Was genau ist Ihre Aufgabe bei den European Dairy Farmers?
Steffi Wille-Sonk: Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin beim EDF. Neben der Betreuung verschiedener Netzwerkprojekte ermittle und analysiere ich die Produktionskosten der Mitgliedsbetriebe (Anmerk.: cost of production) für das Benchmarking. Wenn ich stark abweichende Zahlen sehe, hake ich bei den Betrieben nach. Sind es z. B. nationale Abweichungen oder sind sie betriebsbedingt? Hinter jeder Zahl steht eine eigene Geschichte. Ein...
Was genau ist Ihre Aufgabe bei den European Dairy Farmers?
Steffi Wille-Sonk: Ich bin wissenschaftliche Mitarbeiterin beim EDF. Neben der Betreuung verschiedener Netzwerkprojekte ermittle und analysiere ich die Produktionskosten der Mitgliedsbetriebe (Anmerk.: cost of production) für das Benchmarking. Wenn ich stark abweichende Zahlen sehe, hake ich bei den Betrieben nach. Sind es z. B. nationale Abweichungen oder sind sie betriebsbedingt? Hinter jeder Zahl steht eine eigene Geschichte. Ein Beispiel: Die Futterkosten steigen wegen der Trockenheit oder den hohen Betriebsmittelpreisen. Sie verändern sich aber auch, weil einzelne Betriebe ihre Strategie geändert haben. Das ist immer sehr spannend. Andere Betriebe fallen z.B. durch hohe Nebenerlöse auf: Sind es die guten Färsen, die der Betrieb verkauft? Oder sehr hohe Rindfleischpreise, weil es z.B. heimische Produkte besonders promotet werden, wie in Schweden? Oder Extra-Direktzahlungen zum Ausgleich von extremen Standortnachteilen, wie in Finnland? Es gibt so viel zu erfahren!
Steckbrief
∘ Name: Steffi Wille-Sonk (42)
∘ Wohnort: Lübben (Brandenburg)
∘ Beruf: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (European Dairy Farmers)
∘ Familie: verheiratet, eine Tochter (8)
∘ Hobbys: Kinder- und Jugendarbeit bei der Feuerwehr, gärtnern, lesen
Wie läuft die Arbeit mit den anderen Mitgliedsländern ab?
Steffi Wille-Sonk: Wir erheben die Daten für die Vollkostenrechnungen der Betriebe im Winter und im Frühjahr. Mit dem Benchmarking können wir unseren Landwirten gut aufzeigen, wo sie stehen. Nach der Analyse diskutieren die Mitglieder die Ergebnisse in den nationalen Gruppen. Über diesen Austausch erarbeiten sich die Milchkuhhalter dann eigene Lösungen und Ideen. Denn eine Lösung für alle Betriebe gibt es nicht. Aber jeder Milcherzeuger kann von anderen EDF-Mitgliedern lernen.
Über den Austausch mit anderen erarbeiten sich die Milchkuhhalter dann eigene Lösungen und Ideen.
Steffi Wille-Sonk über die European Dairy Farmers
European Dairy Farmers
Die European Dairy Farmers (EDF) sind ein unabhängiger Club für Milcherzeuger aus ganz der EU sowie einigen Nicht EU-Ländern wie der Schweiz, Kanada, Australien, Neuseeland und den USA. Gegründet wurde der englischsprachige Club im Jahr 1990 in Stoneleigh, England. Leitmotiv der Mitglieder ist es, gegenseitig Wissen und Erfahrungen auf internationaler Ebene auszutauschen sowie sich zu vergleichen (benchmarken).
Was ist für Sie das Besondere an dieser Organisation?
Steffi Wille-Sonk: Man lernt viele unterschiedliche Menschen kennen. Jeder hat einen anderen Hintergrund, aber alle interessieren sich für dasselbe. Ich kann die Milchwirtschaft mit so vielen Einblicken besser verstehen. Wenn mir z. B. ein Milcherzeuger aus Finnland erzählt, dass die Wachstumsperiode dort nur zwei Monate lang ist, dann weiß ich, dass die heimischen Betriebe nicht die einzigen sind, die vor Herausforderungen stehen. Über den Austausch mit anderen kann jeder seine eigene Situation besser einschätzen - und aus dem Austausch auch viel Motivation schöpfen!
Gibt es erkennbare Unterschiede zwischen den Ländern?
Steffi Wille-Sonk: Ja! Jede Nation tickt anders. Wir Deutschen arbeiten oft sehr genau und korrekt, dafür sind wir aber vielleicht nicht so innovativ wie unsere Nachbarn und brauchen länger, uns auf neue Situationen einzustellen. Neue Trends erkennen wir nicht so schnell wie etwa die Schweden. Dort war Nachhaltigkeit schon vor langer Zeit ein großes Thema. Die Franzosen finden oft sehr kreative Lösungen. Die Niederländer hingegen sind oft „angstfrei”, die machen einfach. Wichtig dabei ist: Im EDF-Netzwerk gibt es sehr unterschiedliche Perspektiven - und jede Perspektive hat ihre Berechtigung. Niemand hat einfach so Recht. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Es gibt niemanden, der recht hat. Aber man wird immer wieder gefordert, die eigene Position zu überdenken.
Jede Perspektive hat ihre Berechtigung.
Steffi Wille-Sonk
Wie fühlt es sich an, einmal im Jahr auf dem EDF-Kongress vor mehreren Hundert Milcherzeugern zu stehen und ihnen manchmal auch unangenehme Wahrheiten zu präsentieren?
Steffi Wille-Sonk: Am Anfang war das Englisch sprechen für mich schwierig. Das einfache Englisch hilft uns aber, dass wir uns alle irgendwie verstehen. Zur Not auch mit Händen und Füßen. Für den Kongress suche ich gerne Zahlen heraus, die etwas kontrovers sind. Dann erkläre ich, wie ich das sehe. Ich formuliere die kritischen Punkte aber immer als Fragen. Denn Denkanstöße sind wichtig, aber der Umgang muss dabei respektvoll sein. Unser Ziel ist ja, unsere Mitglieder zum Nachdenken anzuregen.
Wie sehen Sie die Zukunft der europäischen Milchbranche?
Steffi Wille-Sonk: Generell ist es überall in Europa gerade schwierig, weil die Kosten für die Inputs sehr hoch sind. Einige Betriebe konnten das durch gute Milchpreise auffangen, nicht alle. Die Anforderungen der Verarbeiter steigen, die politischen Rahmenbedingungen bleiben unklar. Dabei sind Milcherzeuger sehr anpassungsfähig. Sie haben das Quotenende und die Tiefpreisphasen gemeistert, viel investiert in die Zukunft, Kommunikation gelernt und werden immer nachhaltiger. Ich bin zuversichtlich, dass sie auch diese neuen Hürden nehmen werden- aber sie brauchen auch endlich verlässliche und stabile Rahmenbedingungen, damit sie ihre Zukunft planen und gestalten können!
Vielen Dank für das Gespräch!
Noch mehr Reportagen und Portraits über starke Frauen in der Milchbranche haben wir für Sie in unseren EliteFrauen zusammengetragen. Mehr zu den European Dairy Farmers lesen Sie hier:
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