Ein neues Verfahren soll es ermöglichen, den somatischen Zellzahlgehalt aller Einzelkühe anhand einer einzigen Milchprobe zu bestimmen. Angeboten wird das Verfahren ab dem 1. September 2021 von der GenoCell GmbH für Milcherzeuger in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Elite sprach darüber mit Geschäftsführer Dr. Markus Albrecht.
Wie funktioniert die Zellzahlbestimmung mit dem GenoCell-Verfahren?
Albrecht: Somatische Zellzahlen einer Kuh...
Ein neues Verfahren soll es ermöglichen, den somatischen Zellzahlgehalt aller Einzelkühe anhand einer einzigen Milchprobe zu bestimmen. Angeboten wird das Verfahren ab dem 1. September 2021 von der GenoCell GmbH für Milcherzeuger in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Elite sprach darüber mit Geschäftsführer Dr. Markus Albrecht.
Wie funktioniert die Zellzahlbestimmung mit dem GenoCell-Verfahren?
Albrecht: Somatische Zellzahlen einer Kuh beinhalten den kompletten genomischen Satz des Tiers. Anders als bei Keimen oder Fetteiweiß kann man Kühe anhand dieser genetischen Information eindeutig identifizieren. Damit hat jede Kuh ihren genomischen Fingerabdruck in der Tankmilch. Für die Analyse zieht der Milcherzeuger selbstständig eine Probe aus der gutgemischten Tankmilch und schickt diese per Post ins Labor. Dort analysieren wir kurze definierte Genomsequenzen, gleichen diese mit den vorhandenen genomischen Informationen der Tiere ab und ordnen sie den Einzelkühen in der Herde zu.
Aus nur einem Tropfen Tankmilch soll das neues Analyseverfahren GenoCell die individuellen Zellgehalte aller Kühe in der Herde bestimmen können. Wie funktioniert das?
Welche Daten erhält der Milcherzeuger?
Albrecht: Der Milcherzeuger erhält die Daten ganz normal über den elektronischen Bericht des LKV, bzw. direkt via EMail innerhalb einer Woche nach dem Einschicken. Milcherzeuger können dabei zwischen zwei Angeboten wählen. Ist eine Milchmengenmessung vorhanden, können zusätzlich zur normalen MLP über die Sammelmilchprobe die somatischen Zellgehalte von einzelnen Kühen bestimmt werden. Dafür wird der Anteil der DNA-Menge der Einzelkuh an der Gesamt-DNA in der Milchprobe mit ihrer gemolkenen Milchmenge umgerechnet. Daraus ergibt sich ihr somatische Zellgehalt.
Bei Auffälligkeiten werden weitere Einzeltiere zusätzlich bakteriologisch untersucht. Ist keine Milchmengenmessung vorhanden, können Milcherzeuger alternativ ein Ranking der Einzeltiere bekommen. Dort sind dann keine absoluten Zahlen angegeben, aber z. B. die 20 Kühe mit den höchsten Zellgehalten in der Herde. Beide Optionen schließen eine Vorab-Beratung mit einem LKV-Berater ein.
Welche Voraussetzungen muss ein Betrieb dafür mitbringen?
Albrecht: Soll das GenoCell-Verfahren genutzt werden, müssen 100% der melkenden Kühe auf dem Betrieb genotypisiert sein, auch die alten Kühe! Die genomischen Daten kann GenoCell automatisch bei den Rechenzentren in Verden und Grub abgerufen werden, dafür reicht eine Einverständniserklärung des Milcherzeugers. Werden nicht-typisierte Kühe in den Tank gemolken, können die Zellzahlen nicht sauber zugeordnet werden. Außerdem ist es für die genaue Zellzahlbestimmung wichtig, die genauen Milchmengen zu erfassen. Sonst ergibt es beim Umrechnen der Zellzahlen ebenfalls zu genauen Ergebnisse.
Eignet sich das Verfahren für jeden Betrieb?
Albrecht: Aktuell können bis zu 400 Kühe in einer Sammelmilchprobe unterschieden werden. Das heißt, alle Betriebe mit Herdengrößen bis 400 können das Analyseverfahren nutzen. Ideal sind Herdengrößen mit bis zu 200 Kühen. Diese Zahl wird von der Größe der Marker-Chips begrenzt. Sobald es entsprechend größere und erschwinglichere Chips gibt, werden auch Analysen bei größeren Herden machbar sein.
Ist das Verfahren deutschlandweit verfügbar?
Albrecht: Ab dem 1. September bieten wir vorerst nur Milchkuhbetrieben in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg diese Untersuchung an. Die Milcherzeuger erhalten die Ergebnisse dann über die elektronischen Berichte ihrer Landeskontrollverbände. Mittelfristig wollen wir das Angebot für alle Milcherzeuger in Deutschland anbieten, wo immer möglich mit Partnerorganisationen. In Bayern läuft derzeit bereits ein Pilotprojekt, in dem das Verfahren und die Zusammenarbeit geprüft wird.
Welche Kosten sind mit der Methode für dem Milcherzeuger verbunden?
Albrecht: Die Kosten hängen sehr stark von der Betriebsstruktur ab. Berechnet wird ein Grundbetrag pro Betrieb und Jahr zuzüglich eines Grundbetrags pro Kuh. Zusätzliche Kosten können entstehen, wenn der Milcherzeuger die alten Kühe der Herde nachtypisiert werden müssen. Dafür können Milcherzeuger teilweise günstige Angebote in den einzelnen Zuchtprogrammen nutzen. Außerdem muss eventuell noch eine Schnittstelle zur Milchmengenmessung nachgerüstet werden. Denn nicht bei jedem Roboter funktioniert die Datenweitergabe der Milchmengen.
Was sind weitere Vorteile des Verfahrens?
Albrecht: Neben der Zellzahlbestimmung werden sich in Zukunft auch auch Mastitiserreger mit dem Verfahren bestimmen lassen, z. B. Strep. uberis oder auch Mykoplasmen. Dann könnten den Landwirten auch ein Erreger-Screening angeboten werden, die bisher gemeinsam mit dem Tierarzt über PCR-Tests laufen. Wir rechnen damit, dass wir das bereits im nächsten Jahr anbieten können und mittelfristig auch mehrere Mastitiserreger parallel nachweisen können. Das könnte zum Beispiel im Tierseuchenbereich das Screening erleichtern.
Vielen Dank für das Gespräch!
Belgisch-französisches Erfolgsrezept
Das Verfahren für die individuelle Zellgehaltbestimmung in der Tankmilch, das für GenCell verwendet wird, haben Wissenschaftler an der Universität in Liège in Belgien entwickelt. Ein französischer Partner vermarktet die Patentrechte in Europa. Pro Land wird jeweils nur ein Patentrecht vergeben.
In Frankreich nutzen ca. 400 Milchkuhbetriebe das Verfahren als Routineverfahren für die Zellzahlbestimmung. In Deutschland hat die GenoCell GmbH diese Patentrechte erworben, die von den Landeskontrollverbänden Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sowie dem Milchwirtschaftlichen Verein Baden-Württemberg bewirtschaftet wird. Neben Deutschland soll das Verfahren auch bald in Großbritannien an den Start gehen.