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Häufig gestellte Fragen
Eine Verlängerung der Laktation lässt sich nicht „einfach so“ umsetzen und ist weder für jeden Betrieb noch für jede Kuh geeignet. Was muss besonders beachtet werden und welche Erfahrungen hat die LIMA Holstein KG in den vergangen anderthalb Jahren gesammelt? Ein Einblick in häufig gestellte Fragen und entsprechende Antworten von Tierarzt André Hüting und Herdenmanager Mathis Benning:
1. Ab welcher durchschnittlichen Milchleistung kann ein Betrieb darüber nachdenken, die Laktationen zu verlängern?
Grundvoraussetzungen sind eine gute Fruchtbarkeit und eine homogene Herde. Zur Milchleistung: 10 % der Herde sollten über 50 kg Milch liegen. Die Milchleistung über 200 Laktationstage sollte im Durchschnitt über 30 kg Milch liegen. Auch wenn es zum Teil großen Spannweiten zwischen Einzeltieren geben kann, sollte diese Milchleistung im Durchschnitt erreicht werden, um die Kühe bewusst später zu besamen.
2. Wie viel Milch sollten Kühe zum Trockenstellen noch mindestens haben, damit es sich rechnet?
Hier ist das Gesamtkonzept entscheidend, d.h. Futterkosten, Stallplätze etc. Grundsätzlich sollte es Ziel sein, dass Kühe maximal 60 Tage trockenstehen. Eine verlängerte freiwillige Wartezeit darf nicht zu einer längeren Trockenstehzeit führen! Bei einer guten Persistenz wird sich diese Frage somit nur noch bei Einzeltieren stellen. Allgemein ist häufig rein betriebswirtschaftlich sinnvoll, Kühe mit mindestens 20 kg Milch trockenzustellen – bei einem angepassten Fütterungsmanagement mit einer hohen Trogration. Aber: Auch hier immer tierindividuell schauen. Vor zu hohen Leistungen zum Trockenstellen sollte man allgemein keine „Angst“ haben, da man diese Kühe erst einmal haben muss und sie sich dann in der Regel gut managen lassen im Hinblick auf das Trockenstellen.
3. Welchen Einfluss hat die Einstiegsleistung auf die Persistenz?
Eine hohe Einstiegsleistung ist wichtig, bedeutet aber nicht automatisch eine gute Persistenz (Gruppenwechsel, Fütterung, Gesundheit etc. haben Einfluss). Grundsätzlich kann man aber sagen, dass je höher die Einstiegsleistung bei einer guten Gesundheit ist, desto besser auch die Persistenz hinten raus ist. D.h. sie bedingen sich nicht gegenseitig, dennoch ist eine hohe Einstiegsleistung ein Muss, um die Strategie verlängerter Laktationen in Angriff zu nehmen.
Und wie ist die Faustformel „Milchleistung an Tag 30 (+/-) mal drei als FWZ“ anzusehen?
Als grobes Muster für den Start funktioniert eine derartige Faustformel. Aber: Es ist nicht die passende Lösung für jeden Betrieb. Besser ist es, weniger pauschal und stattdessen betriebs- und tierindividueller zu entscheiden. Zudem spielen neben der Milchleistung weitere Faktoren eine wichtige Rolle wie zum Beispiel die Kondition (Verfettung) oder die Fruchtbarkeit.
4. Ist eine Zwischenkalbezeit von 480 bis 500 Tagen in Zukunft vorstellbar?
Entscheidend ist der Einzelbetrieb! Hier kann keine allgemeine Zahl genannt werden, weil jeder Betrieb individuell entscheiden muss, mit welcher Zwischenkalbezeit er gut fährt (Ziel: Mehrwert!). Jede Kuh, die später besamt werden kann, ist eine mehr. Es geht vor allem darum, einen Weg zu finden, schrittweise und langfristig in die Richtung zu gehen, um sich frühzeitig auf (zukünftige) Herausforderungen wie die schwierige Kälbervermarktung vorzubereiten.
