Investitions-Entscheidungen wie neue Sensoren oder Änderungen im Management konkret anhand der eigenen Herde berechnen – das ermöglicht eine dänische Software.
Wer kennt das nicht? Auf Vorträgen oder in Zeitschriftenartikeln wird ein neuer Trend oder ein Produkt diskutiert. Forschende haben sich mit dem Thema beschäftigt, Versuchsherden weisen positive Ergebnisse auf; Beraterinnen und Berater beginnen, das neue Konzept zu empfehlen. Doch...
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Wer kennt das nicht? Auf Vorträgen oder in Zeitschriftenartikeln wird ein neuer Trend oder ein Produkt diskutiert. Forschende haben sich mit dem Thema beschäftigt, Versuchsherden weisen positive Ergebnisse auf; Beraterinnen und Berater beginnen, das neue Konzept zu empfehlen. Doch funktioniert das auch in der eigenen Herde?
Nicht immer sind die Bedingungen mit den Forschungsergebnissen vergleichbar (z.B. andere Rasse, USA vs. Europa, …) oder es dauert sehr lange, bis sich Veränderungen im Management auch tatsächlich in den Ergebnissen widerspiegeln (z.B. verlängerte Zwischenkalbezeit, Wechsel der Zuchtstrategie, …). Hier setzt ein neues Tool aus Dänemark an. SimHerd ist eine Software, die biologische Veränderungen (wie z.B. die Fruchtbarkeit oder das Auftreten von Krankheiten) mit dem ökonomischen Unterschied verknüpft.
Wie funktioniert SimHerd?
Ausgangspunkt ist eine konkrete Frage, wie zum Beispiel:
Ziel ist, die Klauengesundheit zu verbessern. Dazu wäre aber ein enormer Aufwand nötig, weil die Liegeboxen saniert werden müssten. Lohnt sich das?
Die Brunsterkennung ist bereits sehr gut. Macht es Sinn, dennoch in die aktuellste Sensortechnik zu investieren oder gilt in dieser Herde „never change a running system“?
Lohnt sich gesextes Sperma, und wenn ja, in welchem Umfang?
Rechnet sich dreimaliges Melken oder fressen die Lohnkosten die erwarteten Vorteile auf?
Mit einem Zeitaufwand von etwa zehn Minuten „füttert“ ein Berater oder eine Beraterin die SimHerd-Eingabemaske mit etwa 10 bis 20 Kennzahlen aus der eigenen Herde: Herdengröße, Milchleistung, Milchpreis, Futterkosten, aber auch die Kosten pro Mastitis-Fall oder für eine nachrückende Färse. Durch eine Veränderung eines eingegebenen Wertes oder ein Spielen mit den „Zielen“ lässt sich an den Grafiken rechts ablesen, was eine Änderung ökonomisch pro Jahr bedeutet.
Das Besondere: Simherd soll in der Lage sein, die Konsequenzen aus einer veränderten Bedingung mit den zum Teil weitreichenden Folgen realistisch darzustellen. Beispielsweise bedeutet eine niedrigere Remontierungsrate nicht nur, dass es weniger Schlachtkühe gibt und weniger Färsen nachrücken. Die veränderte Herdenstruktur bedeutet auch, weniger junge Kühe in der Herde zu haben, eine höhere Futteraufnahme, mehr Krankheiten, aber gegebenenfalls eben auch eine andere Persistenz oder Milchleistung in den verschiedenen Altersgruppen.
Zu wissen, wie sich ein solches Szenario in der eigenen Herde ökonomisch äußert, soll eine sehr genaue Folgenabschätzung und Entscheidungsfindung möglich machen. Milcherzeuger Holger Grimm konnte das Programm testen.
„Ich war überrascht, welche Maßnahmen die größten Hebel bieten!“
Ob sich die Investition in Smaxtec-Sensoren für sich und seine Herdenmanagerin lohnt, hat Holger Grimm mit SimHerd genauer abgeschätzt.
