Um zu wissen, wie und wann man eine Wundheilung unterstützen kann, ist es hilfreich zu wissen, wie die Wundheilung überhaupt funktioniert.
Vier Phasen der Wundheilung
„Mit der Wundheilung ist es wie bei einem Unfall auf der Autobahn“, erklärt Dr. Charlotte Kröger, selbst Milcherzeugerin und Tierärztin der Praxisgemeinschaft für Klauengesundheit. Doch was ist damit gemeint?
Mit der Wundheilung ist es wie bei einem Unfall auf der Autobahn.
Dr. Charlotte Kröger
Mit...
Um zu wissen, wie und wann man eine Wundheilung unterstützen kann, ist es hilfreich zu wissen, wie die Wundheilung überhaupt funktioniert.
Vier Phasen der Wundheilung
„Mit der Wundheilung ist es wie bei einem Unfall auf der Autobahn“, erklärt Dr. Charlotte Kröger, selbst Milcherzeugerin und Tierärztin der Praxisgemeinschaft für Klauengesundheit. Doch was ist damit gemeint?
Mit der Wundheilung ist es wie bei einem Unfall auf der Autobahn.
Dr. Charlotte Kröger
Mit der Entstehung einer Wunde – der Verletzung – startet die sogenannte Exsudationsphase. Es kommt zu einer Einblutung. Gewebsstrukturen werden zerstört und ein erster vor Keimen schützender Wundverschluss entsteht. Übertragen auf den Autounfall bedeutet das: Die Autos kollidieren. Ein Notarzt eilt schnell zur Hilfe.
In der Resorptionsphase wird die Wunde von Keimen, Erregern und abgestorbenen Gewebe befreit. Übertragen auf den Autounfall: Der ADAC beginnt mit Aufräumarbeiten.
Das Gewebe, das noch da ist, wird schließlich in der Proliferationsphase restrukturiert. Es wächst. Die Wunde wird mit frischem Granulationsgewebe aufgefüllt. Übertragen auf den Autounfall heißt das: Die ramponierte Leitplanke wird mit einem Flatterband notdürftig überbrückt.
Schließlich wird in der Reparationsphase alles repariert und durchbaut. Doch selten ist die Haut in einem Zustand, wie sie vorher war. Übertragen auf den Autounfall bedeutet das: Der beschädigte Bereich der Leitplanke wird mit einem Ersatzteil repariert. Das führt zur Wiederherstellung der Funktion.
Einflussfaktoren auf die Wundheilung
Stören Keime oder Schmutz (Schaulustige oder Autofahrer, die keine Rettungsgasse bilden) die Wundheilung, verzögert sich der Heilungsprozess. Neben Keimen haben außerdem Sauerstoff- und Zinkmangel, Kälte, Vorerkrankungen, mechanische Belastung und Stress einen negativen Einfluss auf die Wundheilung.
Positiv wiederum sind Luft (O2 aus dem Blut), Licht, Wärme, eine adäquate Unterbringung sowie eine angepasste Vitamin- und Mineralstoffversorgung der Kühe.
Was können Milcherzeuger tun?
Neben der Einhaltung der positiven Einflussfaktoren und Vermeidung der negativen Faktoren, sollten Milcherzeuger laut Dr. Charlotte Kröger bei Wunden:
- genau hinschauen,
- den Grund für die Wunde suchen,
- für Hygiene sorgen,
- kleinste Verletzungen ernst nehmen und überprüfen, wie tief die Verletzung ist,
- das Stadium der Wundheilung definieren, um bewusst entscheiden zu können, ob man intervenieren (d.h. eingreifen) sollte oder nicht.
1. Praxisbeispiel: Zitzenverletzung
Hat sich eine Kuh an der Zitze verletzt, müssen Milcherzeuger diese Wunde umgehend versorgen. Sind einmal Keime eingedrungen, kann sich die Verletzung rasant vergrößern. Bei kleinen Wunden empfiehlt Dr. Charlotte Kröger, die Verletzung mit einem selbsthaftenden Zitzenverband , ohne Creme, zu versorgen. Auch wenn die Zitze bei jedem Melken neu beansprucht wird, kann es so zu einer schnellen Heilung kommen (siehe Fotos).