5. Welche Chancen bietet die Genetik, wenn es (mehr) Zuchtwerte zur Persistenz gibt?
Die Genetik der Kühe ist ein weiterer Baustein, der sicher viel Einfluss haben kann, aber auch nur langfristig angegangen werden kann. Bisher sind aber Faktoren wie Fütterung oder Leistungsgruppen in den meisten Betrieben noch entscheidender. Bei der LIMA Holstein KG zeigt sich aber deutlich, welche Kuhfamilie Persistenz-stark sind oder eben nicht – hier sind genetische Unterschiede deutlich erkennbar.
6. Ist die Strategie nur für Hochleistungsbetriebe bzw. -rassen sinnvoll oder auch für Doppelnutzungsrassen wie Fleckvieh?
In der Regel steht die Frage der Kälbervermarktung im Mittelpunkt. Trotz mittlerweile oft hohen Leistungen in Fleckviehherden, ist die Vermarktung von Fleckviehkälbern nicht mit Holsteinkälbern zu vergleichen und für viele Betriebe ein wichtiger Einkommensfaktor. Allein aus diesem Grund ist die Strategie bisher eher bei Holsteinbetrieben anzusehen.
Und was gilt bei Jerseys?
Bei Jerseys gibt es zwar durchaus eine Nachfrage nach weiblichen Kälbern, dagegen ist die Vermarktung männlicher Kälber aber noch deutlich schwieriger als bei Holsteins. Hier wird viel über den Einsatz von gesextem Sperma geregelt. Eine Verlängerung der Laktation ist hier bisher eher weniger Thema bzw. nicht bekannt.
7. Sollte man das EKA bei der Entscheidung zur Erstbesamung von Färsen berücksichtigen?
Das sollte man vom möglichen Gruppensystem im Laktierenden-Bereich abhängig machen. Bei Färsengruppen haben die jungen Tiere häufig mehr Platz und Ruhe, sodass sie sich intensiv körperlich weiterentwickeln können. Hier können schon 22 bis 25 Monate EKA angestrebt werden – entscheidend ist aber eine gute Aufzucht und das Bewusstsein, dass die Tiere noch bis zum zweiten Kalb wachsen sollten. Bei der LIMA Holstein KG liegt das durchschnittliche EKA derzeit bei 25 Monaten und soll in Zukunft weiter gesenkt werden. Bei der Entscheidung des Besamungszeitpunkt zum zweiten Kalb achten sie nicht auf das Alter der Tiere (stattdessen auf Milchleistung, Persistenz, Genetik und BCS).
8. Ist der Besamungserfolg besser, wenn die Kühe später besamt werden?
Bei der LIMA Holstein KG hat sich bisher gezeigt, dass hochleistende Kühe zu einem späteren Zeitpunkt besser tragend werden. Der Besamungsindex liegt derzeit bei ca. 2,5 Besamungen pro Kuh.
Und konnte der Hormoneinsatz bereits reduziert werden?
Ja, das OvSynch-Prorgramm wurde deutlich reduziert. Derzeit werden noch rund 15 bis 20 % der Kühe hormonell behandelt (Reinigung und/oder OvSynch ab der dritten Besamung). Hormone werden also grundsätzlich nur noch tierindividuell eingesetzt, wenn Kühe schlecht tragend werden.
9. Werden auch die Inhaltsstoffe für die Entscheidung der FWZ einbezogen?
Bei der LIMA Holstein KG spielen die Inhaltsstoffe bei der Entscheidung keine Rolle, darüber könnte man in Zukunft nachdenken. Oberste Priorität sollten die Inhaltsstoffe dabei aber nicht einnehmen. Neben den Parametern aus dem Büro (Milchleistung, Inhaltsstoffe etc.) ist vor allem die Kontrolle im Stall, d.h. direkt an den Kühen, sehr wichtig. Zu viele reine Daten erschweren die Entscheidung.
