Rund 32,70 Cent pro Kilogramm Rohmilch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß zahlten die deutschen Molkereien ihren Lieferanten im Jahr 2020 aus. Ein Cent weniger als noch 2019. Angesichts der zum Teil in anderen Bereichen feststellbaren enormen Verwerfungen durch die COVID-Pandemie ein durchaus solides Ergebnis, findet MIV-Vorsitzender Peter Stahl. Gänzlich anders dürften das die meisten Milcherzeuger einschätzen. Viele Milcherzeuger sehen sich mittlerweile mit dem Rücken an der Wand. Ihrer...
Rund 32,70 Cent pro Kilogramm Rohmilch mit 4,0 % Fett und 3,4 % Eiweiß zahlten die deutschen Molkereien ihren Lieferanten im Jahr 2020 aus. Ein Cent weniger als noch 2019. Angesichts der zum Teil in anderen Bereichen feststellbaren enormen Verwerfungen durch die COVID-Pandemie ein durchaus solides Ergebnis, findet MIV-Vorsitzender Peter Stahl. Gänzlich anders dürften das die meisten Milcherzeuger einschätzen. Viele Milcherzeuger sehen sich mittlerweile mit dem Rücken an der Wand. Ihrer Meinung nach müsste der Auszahlungspreis um rund 10 bis 15 Cent höher ausfallen, um langfristig eine flächendeckende Milchproduktion in Deutschland abzusichern. Das ist bei einem Milchpreis von 32 Cent unter den hiesigen Produktionsbedingungen nicht möglich.
Demos bringen gar nichts
Der Milchpreis werde sich aber nicht nach oben bewegen, nur weil die Milchbauern dies fordern, erklärt Peter Stahl, Vorsitzender des Milchindustrieverbands (MIV) in seinem Statement. Letztendlich seien Demo- und Blockadeaktionen für Verhandlungen zwischen Molkereien und dem Handel irrelevant. Solange zu viel Milch auf dem Markt sei, werden die Milchpreise in Deutschland nicht anziehen, ist Stahl überzeugt. Angebot und Nachfrage regeln den Preis. In der EU lasse der hohe Selbstversorgungsrad von 117% eben nun mal keine Preiserhöhungen zu. Die überschüssige Milch muss exportiert werden und im Export dominieren die oft nur in geringem Umfang veredelten Produkte im Wettbewerb mit Ware aus Neuseeland oder den USA. (Anmerkung: In den ersten elf Monaten von 2020 nahm in der EU-28 das Milchaufkommen im Tagesdurchschnitt um 1,3 % zu).
Vorwürfen seitens der Milcherzeuger, wonach die Molkereien in den Kontraktgesprächen nicht hart genug gegenüber dem Handel aufträten, trat Stahl entgegen. Jede Molkerei strebe nach der bestmöglichen Verwertung, also nach einem Platz im Kühlregal. Die Alternative ist oft nur der Absatz der Milch am Spotmarkt - zu deutlich geringeren Erlösen.
EU hält an freien Märkten fest
Intensiv diskutiert wurde auch, ob nicht die Politik helfen kann. Milcherzeuger Johannes Pfaller, der auf dem Podium den BDM vertrat, verwies in diesem Zusammenhang auf Bestrebungen des EU-Parlaments, durch Anpassungen der Gemeinsamen Marktordnung die Erzeugerseite zu stärken.
Karsten Schmal, ebenfalls Milcherzeuger und gleichzeitig auch Milchpräsident des DBV, bezweifelte hingegen, dass die Politik für höhere Milchpreise sorgen kann. Die EU habe seit den 90er Jahren in der Agrarpolitik eine Öffnung zum Weltmarkt betrieben und die heimische Landwirtschaft ganz bewusst internationaler Konkurrenz ausgesetzt. Staatliche Reparaturmaßnahmen, die immer wieder in Zeiten niedriger Erzeugerpreise aufgerufen werden, hält Schmal für wenig wirkungsvoll. Die staatliche Eingriffen kämen immer zu langsam und seien zu unflexibel, so der Milchpräsident.
Dem pflichtete auch Karl-Heinz Tholen, Referatsleiter Milch im BMEL, bei. Er kritisierte, dass das Europarlament mit dem Artikel 210 b (Malussystem¸ mehrliefernde Erzeuger werden mit einer Abgabe überzogen) die Marktpolitik zurück zu einem Quoten-ähnlichen Zustand führen wolle. Einen Automatismus für Krisenmaßnahmen sieht er kritisch, denn der Milchpreis werde nicht durch die Marktordnung der EU bestimmt, er sei vielmehr das Ergebnis des Spiels von Angebot und Nachfrage.
Ob und falls ja, welche Änderungen sich bezüglich der Gemeinsamen Marktordnung ergeben ist laut Tholen derzeit noch nicht absehbar. Derzeit würden die Positionen zwischen EU-Kommission, EU-Rat und dem EU-Parlament noch ziemlich weit voneinander abweichen.
Ausblick 2021
Eine Herausforderung in 2021 dürfte für die europäische Milchindustrie die Umsetzung des Brexits darstellen. „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass trotz vieler Einschränkungen für den Außer-Haus-Konsum, Tourismus und weltweit schwieriger wirtschaftlicher Ausgangslage durch die Corona-Pandemie, die Nachfrage nach Milch und Milchprodukten vergleichsweise robust ist. Vor diesem Hintergrund könnte 2021 - bei aller Vorsicht - ein besseres und gutes milchwirtschaftliches Jahr werden“ wagt der Vorsitzende des MIV einen Ausblick zum Abschluss des Frühshoppens. Ökonomen bezeichnen solch eine Entwicklung gerne als stabile Seitwärtsbewegung. Eine robuste Aufwärtsentwicklung zeichnet sich leider nicht ab … Schade!
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Der notwendige Anstieg der Milchpreise ist nicht absehbar, dazu müsste das System Milch grundlegend verändert werden. Das erinnert an die Quadratur des Kreises!