(Bildquelle: Stöcker-Gamigliano, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Holger Grimm hat eine gut laufende Herde: 210 Holstein-Kühe, 11.500 kg Milch. Eine genaue Fütterung mit hoher Grundfutterqualität und viel Kontrolle (TMR- und TS-Proben, Fütterungsberatung, monatliche Auswertung des IOFC) sind ihm wichtig. Die Außenwirtschaft macht er selbst; drei Angestellte unterstützen Familie Grimm bei der Arbeit.
SimHerd hat er bereits zweimal genutzt:
| Vor drei Jahren lernte er das Programm bei einer Dänemark-Reise kennen. Mit seinem Berater nutzte er den Algorithmus, um seinen Betrieb einmal „durchzuchecken“. Holger Grimm berichtet: „Ich war überrascht, dass die Baustellen, die ich auf dem Schirm hatte, letztlich gar nicht die wirtschaftlich wichtigsten waren. Wir haben die Reihenfolge angepasst, mit der wir Projekte angegangen sind.“ So hat er z.B. die Fütterung im Trockensteher-Bereich angepasst, die Gruppen verkleinert und mehr Platz geschaffen, um Stress aus der Transitperiode zu nehmen. Die Fallzahlen für Milchfieber und Nachgeburtsverhalten waren nicht über die Maße hoch, hatten dennoch die stärksten monetären Auswirkungen auf das Betriebsergebnis.
| Zuletzt stand die Frage im Raum, in das Sensorsystem von Smaxtec zu investieren. Die Kosten für den Betrieb Grimm beliefen sich auf einmalig 30 €/Tier/Bolus sowie 3 € laufende Kosten pro Tier und Monat. Die Reserven, also die möglicherweise zu erreichenden Ergebnisse, entsprachen laut SimHerd 23.000 €/Jahr (Verbesserung von Konzeptionsrate und Brunsterkennung). Im ersten Jahr kostet Smaxtec den Betrieb Grimm 15.960 € (Anschaffung: 30 x 210 = 6.300 € plus laufende Kosten: 210 x 3€ x 12 Monate = 7.560 € plus eine Remontierung von 35%: 30 € x 70 = 2.100 €). Ab dem zweiten Jahr, ohne einmalige Anschaffungskosten, sinkt dieser Betrag auf 9.660 €/Jahr (laufende Kosten plus Remontierung). Demnach erzielt Holger Grimm allein durch eine Verbesserung der Fruchtbarkeit (ohne bessere Tiergesundheit durch frühzeitigere Alarme etc.) einen Gewinn, weil die Kosten niedriger liegen als die Reserven.
Berater Frank Achelpöhler hat mit den Daten des Betriebes durchgespielt, ob sich eine Investition in ein Brunsterkennungssystem rechnet. Im Hintergrund berücksichtigt der Algorithmus tausende Daten.
(Bildquelle: Landwirtschaftsverlag GmbH)
Die Wirtschaftlichkeitsanalyse ließe sich zudem mit verschiedenen Varianten (niedrigerer Milchpreis, höhere Futterkosten, …) rechnen. Holger Grimm hat sich vor 1,5 Jahren für den Kauf des Brunsterkennungssystems entschieden.
Bislang sind ihm als Pilotbetrieb seiner Beratenden keine Kosten für SimHerd entstanden. Künftig kann er sich jedoch auch vorstellen, für einen regelmäßigen Check-up oder vor Investitionen eine kostenpflichtige Beratung zu nutzen.
