Elite: Ihr nennt euch das „Butzelmann-Syndikat“. Woher kommt denn dieser kuriose Name?
Jörg Rolfes: Ja, normalerweise nennt sich ein Syndikat nach der gemeinsam gekauften Kuh, zum Beispiel ein „Anita-Syndikat“. Bei uns war die Zucht aber von Anfang an nur ein Aspekt neben gemeinsamen Unternehmungen, unserer Freundschaft, etc. Deswegen wollten wir einen unabhängigen Namen. Der stammt übrigens von einem feuchtfröhlichen Abend… ich gehe da nicht weiter drauf ein! (lacht)
Elite: Ihr seid zu neunt. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Jörg Rolfes: Letztlich waren wir Lehrlinge bei dem bekannten Züchter Thomas Wiethege, Bekannte oder Klassenkameraden in der Berufsschule. Auf Partys haben wir uns immer super verstanden. Und dann haben wir alle 2014 auf der Hofauktion bei Wietheges geholfen und kurzentschlossen unser erstes Rind gekauft: WIT Anita, eine Label-Tochter aus WIT A-Klasse, der DHV-Schau-Siegerkuh. Ganz spontan!
Elite: Und dann – eine Kuh kann ja schlecht in neun Ställen stehen?!
Jörg Rolfes: Anita ist einfach erst einmal zu mir gezogen. Wir haben sie dann gespült, da natürlich jeder Embryonen aus ihr haben möchte. Doch es gibt weder eine Garantie, dass wir genügend Embryonen bekommen, noch, dass am Ende auch wirklich Kälber dabei rauskommen. Wir wollten keine Missgunst – deswegen haben wir von Anfang an entschieden, dass nicht die Zahl der Embryonen zählt, sondern, dass am Ende jeder ein Kuhkalb aus unseren gemeinsamen Tieren im Stall stehen hat. Das ist ja letztlich unser Ziel: Durch gemeinsame finanzielle Anstrengung Genetik in die Herde zu bekommen, die man sich als Berufseinsteiger alleine niemals leisten könnte!
Elite: Demnach konntet ihr neben Anita noch weitere Tiere kaufen?
Jörg Rolfes: Genau, Anita hat glücklicherweise gut gespült, sodass wir auch einige Embryonen verkaufen konnten und das Geld rasch zurückverdient hatten. Riesige Gewinne müssen wir nicht fahren, aber Plus-Minus Null sollte mindestens dabei herauskommen, wir sind schließlich Unternehmer. Gemeinsam haben wir dann noch in Diamondback Locket investiert, sie stammt aus der Roxy-Familie und hat uns bereits einige Töchter beschert, von denen noch zwei in unserem Besitz sind: eine Apple Crisp und eine Ammo mit Rotfaktor.
Unser Ziel ist, durch gemeinsame finanzielle Anstrengung Genetik in die Herde zu bekommen, die man sich als Berufseinsteiger alleine niemals leisten könnte!
Jörg Rolfes, Butzelmann-Syndikat
Elite: Kühe kosten neben dem Kaufpreis auch Unterhalt. Wie habt ihr das geregelt?
Jörg Rolfes: Darüber mussten wir tatsächlich ein wenig diskutieren. Wir stammen aus dem Sauerland, dem Bergischen, der Eifel oder dem Münsterland, arbeiten in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern; nicht alle haben einen eigenen Betrieb, sondern studieren, arbeiten als Futtermittelberater oder bei einem Zuchtunternehmen. Die Bedingungen, auch die Kostensituation, unterscheiden sich einzelbetrieblich sehr. Deswegen haben wir eine GbR gegründet und uns Regeln gegeben: Für Tiere, die nicht in Milch sind, zahlt das Syndikat dem jeweiligen Betrieb 2,50 Euro pro Tag, auch Besamungs- und Tierarztkosten werden übernommen. Sobald eine Kuh gemolken wird, fällt das Futtergeld weg. Für die laufenden Kosten zahlt jeder 15 Euro pro Monat auf unser gemeinsames Konto ein; die Arbeit, z.B. die Vorbereitung auf Schauen, teilen wir untereinander auf.
Elite: Wie entscheidet ihr, wo die Kühe stehen?
