Mitte März 2020 erklärte der Milchmarktanalyst Tom Bailey von RaboAgriFinance, dass die Milchpreise aufgrund der Corona-Krise in 2020 um 15 bis 25% fallen könnten. Bailey hatte damals darauf verwiesen, dass die Verlässlichkeit der Prognosen unsicher seien: Es war seltsam zu beobachten, wie die Märkte zu diesem Zeitpunkt auf Basis der begrenzten Datenlage quasi „implodierten“. Jetzt haben wir Mitte Juni und die Analysten und Marktexperten mehr Daten und die Milchpreise sind teilweise...
Mitte März 2020 erklärte der Milchmarktanalyst Tom Bailey von RaboAgriFinance, dass die Milchpreise aufgrund der Corona-Krise in 2020 um 15 bis 25% fallen könnten. Bailey hatte damals darauf verwiesen, dass die Verlässlichkeit der Prognosen unsicher seien: Es war seltsam zu beobachten, wie die Märkte zu diesem Zeitpunkt auf Basis der begrenzten Datenlage quasi „implodierten“. Jetzt haben wir Mitte Juni und die Analysten und Marktexperten mehr Daten und die Milchpreise sind teilweise kräftig gefallen:
Deutschland: Niedrige Mai-Milchpreise zeigen überforderte Molkereien
Mit dem Mai-Milchgeld ist der Corona-Effekt jetzt bei vielen Milcherzeugern spürbar angekommen (nach bereits schwachen Schlachtkuh- und Zuchtrindererlösen, die sich nun wieder erholen): Gegenüber April hat die überwiegende Zahl der Molkereien ein bis zwei, einige auch bis zu drei Cent (das entspricht dann etwa -15% zum Milchpreisniveau von März) das Auszahlungsniveau gegenüber April abgesenkt. Viele Erzeuger erhielten im Mai damit nur noch Milchpreise von 27 bis 28 Cent pro kg (mehr dazu hier:
1 bis 2 Cent weniger Milchgeld im Mai).
Die teils drastischen Abzüge offenbaren, wie hart doch viele der Molkereien von der Krise getroffen wurden. Allerdings deckt die Krise auch die Schwächen in der Ausrichtung und den Geschäftsmodellen einzelner Molkereien auf!
Keine Wiederholung einer Milchkrise wie in 2015/2016
Eine Milchkrise wie im Jahr 2016 ist nicht (mehr) zu erwarten – so schätzen es zumindest die Interessengemeinschaft genossenschaftliche Milchwirtschaft (IGM) und der Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Karsten Schmal, ein. Insbesondere die Öffnungen der Gastronomie sowie die Förderung der Privaten Lagerhaltung durch die EU-Kommission hätten dem Milchmarkt seit Mai zu spürbaren Erholung verholfen.
Die Preise für Milchprodukte sowie für Versand/Spotmilch und Konzentrate zeigen seit Mai eine überwiegend steigende Tendenz. Bis dato halten sich die verbesserten Notierungen „ ziemlich standhaft“, erklärten diese Woche die Marktexperten der Triogona Dairy Trade. Eine Preiserholung an den Terminmärkten zeigte Ende Mai 2020 auch das IG-Milchbarometer. Dies stieg gegenüber dem Vormonat April um 6,2 Cent auf 32,9 Cent pro kg Milch. Zurückzuführen ist diese positive Entwicklung auf die Preissteigerungen für Butter (+17,3%) und Magermilchpulver (+19,9%) an der Warenterminbörse EEX. Theoretisch müssten die Milchauszahlungspreise also im Juni wieder ansteigen.
Weltweit noch Uneinigkeit über weitere Entwicklungen am Milchmarkt
Der durch die Corona-Krise Milchpreisrückgang hielt sich in den meisten Ländern bisher in Grenzen. Dieses Resümee zogen 70 Marktexperten auf der 21. Internationalen Milchkonferenz des International Farm Comparison Networks (IFCN) Anfang Juni.
- Im Mittel der vom IFCN erfassten 75 Länder haben die Milchpreise von Februar bis Mai 2020 um -4,6 % und damit vergleichsweise moderat nachgegeben. Insgesamt reichte die Spanne der Milchpreisveränderungen in den einzelnen Staaten im Betrachtungszeitraum von -30 % bis zu +5 %. Für Deutschland wird ein Minus von bis zu 5 % ausgewiesen.
- Stark negative Ausnahmen waren unter den größeren Produzentenländern die USA und Indien mit einem Minus von 29 % bzw. 19 %.
- Abschläge von -5 % bis -15 % beim Milchgeld gab es im Vergleich von Mai zu Februar 2020 in Kanada, Russland und einigen EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich und den Benelux-Ländern.
Weltweit noch Uneinigkeit über weitere Entwicklungen am Milchmarkt
Zwei Drittel der vom IFCN befragten Experten waren der Auffassung, dass der Tiefpunkt der Marktkrise bereits erreicht ist, das übrige Drittel sah das eigene Land jedoch erst am Beginn der Krise. So gespalten wie Einschätzungen der Marktexperten sind auch die Aussichten für die weitere Milchpreisentwicklung. So stimmen die Börsennotierungen und die Prognosen vieler Analysten nicht überein:
- Glaubt man den Kursen an den Terminmärkten, ist mit einem recht schnellen Wiederanstieg des durchschnittlichen Weltmilchpreises auf 35 $/100 kg (31,0 Euro) für Juli 2020 zu rechnen, was eine rasche V-förmige Erholung bedeuten würde (. Umrechnungskurs: 1$ = 0,8866 Euro).
- Die Mehrheit der auf der der IFCN-Konferenz anwesenden Experten rechnet allerdings mit einer U-förmige Erholung. In diesem Fall würde das bisherige Preisniveau erst später wieder erreicht. Diese Prognose basiert auf einem soliden Wachstum des Rohmilchangebots (es hat in vielen Regionen geregnet …) sowie einem voraussichtlichen Rückgang der Nachfrage für Milchprodukte als Folge der Wirtschaftskrise (Rezession).
Quellen: AgE, IFCN, Trigona Dairy Trade, und weitere