10. Bis zu welchem Laktationstag oder Milchleistung werden die Kühe maximal besamt?
In der Regel werden die Kühe der LIMA Holstein KG so lange besamt, bis sie bei unter 30 kg Milch liegen (aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen). Der Laktationstag ist nicht entscheidend. Im Zweifel sind eher andere Faktoren Zellzahl bzw. Eutergesundheit ausschlaggebend für die Entscheidung, wie viele „Chancen“ die Kuh noch bekommt.
11. Werden Kühe auch ohne Brunstanzeichen bis über 100 Tage laufen gelassen und wann werden (tierindividuell) Sterilitätsuntersuchungen durchgeführt?
Auch bei einer verlängerten freiwilligen Wartezeit sollten die Kühe einen regelmäßigen Zyklus zeigen! Bei der LIMA Holstein KG werden alle Kühe (ganz gleich, wann sie wieder besamt werden), die ab dem 60. bis 70. Laktationstag keine Brunst zeigen, bei der Bestandsbetreuung kontrolliert. Das gilt auch, wenn sie unregelmäßig brünstig sind. Tierarzt André Hüting ist in der Regel alle zwei Wochen zur Bestandsbetreuung im Betrieb.
12. Wonach sind die Laktierenden unterteilt und wird auch unterschiedlich gefüttert?
Eine Färsengruppe (ca. 60 Tiere), eine Zweitlaktierenden-Gruppe (ca. 55 Tiere) und eine Altkuh-Gruppe, d.h. dritte Laktation und mehr (ca. 110 Tiere). Die Ration am Trog ist in jeder Gruppe gleich. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Erstlaktierende in der Spitze 1 kg weniger Kraftfutter am Melkroboter bekommen als Mehrlaktierende.
13. Wo liegt die Zwischenkalbezeit aktuell und was ist das Ziel für die Zukunft?
Die LIMA Holstein KG ist vor gut anderthalb Jahren bei einer ZKZ von 395 Tagen gestartet und sind jetzt bei 420 Tagen im Durchschnitt. Das Plus von knapp 25 Tagen heißt, dass die gesamte Herde in etwa um eine Brunst nach hinten verlagert wurde. Durch das automatische Melksystem ist es sehr wichtig, sehr strategisch und langsam vorzugehen, um gleichmäßige Abkalbungen und eine entsprechend gleichmäßige Auslastung am Melkroboter sicherzustellen.
14. Werden auch die Besamungsbullen bei der Entscheidung mit einbezogen, zum Beispiel, ob die Kuh mit Holstein- oder Fleischrassenbullen besamt wird?
Eher nein, weil bei der LIMA Holstein KG 90 % aller Kühe mit Fleischrassebullen besamt werden. Die 10 % besten Kühe sowie die Jungrinder werden gesext besamt. Es werden nur noch „Restbestände“ an konventionellem Holsteinsperma aufgebraucht und zum Teil bei Kühen eingesetzt, von denen der Verkauf eines Deckbullen interessant sein könnte. Ziel ist es, zukünftig gar keine Holsteinbullenkälber mehr zu produzieren und nur noch die weibliche Nachzucht zu produzieren und aufzuziehen, die zur Remontierung benötigt werden.
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Eine Bildergalerie zum Drehtag
Hinweis: In dem Film und auf den Bildern zum „Making Of“ sehen Sie das gesamte Team ohne Masken, da zuvor alle Personen negativ auf Corona getestet wurden.
In Zukunft mit weniger Kälbern?
Hier finden Sie weiterführende Artikel zu verlängerten Laktationen und der Kälbervermarktung:
- In Zukunft mit weniger Kälber – Der Umgang mit Kälbern gerät zunehmend in die Kritik. Wie lässt sich die gesellschaftliche Akzeptanz verbessern?
- Niederlande: Kälbermast in der Kritik – Aktuelle Vorschläge seitens der Politik könnten die niederländische Kälbermast in Zukunft massiv einschränken. Das würde auch deutsche Milcherzeuger betreffen.
- Persistenz und Peakleistung – Mehr Milch und weniger Kälber durch verlängerte Laktationen! Milcherzeuger Herbert Te Selle zeigt, dass das auch ohne flache Laktationskurven funktioniert.