Molkereikongress

Die große Ratlosigkeit

Wird in Deutschland 2030 noch Milch erzeugt? Antworten auf die wichtigen Zukunftsthemen hatten die Branchenvertreter auf dem Molkereikongress in München nicht.

 
Spagat – das war wohl eines der am häufigsten genannten Wörter in den Diskussionen, in denen es um die Situation der Milchproduktion in Deutschland ging auf dem von der Lebensmittelzeitung in München ausgerichteten Molkereikongress.  Zum Spagat gezwungen sehen sich gerade der LEH, die Molkereien und die Milcherzeuger. Antworten auf die drängenden Fragen, wie z.B. der Umbau der Nutztierhaltung gestaltet und finanziert werden soll,  blieben die Akteure den Kongressteilnehmern schuldig.

50 % der Verbraucher wollen einfach nur günstig einkaufen

Der Handel (LEH) muss nach eigenen Angaben Antworten finden auf die sich wandelnden Ansprüche ihrer Kunden (Themen Nachhaltigkeit und Tierwohl). Deshalb auch das Drängen auf die schnelle Einführung der Haltungskennzeichnung für Milchprodukte ab dem kommenden Jahr. Gleichzeitig dürfen die Supermarktketten die Nahrungsmittel aber auch nicht mit Aufschlägen „verteuern“, denn nicht jeder Verbraucher ist bereit, tiefer für Grundnahrungsmittel in die Tasche zu greifen. Rund die Hälfte der Konsumenten will laut aktuellen Befragungen einfach nur möglichst günstig einkaufen!
Die Molkereien müssen die Vorgaben des Handels erfüllen, wollen sie am Ende nicht ausgelistet werden. Andererseits verteuern die neuen Standards (z.B. GVO-Freiheit) die Produktion. Das ist besonders ärgerlich, da viel der „Über-Standard-Milch“ zu Produkten verarbeitet wird, die nicht in den deutschen LEH gelangen und nicht entsprechend honoriert werden. So interessiert z.B. das Thema GVO-Freiheit außerhalb Deutschlands niemanden. Gleiches gilt für Tierschutz- oder andere Milchen. Dennoch müssten die Milchverarbeiter den Milcherzeuger für die gesamte Rohstoffmenge Zuschläge zahlen, beklagen Molkereivertreter. Hinzu kommen die stark steigenden Kosten für Energie und Verpackungen. Diese Kosten können sie aber-  wenn überhaupt – aufgrund ihrer bestehenden Kontrakte und dem großen Wettbewerb nur in geringem Umfang an den LEH weiterreichen.
Die Milcherzeuger wiederum sehen sich häufig der Kritik ausgesetzt, wenig nachhaltig zu wirtschaften und die Kühe auszubeuten. Dabei sind sie durchaus bereit, die Produktionsverfahren nachhaltiger zu gestalten und in mehr Tierwohl zu investieren. Doch zum Nulltarif geht dies eben auch nicht, denn viele Milcherzeuger leiden derzeit schon unter den Auswirkungen verschärfter Regularien (zu nennen sind hier insbesondere die gestiegenen Preise für Futtermittel und Energie). Die aktuelle Unterdeckung bei den Produktionskosten (Vollkosten) beziffern Experten auf 10 bis 15 %. Ohne konkrete Vereinbarungen lassen sich Investitionen in Tierwohl und Nachhaltigkeit aus unternehmerischer Sicht kaum darstellen.  Milcherzeuger benötigen langfristige Abnahme- und Preisgarantien für die neuen Milchen.

Wie den Knoten durchschlagen?

Ob sich der gordische Knoten durchschlagen lässt, ist noch völlig unklar. Wichtig ist nur, dass die  Definition der Standards von Nachhaltigkeit und Tierwohl nicht dem LEH überlassen werden kann. Die Politik muss hier ihre Richtlinienkompetenz  wahrnehmen und die Weichen in Richtung Aufwandsentschädigung stellen (siehe Borchert-Plan). Bei diesen Zukunftsthemen allein auf die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher zu hoffen, das kann schnell in die Hose gehen. Schließlich wurde den deutschen Konsumenten über Jahrzehnte hinweg die Mentalität zu „Geiz ist geil“ regelrecht eingeimpft!
Bleibt festzuhalten: In der Milchbranche klafft eine gigantische Lücke zwischen Gegenwart und den Anforderungen der Zukunft. Es gilt, möglichst schnell den Blicknach vorne zu richten und für alle Stakeholder tragfähige Kompromisse beim Tier- und Umweltschutz auszuhandeln. Gelingt das nicht, dann wird der Strukturwandel entfesselt, dann hat die Milchbranche ihre Zukunft hinter sich. 
 
 


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