb, Agrargenossenschaft, …) unterscheiden sich innerhalb Deutschlands. Da haben sich die Kontrollverbände differenziert entwickelt. Außerdem haben die Bundesländer spezifische Vorgaben und es macht einen Unterschied, ob es vor Ort z. B. Landwirtschaftskammern gibt. Diese Strukturen lassen sich nicht gut vereinheitlichen. Teure Entwicklungen (z. B. Apps über die Datenverarbeitungsverbünde vit und RDV) und viele Forschungsprojekte gehen die LKVs aber gemeinsam an.
Elite: Wieso sind die Berichte nicht einheitlich?
Baltissen: Ein LKV, dessen wenige Mitglieder überwiegend mit Herdenmanagement-Programmen arbeiten, hat den Monatsbericht in Papierform abgeschafft, ein anderer bietet den Bericht weiter schriftlich an. Design und Inhalt sind aber immer wieder Thema verschiedener gemeinsamer Arbeitsgruppen.
Elite: Wie sieht die Zukunft der LKVs aus?
Baltissen: Durch den Strukturwandel sind die LKVs gefordert, sich innerhalb, oder auch über die Organisationen hinweg, weiterzuentwickeln. Ob wir in Deutschland nur noch eine große Organisation haben werden, die sich um alle Bereiche kümmert, kann ich nicht abschätzen. Die jüngsten Zusammenschlüsse in Mecklenburg-Vorpommern und in Hessen/Thüringen waren sicher nicht die letzten! Die Herausforderung wird sein, die Kosten im Griff zu behalten. Letztlich sind die Verbände bäuerlich geführt, die Landwirte entscheiden also selbst über die Beiträge. Und weil neue Technik mehr Daten liefert, liegt für mich die Zukunft darin, dem Landwirt zusätzlich zur Milchkontrolle den Umgang, die Verknüpfung und die Auswertung der Daten als Dienstleister anzubieten.
Struktur der LKVs
Die Kontrollverbände sind förderal organisiert, wodurch die Förderung der Bundesländer unterschiedlich ausfällt. In Bayern (Landeskuratorium) und Baden-W. sind die Aufgaben der Leistungs- und Qualitätsprüfung zwischen LKV und Milchprüfring (betreiben die Labore) aufgeteilt. Die LKVs sind (bis auf Mecklenburg-V. als eG) eingetragene Vereine (e.V.) und als Selbsthilfeorganisationen der Landwirte nicht profitorientiert. Zwar fordert das Tierzuchtgesetz die Durchführung von Leistungsprüfungen, womit die Zuchtverbände/Bundesländer (BY, BW) die LKVs beauftragen. Neben den Zuchtdaten sind aber v.a. die anfallenden Managementinformationen wichtig. Alle Verbände bis auf Bayern sind Mitglied im Bundesverband Rind und Schwein (BRS), der sich als Dachverband der Kontrollverbände aufstellt. Für Forschungsprojekte haben sich einige LKVs zudem im DLQ (Deutscher Verband für Leistungs-und Qualitätsprüfungen e.V.; auch Bayern) bzw. im FBF (Förderverein Bioökonomieforschung e.V.) zusammengefunden.