Edeka sitzt seit fünf Jahren bei der Genossenschaftsmolkerei Allgäu Milch Käse eG in Kimratshofen mit im Boot. Diktiert der Lebensmittelkonzern nun die Erzeugerpreise und die Haltungskriterien?
Vor fünf Jahren sorgte die Nachricht in der Milchbranche mächtig für Schlagzeilen: Als einer der ersten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland stieg Edeka bei einer Molkerei ein und zeichnete sogar Genossenschaftsanteile. Der Konzern beteiligte sich damals mit einem zinslosen Darlehen am Bau einer neuen Quarkerei der Allgäu Milch Käse eG in Kimratshofen.
Der Aufschrei war damals groß, viele Brancheninsider befürchteten durch eine solche „vertikale Integration“ seitens des...
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Vor fünf Jahren sorgte die Nachricht in der Milchbranche mächtig für Schlagzeilen: Als einer der ersten Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland stieg Edeka bei einer Molkerei ein und zeichnete sogar Genossenschaftsanteile. Der Konzern beteiligte sich damals mit einem zinslosen Darlehen am Bau einer neuen Quarkerei der Allgäu Milch Käse eG in Kimratshofen.
Der Aufschrei war damals groß, viele Brancheninsider befürchteten durch eine solche „vertikale Integration“ seitens des LEH eine weiter steigende Abhängigkeit der Molkereien vom Handel und einen noch größeren Preisdruck auf die Erzeuger. Selbst wenn der Markt drehe und zu wenig Milch da sei, verschlechtere sich dadurch die Verhandlungsposition der Bauern. Kritiker befürchteten außerdem, dass der LEH dadurch die Produktionsstandards auf Erzeugerebene und ohne viel Aufhebens weiter in die Höhe treiben könnte.
Elite fragt nach fünf Jahren bei der Allgäu Milch Käse eG nach: Was hat die Kooperation bisher den Bauern gebracht und wie groß ist die Abhängigkeit?
Hubert Dennenmoser
Geschäftsführer
Kimratshofen
Elite: Herr Dennenmoser, welches Fazit ziehen Sie als Geschäftsführer für Ihre Molkerei fünf Jahre nachdem Edeka bei Ihnen eingestiegen ist?
Hubert Dennenmoser: Die Kooperation mit Edeka hat sich bewährt, weil wir damit einen festen Abnehmer für 80 % unserer Produktionsmenge an Quark haben. Als wir die Vereinbarung getroffen haben, hatten wir zu viel Milch und waren damals froh, sie im Markt unterzubringen. Mit dieser Absatzgarantie ist gleichzeitig eine Preisabsicherung verbunden, die wir schätzen und die auch für Edeka damals ein Novum war. Unsere Bauern spüren das durch geringere Schwankungen beim Milchpreis.
Edeka hat mit unserer Kooperation erstmals eine Verantwortung für den Milchpreis übernommen.“
Dennenmoser: Edeka hat uns vor fünf Jahren für die Investition von rund 10 Mio. € in eine neue Quarkerei für 8 Mio. € ein zinsloses Darlehen gewährt, 2 Mio. € kamen von uns. Seitdem ist Edeka bei Quark fast unser ausschließlicher Abnehmer. Dabei handelt es sich um die Edeka-Handelsmarke. Dieser Teil macht aber nur ca. 14 % unserer Produktionsmenge und 11 bis 12 % vom Umsatz aus. Das gibt unserem Unternehmen eine gewisse Sicherheit, aber gleichzeitig können wir beim Rest immer noch selbst entscheiden, wen wir mit unseren Produkten bedienen. Ich würde mich nie komplett an einen Händler verkaufen. Wir sind mit allen im Gespräch und kein Kunde nimmt bei uns mehr als 20 % vom Umsatz ein, darauf achte ich penibel.
Wir sind mit verschiedenen Partnern vielseitig aufgestellt und von niemandem abhängig.
Hubert Dennenmoser
Elite: Umliegende regionale Händler haben Ihre Kooperation mit Edeka nicht so gern gesehen…
Dennenmoser: Ja, wir haben hier in der Region dadurch ca. 3 % Absatz verloren und die Menge bis heute nicht mehr wiedergewonnen. Das hat mich schon geärgert. Aber unser Weg der Partnerschaften hat sich für uns bewährt und es wird auch in Zukunft für viele in der Branche nicht ohne Partnerschaften gehen. So arbeiten wir z.B. schon seit langem mit der Bayernland-Tochter Herz GmbH beim Thema Verpackung erfolgreich zusammen oder liefern z.B. Milch an die Hawanger Käsegenuss GmbH, die zu 50 % der Schweizer Käserei Züger gehört.
Elite: Mittlerweile hat sich der Markt gedreht: Es fehlt Milch und die Molkereien sitzen gegenüber dem LEH vielfach am längeren Hebel. Mit Edeka im Boot dürften Sie eine deutlich schlechtere Verhandlungsposition haben als andere Molkereien, oder?
