Die Covid-19-Pandemie hat die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Versorgungsketten, Verbrauchsmustern und globalen Grenzen sehr deutlich vor Augen geführt: Internationale Lieferketten brachen zusammen, Rohstoffe und Ersatzteile wurden knapp, die Verbraucher waren zu Hause und kochten wieder vermehrt selbst. Auf einmal waren regionale Produkte heiß begehrt. Wenn es um die Produktion, den Vertrieb und den Verbrauch von Lebensmitteln geht, ist "business as usual" keine Option mehr.
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Die Covid-19-Pandemie hat die Zusammenhänge zwischen Gesundheit, Versorgungsketten, Verbrauchsmustern und globalen Grenzen sehr deutlich vor Augen geführt: Internationale Lieferketten brachen zusammen, Rohstoffe und Ersatzteile wurden knapp, die Verbraucher waren zu Hause und kochten wieder vermehrt selbst. Auf einmal waren regionale Produkte heiß begehrt. Wenn es um die Produktion, den Vertrieb und den Verbrauch von Lebensmitteln geht, ist "business as usual" keine Option mehr.
Nicht nur die Ansprüche der Konsumenten in der westlichen Welt verändern die Branche. Auch der Klimawandel und eine wachsende Zahl hungernder Menschen verändern die Produktionsbedingungen für Milch.
Mehr Milch, weniger Kühe
Eine Aussicht, wie sich der globale Milchmarkt verändern könnte, lieferte Torsten Hemme vom Internationalen Forschungszentrum für Milchproduktion in Kiel (IFCN). Er geht davon aus, dass sich der internationale Milchmarkt, das Bevölkerungswachstum und die Nachfrage nach Milchprodukten rasant entwickeln werden.
Bleibt die Entwicklung wie bisher, wird die Milchleistung pro Kuh bis 2030 weiter steigen, aber die Anzahl der Tiere weltweit weiter zurückgehen. Durch die Leistungssteigerungen steigen die produzierten Milchmengen weiter an. Einen deutlichen Rückgang könnte es allerdings bei der Anzahl der Milchkuhbetriebe geben. Die Zahl der Milcherzeuger wird sich voraussichtlich in den kommenden Jahren von weltweit 117 Millionen (2017) um ca. zehn Millionen verringern.
Auch die Nachfrage entwickelt sich weiter positiv und könnte bis 2030 im Vergleich zu 2020 um 21 % zulegen, prognostiziert Chefanalyst Hemme. Während die letzten zehn Jahre von einem stabilen Nachfrageverhalten bei Milchprodukten geprägt war, sind zukünftig je nach Wirtschaftslage und Entwicklung der Verbraucherpräferenzen auch andere Szenarien möglich:
- Reich und wählerisch: Es gibt Geld genug, aber deutlich weniger Menschen, die Milch trinken möchten, sodass der Verbrauch zurückgeht.
- Begrenztes Einkommen: Das Geld fehlt, um eigentlich gewünschte Milchprodukte zu kaufen.
- Rückgang der Wirtschaft: Weder Geld noch Milchprodukte sind ausreichend vorhanden.
Für den Export sind die Aussichten für europäische Milcherzeuger gut: Westeuropa, Nordamerika und Ozeanien werden auch bis 2030 Netto-Exporteure bleiben. Die Milchimporte werden vor allem weiter auf China, Südostasien und Afrika entfallen (Übersicht 1). Die Schätzungen des Kieler Instituts gehen zudem davon aus, dass die Nettoexportmengen zukünftig in den USA, der EU und aus Russland wachsen werden. In Australien und Neuseeland ist das maximal mögliche Exportvolumen demnach bereits erreicht (Übersicht 2).
Was die Prognosen noch beeinflussen kann, ist neben verschiedenen Klimaszenarien vor allem die EU-Politik, ist sich Hemme sicher. Der Druck auf die europäischen Milcherzeuger ist bereits jetzt sehr hoch. Aktuell machen 84 % (der 30 typischen Betriebe der EU 27 aus dem Betriebsnetz des IFCN) Verluste, erreichen keine Vollkostendeckung.
Als Folge erwartet der Analyst, dass in der EU weniger Milch produziert werden wird, die Frage ist lediglich, ab wann und wie viel weniger. Kalkuliert man nur mit einer um 1 % niedrigeren Produktionsmenge in der EU, fallen nahezu alle Exporte aus der EU weg. In diesem Zusammenhang ist auch die weitere Entwicklung in Neuseeland nicht klar, da auch dort der politische Druck auf die Milchkuhbetriebe wächst.