Jörg Rolfes: Die Aufzucht potenzieller Deckbullen bezahlt das Syndikat, Kuhkälber werden der Reihe nach verteilt. Und für unsere Kühe suchen wir immer den Betrieb, der sich für die jeweilige Lebensphase (Bedingungen zum Spülen, langes Trockenstehen auf der Weide, …) am besten eignet. Das ist nicht optimal in Sachen Biosicherheit, aber so können wir uns gut nach den Bedürfnissen der Tiere richten – das sind schon kleines Diven, aber diese Kühe dürfen sich auch ein bisschen was rausnehmen.
Elite: Wie organisiert ihr euch?
Jörg Rolfes: Grundsätzliches regelt die GbR, alles Weitere wird demokratisch entschieden. Wir haben zwei WhatsApp-Gruppen, eine für die ernsten Sachen, Finanzen, Zuchtarbeit und ähnliches. Und eine weitere fürs Feiern, die Partys und den Quatsch. Denn die Gewinne auf dem Syndikatskonto sind vor allem für Urlaube und gemeinsame Zeit bestimmt. Wir fahren einmal im Jahr alle zusammen ein paar Tage in den Urlaub und normalerweise gehört auch eine Weihnachtsfeier dazu.
Elite: Dann nimmt der soziale Aspekt eine wichtige Rolle ein, oder?
Jörg Rolfes: Auf jeden Fall! Wir sind Geschäftspartner, aber in erste Linie sind wir Freunde. Ich hätte selbst nicht gedacht, wie wichtig mir das wird, aber gerade durch das gemeinsame Hobby und den intensiven Austausch sind wir wahnsinnig zusammengewachsen. Der große räumliche Abstand ist überhaupt kein Nachteil, im Gegenteil: Habe ich ein Problem im Stall, frage ich die Jungs und kann auf eine riesige Bandbreite an Erfahrungen zurückgreifen; mit zum Teil regional ganz unterschiedlichen Lösungen (intensives Münsterland vs. extensives Sauerland, Tipps von den Beratern…). Auch menschlich tauschen wir uns aus, denn es herrscht großes Vertrauen – nicht zuletzt, weil wir auf unseren Touren mit steigendem Alkoholpegel wirklich die allerverrücktesten Sachen machen und trotzdem auf die Verschwiegenheit der anderen zählen können. (grinst) Dabei ist übrigens auch unser Trinkspruch entstanden: Ein kräftiges Rot! Bunt! Rot! Bunt! Rot! Bunt!
Wir müssen Sonntag morgens alle melken, da müssen die Kühe Spaß machen.
Jörg Rolfes, Butzelmann-Syndikat
Elite: Wie viel Prozent des Syndikats sind Spaß und wie viel ernsthafte Zuchtarbeit?
Jörg Rolfes: Das kann man gar nicht genau festlegen. Das, was gerade ansteht, danach geht’s: Sind wir züchterisch gefragt, geht es 110% über Zucht. Auf unserer Tour reden wir nie über Kühe. Sehr effektiv, hätte ich so auch nicht gedacht.
Elite: Was war bislang euer größter züchterischer Erfolg?
Jörg Rolfes: Locket hat uns wirklich gute Nachzucht beschert, die wir auch ordentlich vermarkten konnten, u.a. ein roter Bulle, den jetzt Masterrind zur Zucht angekauft hat: Actor Red, ein Avatar-Sohn. Mit seinem Pedigree konnten wir die Roxy- mit der Seisme-Familie verbinden und in die Rotbunt-Zucht bringen. Wir sind alle im Herzen Rotbunt-Züchter und züchten ein bisschen anders, als die anderen das zur Zeit tun. Wir wollen die spätreife rahmige Kuh, rotbunt oder mit Rotfaktor, die in vielen Betrieben klarkommt. Selbst ohne genomischen Highscore haben dann eine Kuh, welche die zweite Laktation wahrscheinlich mit 87 Punkten und selbst auf einem extensiv geführten Betrieb mit 12.000 kg abschließen wird und die man dabei auch noch auf Schauen zeigen kann. Wir müssen Sonntag morgens alle melken, da müssen die Kühe Spaß machen.
Elite: Und was darf in der Zukunft gerne noch passieren?
Jörg Rolfes: Wir würden gern weiter züchterisch Erfolge feiern, mal eine Schau gewinnen, weitere Bullen aufziehen. Außerdem möchten wir mit wenig Aufwand und Risiko gute Kuhfamilien in die eigenen Herden etablieren. Und darüber hinaus: Noch mehr Geschichten erleben, die auch in 60 Jahren noch mit einem herzhaften Lachen erzählt werden müssen!
Vielen Dank für das Interview!