Dennenmoser: Ich glaube nicht, dass wir durch die Kooperation weniger Verhandlungsspielraum haben. Wir verfolgen mit Edeka beim Milchpreis eine klare, transparente Kalkulation, die sich nach dem Modell der AMI richtet und an die Auszahlungsleistung der umliegenden privaten Molkereien gekoppelt ist. Der Milchpreis wird alle sechs Monate neu angepasst. Von diesem Vertragsmodell profitiert bei der aktuellen Marktlage Edeka natürlich deutlich mehr als wir, weil sie den Preis nicht so schnell gemäß der tatsächlichen Marktlage nach oben anpassen muss. Sinken die Preise profitieren dagegen wir. Auf lange Sicht gesehen zahlt sich das Modell für die Erzeuger aus, da bin ich überzeugt.
Die Nebenkosten, die in unseren Edeka-Verträgen vor fünf Jahren verhandelt wurden, passen angesichts der Inflation nicht mehr in die Realität.
Hubert Dennenmoser
Elite: Wünschen Sie sich für zeitnahe Preisanpassungen nicht mehr Flexibilität?
Dennenmoser: Ja schon, denn manche Vertragskonditionen, die bereits vor rund sieben Jahren festgelegt wurden, passen unter den aktuellen Marktbedingungen nicht mehr ins Bild. Die Abgeltung unserer Nebenkosten, wie z.B. Laborkosten, sind darin zu starr formuliert, sie tragen den aktuellen Preissteigerungen überhaupt nicht Rechnung! Aktuell haben wir kaum Möglichkeiten zu reagieren, außer die internen Kosten zu senken und die Ausbeute zu erhöhen. Hier benötigen wir als Molkerei unbedingt mehr Flexibilität!
Im Juni 2022 zahlte die Allgäu Milch Käse ihren konventionellen Bauern 52 ct/kg bei 4,2 % Fett aus. Die Biobetriebe werden mittelfristig bei 60 ct landen.
Elite: Als Genossenschaftsmitglied erhält Edeka tiefe Einblicke in die Zahlen des Unternehmens. Schwächt das Ihre Verhandlungsposition?
Dennenmoser: Edeka hat nur einen Genossenschafts-Anteil gezeichnet. Aus meiner Sicht war das damals nur ein symbolischer Akt und bringt Edeka keinerlei Vorteile. Unsere Mitgliedslandwirte haben viel mehr Anteile gezeichnet. Ich glaube nicht, dass sich unsere Verhandlungsposition durch die Kooperation mit Edeka überhaupt verändert hat.
Elite: Wie muss man sich Milchpreisverhandlungen mit Edeka am Tisch vorstellen?
Dennenmoser: In der Regel sitzen wir nicht zusammen, sondern wir als Allgäu Milch Käse kalkulieren den Preis vor und Edeka kalkuliert ihn nach. Das ist ein eingespielter Prozess.
Wir haben angesichts der Kaufzurückhaltung und der angespannten Rohstoffmengen das Thema Haltungsform-Milch ausgesetzt.
Hubert Dennenmoser
Elite: Sie produzieren nicht nur für Handelsmarken sondern auch Premiumprodukte mit z.B. Heumilch. Merken Sie aktuell bereits die Kaufzurückhaltung der Kunden?
Dennenmoser: Ja, bei Spezialitäten z.B. bei Heumilchprodukten aus unserer Käsemanufaktur spüren wir bereits einen Rückgang. Hier zahlen im Moment die konventionellen Milchbauern die Preise mit. Wir haben angesichts der Kaufzurückhaltung und der angespannten Mengen auch das Thema Haltungsform-Milch ausgesetzt. Der Handel hat das akzeptiert und versteht auch, dass wir aktuell alles tun müssen, um die Milchproduktion zu erhalten. Aktuell sind wir noch gut ausgelastet , aber wir haben hier bei konventionellen Milchbauern einen jährlichen Strukturwandel von 5 %, bei Biobauern beträgt er 2 bis 3 %. Ich rechne damit, dass wir mittelfristig deshalb einzelne Kundensegmente abgeben müssen.
Elite: Kritiker befürchteten, dass der LEH bei einer engen Kooperation mit Molkereien schnell höhere Produktionsstandards auf Erzeugerebene durchdrückt.
Dennenmoser: Das geben unsere Verträge mit Edeka gar nicht her. Edeka hat in den Verträgen ein so genanntes Spezifikationsrecht und kann Vorgaben zur Liefermenge und Produktqualität machen. Edeka will von uns nur ein handelsübliches Produkt. Das Thema Produktionsstandards auf den Höfen war nie ein Thema. Allerdings sind wir mit Edeka ständig über Neuprodukte im Gespräch.
Elite: Das heißt, Sie sind damit für Edeka eigentlich ein austauschbarer Partner?
Dennenmoser: Was die Quarkmenge angeht, sicher nicht. Für uns ist das Unternehmen ein loyaler und toleranter Partner.
Am Molkereistandort entsteht derzeit in Kooperation mit der Herz GmbH eine neue Versand- und Lagerhalle.
(Bildquelle: Lehnert)
Elite: Was sind Ihre nächsten Pläne?
Dennenmoser: Wir wollen ein Stück weit eigenständiger werden und bauen gerade für 20 Mio. € eine eigene Halle für Verpackung und Versand. Ein großes Thema ist natürlich unsere Abhängigkeit vom Gas, das wir aktuell durch eine Kraft-Wärme-Kopplung selbst verstromen.
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