Unsichere Preisprognosen
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch Lee Ann Jackson von der Agrofood Trade and Markets (OECD). Ihre Prognosen gehen davon aus, dass die Wachstumsrate der Milchproduktion höher ausfallen wird als bei anderen wichtigen Agrarerzeugnissen.
Während die Milchproduktion in der EU wegen einer Politik der nachhaltigen Produktion (mehr Bio, weniger Kühe, weniger Leistung) langsamer wachsen wird als der globale Durchschnitt, könnte besonders in Indien und Pakistan die Produktion ansteigen. Bis 2030 könnte 30 % der weltweit produzierten Milch aus diesen Ländern kommen.
Die internationalen Milchpreise bleiben weiter stark volatil“
Lee Ann Jackson, Agrofood Trade and Markets (OECD)
Die internationalen Milchpreise werden weiterhin stark volatil bleiben. Dies ist auf den geringen Handelsanteil von nur ca. 7 % an der Weltmilchproduktion, die Dominanz einiger weniger Exporteure und Importeure und ein restriktives handelspolitisches Umfeld zurückzuführen. Die meisten Inlandsmärkte sind nur lose mit diesen Preisen verbunden, da der Verbrauch von frischen Milcherzeugnissen dominiert und nur ein kleiner Teil der Milch zu fermentierter oder pasteurisierter Milch verarbeitet wird.
Die Unsicherheiten der Preisprojektion liegen vor allem im Politikeinfluss. Aktuelle politische Rahmenbedingungen können sich schnell verändern, z. B. durch neue Handelsabkommen zwischen Staaten. Vor allem die zukünftige Politik wird hinsichtlich der Maßnahmen gegen den Klimawandel einen großen Einfluss auf den Milchmarkt haben, ebenso wie Veränderungen bei den Ernährungsmustern der Verbraucher.
Wer bezahlt die Klimamaßnahmen?
Trotz der veränderten Ernährungsgewohnheiten in der westlichen Welt sei Milch ein modernes „Superfood“, ist Peder Tuborgh (CEO, Arla Foods) überzeugt. Da die Milchproduktion aber für 80 % der Emissionen in der Milchkette verantwortlich sei, müsse die Branche die Verantwortung für die Zukunft übernehmen. „Die Milchwirtschaft muss Teil der Lösung des Klimawandels sein“, so Tuborgh. Die Milchverarbeiter müssen aktiv werden und jeden einzelnen Milchproduzenten auf dem Weg zur Klimaneutralität unterstützen. Ansätze gibt es dafür bereits, doch noch keine Lösung, wie diese Maßnahmen finanziert werden sollen. Für eine nachhaltige Lösung brauche es noch viel Forschung und Innovation.
Die Milchwirtschaft ist Teil der Lösung des Klimawandels“
Philippe Palazzi, CEO Lactalis
Auch für den französischen Molkereiriesen Lactalis ist klar, dass die Milchwirtschaft nur Teil der Lösung sein kann, wie Philippe Palazzi, CEO, ausführte. Aber auch hier bleibt die Frage nach der Finanzierung dieser Anstrengungen ungeklärt. Gleiches berichteten auch die Vertreter der Dairy Farmers of America (DFA).
Wesentlich optimistischer äußerte sich Jeffrey Minfang Lu (CEO Mengniu Dairy) aus China. Der chinesische Milchmarkt entwickele und wachse viel schneller als der Rest. In China gibt es nicht mehrere Hundert Jahre Traditionen mit Milch. Die gesamte Entwicklung hat in den letzten 20 Jahren stattgefunden, erklärte er. Der Durst nach Milch sei ungebrochen und bliebe groß, weil sich die Mittelklasse zunehmend etabliert und weiter wächst.
Der Durst nach Milch der wachsenden Mittelklasse Chinas ist ungebrochen“
Jeffrey Minfang Lu, CEO Mengniu Dairy
Zudem habe die chinesische Bevölkerung ein großes Vertrauen in Milchprodukte im Zusammenhang mit einer gesunden Ernährung. China sei zudem sehr innovativ dabei, mehr Milch zu erzeugen. So werden dort zum Beispiel Wüsten in produktive Landflächen verwandelt, um die steigende Nachfrage bedienen zu können. Außerdem ist man in China überzeugt davon, dass der Weg zu einem geringeren Treibhausgasausstoß keine zehn Jahre dauern wird, sondern in der Hälfte der Zeit zu schaffen ist.