Genauigkeit auf Basis von Versuchsergebnissen
Entwickelt wird SimHerd seit den 1990ern von der Universität Aarhus. Der Algorithmus bzw. die dahinter liegende Datenbank bezieht sich auf weltweite, statistisch belastbare Versuchsergebnisse. Auch ein dänischer Datenpool, welcher die dortigen Milchkühe umfasst, ist integriert. „Die Ergebnisse sind auch auf deutsche Milchkühe übertragbar, weil ökonomische Kennzahlen wie Färsenpreis und Futterkosten individuell eingetragen werden“, erklärt Frank Achelpöhler, Beratungsring Hagen/Stubben. Er ist einer der Kooperationspartner für Deutschland.
Man bekommt sehr schnell individuelle, auf den Betrieb zugeschnittene Aussagen, welche Maßnahmen sich lohnen. Ein guter Start für eine konstruktive Diskussion.
Frank Achelpöhler, Landberatung
Dennoch rät er davon ab, sich alleine mit SimHerd auseinanderzusetzen: „Programm und Ergebnisse sind komplex. Es kann Fragen beantworten, aber keine Lösungen kreieren. Dazu braucht es weiterhin den Austausch mit Tierärzten oder Beratern, da alles auf realistischen Annahmen basiert.“ Er empfiehlt eine Neuberechnung, wenn Änderungen im Herdenmanagement vorab überprüft werden sollen oder Investitionen anstehen.
Anwendung durch Tierarztpraxen oder Beratungsringe
Seit 2010 wird SimHerd auch kommerziell vertrieben. Das Unternehmen gehört heute zu 51% der dänischen Zuchtorganisation VikingGenetics. Berater:innen können sich aus der vollumfassenden „Experten“-Version eine auf ihre Bedürfnisse angepasste „Flex“-Lösung gestalten lassen. Eine Tierarztpraxis hat darum vielleicht das Fruchtbarkeitsmodul, während ein Milchkontrollverein mit dem Methanmodul Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasen berät. Weitere Schwerpunkte sind Tiergesundheit sowie (in Dänemark) auch ein Rassenvergleich für die Umstellung von Holstein auf Jersey.
In Dänemark ist es auch möglich, den Umstieg der Herde von Holstein auf Jersey durchzurechnen.
(Bildquelle: Thiemann, Landwirtschaftsverlag GmbH)
Bislang nutzen neben dem Beratungsring Hagen-Stubben e.V. auch die Tierarztpraxis Ottersberg und die Molkerei Arla Teile des Programms. Während SimHerd bei den Ottersbergern in einem Herdenmanagement-Beratungspaket inbegriffen ist, bietet die Landberatung es ab Herbst als Werkzeug in den Arbeitskreisen an. Je nach Anzahl der teilnehmenden Betriebe fallen Kosten von voraussichtlich etwa 10 bis 20 Cent pro Kuh und Jahr an.
Voraussetzung ist jedoch immer das Vorhandensein eines professionellen Herdenmanagement-Programms, denn auf dessen Zahlen baut SimHerd auf. Frank Achelpöhler: „Die Software-Programme, die von den Melktechnik-Herstellern ausgeliefert werden, reichen als Basis oft nicht aus. Wer wirklich an den kleinen Schrauben drehen will, dem empfehle ich ein unabhängiges Programm!“
Wachsende Herdengrößen, Technisierung und Datenflut: Herdenmanagement-Softwares erleichtern die Arbeit. Wann lohnt es in eine unabhängige Software zu investieren?
Einschätzung der Redaktion
Ein spannendes Tool! Die Maske ist übersichtlich, die Ergebnisse prompt, die Möglichkeiten vielfältig. Als Entscheidungsgrundlage für eine Investition oder die Überprüfung einer Strategie kann SimHerd auf jeden Fall einen Baustein liefern. Wichtig ist, mit realistischen Annahmen für Ziele oder Minderungspotenziale zu rechnen.
Dadurch, dass die Markteinführung in Deutschland gerade erst beginnt, müssen Interessierte jedoch etwas suchen, bis sie einen Ansprechpartner finden. Auch die Preisgestaltung bzw. der Umfang der angebotenen Module wird sich künftig sicherlich noch weiter ausdifferenzieren.
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