2. Praxisbeispiel: Zwischenschenkelekzem
Der Schenkelspalt ist gerötet, verdickt und ein unangenehmer Geruch steigt in die Nase: Je nach Lokalisation sollten Milcherzeuger Zwischenschenkelekzeme reinigen, mit nicht reizenden Produkten pflegen und dafür sorgen, dass ein mögliches Euterödem behandelt wird. So könne man die mechanische Belastung zusätzlich reduzieren.
3. Praxisbeispiel: Mortellaro-Läsion (M1)
Hat eine Kuh beispielsweise eine Mortellaro-Läsion im M1-Stadium und die Haut ist noch geschlossen, ist Reinigen und Pflegen sowie ein hygienisches Umfeld ausreichend für die Wundheilung. Sobald erste geschwürartige Wunden zu sehen sind, empfiehlt Dr. Charlotte Kröger, je nach Größe ein Wundpflegespray mit Zinkanteil zu verwenden, das die körpereigene Wundheilung unterstützt. Hingegen sei bei größeren Läsionen die Verbandbehandlung das Mittel der Wahl, um für einen Wundverschluss zu sorgen.
Ein Rind ist ein unheimlich dankbarer Patient, was die Heilung angeht.
Dr. Charlotte Kröger
Dankbarer Patient
Dr. Charlotte Kröger betont, dass die Schmerzen für die Kuh nicht zu unterschätzen seien. Wunden seien oft mit einer Entzündung in Form einer Schwellung oder Rötung verbunden. Je nach Umgebung, können Wunden aber manchmal auch unkontrolliert abheilen. „Ein Rind ist ein unheimlich dankbarer Patient, was die Heilung und die Erfolgsaussichten angeht“, ergänzt die Tierärztin. Das sei allerdings stark von der Fütterung sowie Haltung abhängig. Ist beispielsweise das Entmistungsintervall über den Schieber zu niedrig eingestellt und das Auftreten von Mortellaro ein großes Problem in der Herde, empfiehlt sie grundsätzlich einen Verband zu machen und das Intervall der Entmistung an die Bedürfnisse des Betriebes anzupassen. Der Verband sorgt hier primär für ein sauberes, ausreichend trockenes Wundmilieu und hält mögliche Behandlungsprodukte an Ort und Stelle. Entscheidend dabei sei, wie lange ein Verband den Schutz aufrecht erhalten kann und wann der nützliche Effekt umschlägt in einen Nachteil. Dies trifft zu, sobald der Verband zu nass bzw. vollgesogen ist oder nicht mehr richtig sitzt und die Gefahr des Einschnürens besteht.
Nachsorge
Wurde ein Verband zur Unterstützung der Wundheilung angelegt, empfiehlt sie nach spätestens sieben Tagen, diesen zu entfernen und sich die Wunde erneut ganz bewusst anzuschauen. „Um den Erfolg eines Verbandes und die einhergehenden Pflegemaßnahmen kontrollieren zu können, ist die bewusste Nachsorge unabdingbar“, erklärt Charlotte Kröger. Oft werde die Heilung jedoch durch falsches Anlegen des Verbandes oder vernachlässigter/fehlender Nachsorge verzögert.
Die bewusste Nachsorge ist unabdingbar.
Dr. Charlotte Kröger
Verband: Darauf kommt es an!
Laut der Tierärztin sei es beim Anlegen eines Verbandes wichtig, dass
- der Verband mit nicht-saugender synthetischer Watte unterpolstert wird, sodass der Zwischenklauenspalt sowie der Kronsaum geschützt sind.
- bei Verwendung einer Flexbinde nicht zu viel Zug auf den Verband gebracht wird.
- immer nach Möglichkeit eine breite Auflagefläche vorhanden ist und das Verbandsmaterial beim Wickeln nicht verdreht wird.
Sie ergänzt: „Jeder Verband gehört kontrolliert und am Ende der Behandlung bewusst abgenommen.“
In Zusammenarbeit mit Dr. Charlotte Kröger, Praxis für Klauengesundheit
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