Klimaschutz

600.000 Kühe weniger bei Wiedervernässen von Mooren

15 % des Milchkuhbestandes könnten dem Wiedervernässen von Mooren zum Opfer fallen.

Zu dieser, aus Sicht der Milchbranche, wenig erfreulichen Einschätzung kam Prof. Dr. Harald Grethe, Humboldt-Universität zu Berlin, auf dem Sächsischen Milchrindtag.
Absehbar ist zudem, dass durch weitere Klimaschutzmaßnahmen noch weiteren Milchkuhbetrieben die Futtergrundlage – zumindest teilweise – entzogen wird. Das würde bedeuten, dass letztlich fast jede fünfte Milchkuh (rund 20 % des Kuhbestands) dem Klimaschutz weichen könnte.
Hintergrund: Erst vor wenigen Tagen hat die Bundesregierung ein neues Klimaschutzgesetz verabschiedet, nach dem das Bundesverfassungsgericht das ursprüngliche Gesetz als verfassungswidrig eingestuft hat.
Im neuen Klimaschutzgesetz ist festgeschrieben, dass der Sektor Landnutzung und Fortwirtschaft bis zum Jahr 2045 eine Speicherleistung von mindestens 40 Mio. t CO2 Äquivalente zu erreichen hat.
Hier kommen die Moore ins Spiel: Gut 5 % der gesamten Treibhausgasemissionen Deutschlands stammen aus trockengelegten Mooren, rund 47 Mio. t CO2-Äquivalente. Das ist mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen aus der heimischen Landwirtschaft. Sie entstehen auf einer Fläche, die gerade einmal 4 % des gesamten Bundesgebiets ausmacht.

Treibhausgas-Emissionen können durch Wiedervernässung von Moore vermieden werden.

Über viele Jahrzehnte wurden die Feuchtgebiete mit Hilfe intensiver staatlicher Förderung trocken gelegt und Futterbaubetriebe in frühere Moorgebiete ausgelagert. 95 % aller deutschen Moore wurden in den letzten 250 Jahren „zerstört“. Der Wasserentzug lässt die Biomasse im Moor abbauen, die trockenen Moore geben deshalb jede Menge Kohlenstoff in die Atmosphäre ab.
In Niedersachsen stammen rund 28 % aller Treibhausgasemissionen, die auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind, aus trockengelegten Moorflächen.
Bekannt ist, dass intakte Moore aber auch gigantische Mengen an Kohlenstoff speichern können. Damit ist klar: Moorschutz ist Klimaschutz. Moore sollen deshalb auch wiedervernässt, der Umbruch von Moorgrünland zur Grünlanderneuerung verboten und ackerbaulich genutzte Flächen in ihrer Nutzungsform angepasst werden.
Die Moorvernässung empfehlen auch internationale Wissenschaftler – siehe Eine Extensivierung der Milchproduktion ist Unsinn.

Tierwohl durch höhere Mehrwertsteuer finanzieren

Weiteren Druck auf die Milchbranche zukommen sieht Pro Dr. Grethe aber nicht nur durch die massiven Anstrengungen zu CO2-Einsparungen, sondern auch durch die Änderungen beim Konsumverhalten vieler junger Menschen (vermehrt vegetarische und vegane Ernährung).
Den Milcherzeugern rät er, diese Entwicklungen nicht „bockig“ abzulehnen, sondern sich auf die sich veränderten Verbraucherwünsche einzustellen. „Manchmal kann aus einer Nische auch mal ein Mainstream werden“, argumentiert der Wissenschaftler mit Blick auf die Weidehaltung.
Im Klaren ist sich Grethe darüber, dass nur knapp ein Drittel der Konsumenten bereit ist, die sieben Cent, die Tierwohlmilch mehr kostet, an der Ladenkasse zu zahlen. Deshalb müsse hier der Staat einspringen und für die Gemeinwohlleistungen aufkommen.
Am einfachsten zu finanzieren wären ein Mehr an Tierwohl und Umwelt/Klimaschutz durch eine Anhebung der Mehrwertsteuer von 7 auf 19 % (siehe Vorschläge der Borchert-Kommission).
Die Milchbranche sollte diese Chance (Borchert-Plan) jetzt nicht auslassen und nicht den gleichen Fehler wie bei der Diskussion um die DüngeVO begehen, so Grethe. Er ist der Meinung, dass diese letztlich wegen stetiger Ablehnung seitens der Landwirtschaft (DBV) über deren Köpfe hinweg beschlossen wurde. Sofern die Milchbranche die „ausgestreckte Hand“ der Öffentlichkeit/Politik annimmt, wird sie mit einem zusätzlichen Umsatz von 30 % (Transferleistungen) rechnen können.
Weitere Infos zu diesem Thema:

Ein Update: Die Nutztierstrategie der Borchert-Kommission betrifft auch Milchkuhbetriebe. Informationen und aktueller Stand. 


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