Der alte Trecker springt knatternd an. Simon Hoffmann senkt die Fräse tief in den Boden und fährt in langen Bahnen den Stall auf und ab. Kühe, die bislang noch alleine oder in Kleingruppen entspannt durcheinandergelegen haben, stehen auf und machen sich auf den Weg in Richtung Melkstand. Eine junge Fleckvieh-Färse rennt der Herde haken-schlagend hinterher.
Mehr Komfort: keine Liegebeulen mehr
Simon Hoffmann bewirtschaftet einen Milchkuhbetrieb mit 65 Kühen im nördlichen...
Der alte Trecker springt knatternd an. Simon Hoffmann senkt die Fräse tief in den Boden und fährt in langen Bahnen den Stall auf und ab. Kühe, die bislang noch alleine oder in Kleingruppen entspannt durcheinandergelegen haben, stehen auf und machen sich auf den Weg in Richtung Melkstand. Eine junge Fleckvieh-Färse rennt der Herde haken-schlagend hinterher.
Mehr Komfort: keine Liegebeulen mehr
Simon Hoffmann bewirtschaftet einen Milchkuhbetrieb mit 65 Kühen im nördlichen Baden-Württemberg. 2015 hat der heute 30-jährige den Betrieb von seinen Eltern übernommen. Zunächst war angedacht, den Kuhstall umzubauen und die Rinder in einem neu zu errichtenden Stall unterzubringen. Doch während seiner Meisterarbeit entschied sich Simon Hoffmann, die damals 40 Kühe nicht mehr auf Hochboxen halten zu wollen. Zu beengt waren die Verhältnisse, zu unruhig die Bauphase im laufenden Betrieb für die Herde; zumal damals keine Ausweichmöglichkeit in Form von Weidegang vorgesehen war.
Ich habe drei kleine Kinder – durch Mechanisierung Zeit zu sparen, war mir wichtig!
Simon Hoffmann
„Ein Artikel im Wochenblatt über einen Kompoststall hat mich dann förmlich elektrisiert“, erzählt er, „ich habe mir einen Kompoststall angeschaut und von da an nicht mehr mit Liegeboxen geplant.“ Wobei es sich streng genommen um einen Kompostierungsstall handelt – das Einstreu zersetzt sich aktiv im Stall; es wird kein fertiger, im Vorfeld erhitzter Kompost in den Stall eingebracht.
Neubau für 3.800 Euro pro Kuhplatz
Ausschlaggebend waren für Simon Hoffmann letztlich der Kuhkomfort und die Möglichkeit der Mechanisierung: „Bei 60 Kühen ist es normalerweise schwierig, alle Arbeitsschritte im Stall mit Maschinen zu bewältigen. Es haben z.B. wenige mit dieser Herdengröße ein eigenes Einstreugerät. Im Kompoststall mache ich alles mit dem Trecker.“
Körperschonendes Arbeiten ist dem dreifachen Familienvater wichtig. Weil der Stall zudem mit wenig „Innenleben“ auskommt (günstige Aufstallung, nur ein befestigter Gang mit Schieber), waren die Investitionskosten relativ niedrig: rund 3.800 Euro pro Kuhplatz ohne Melktechnik hat Simon Hoffmann für seinen Stall bezahlt.
Niedrige Einstreukosten durch Kooperation
Normalerweise fallen bei einem Kompoststall allerdings vergleichsweise hohe Einstreukosten an: Rund 18 bis 20 m³ Einstreu je Kuh und Jahr sind nötig. Viele nutzen Holzhäcksel, Sägemehl, Miscanthus oder Dinkelspelzen; Dinkelspelzen kosten rund 10 €/m³. Bei einem Betrieb wie Hoffmann summieren sich die Kosten für Einstreumaterial somit leicht auf 110 bis 300 € pro Kuh und Jahr.
Um die Einstreukosten zu senken, hat sich der Milcherzeuger etwas anderes einfallen lassen. Er verpachtet einen Reisig-Sammelplatz an die örtliche Abfallwirtschaft. Die dort abgeladenen Holzabfälle werden geschreddert, abgesiebt und die groben und holzigen Teile in einem Wärmekraftwerk verwertet. Das feine Material (< 35 mm) eignet sich gut als Einstreu. Doch es fällt unter die Bio-Abfallverordnung und muss deshalb alle drei Monate umfangreich (und teuer: rund 3.500 Euro/Analyse) beprobt werden.
Gemeinsam haben wir ein Projekt geschaffen, das gerne Nachahmer finden darf, denn es spart Kosten auf allen Seiten.
Simon Hoffmann
In vielen Gespräche konnte Simon Hoffmann die Verantwortlichen überzeugen und hat gemeinsam mit der Abfallwirtschaft eine Win-Win-Win-Situation geschaffen: In dem auf zehn Jahre angesetzten Projekt muss er aufgrund der geringen Mengen nur alle drei Jahre eine Probe abgeben. Simon Hoffmann erhält jährlich 300 t Einstreu kostenlos frei Hof, die Abfallbetriebe müssen nicht für die Entsorgung aufkommen, und die Nährstoffe bleiben in der Region und in der Landwirtschaft (sichere N-Bindung!). Ein Faktor, der in der geplanten Bio-Umstellung für Hoffmann zunehmend wichtig wird.
Hygienisierung des Materials
| Die Voraussetzung für die Verwendung der Holzabfälle ist eine Hygienisierung: Das Material muss mindestens 14 Tage lang eine Temperatur von über 55°C aufweisen und mindestens zwei Monate gelagert werden, um Krankheitserreger wie das Tabak-Mosaik-Virus oder Tomatensamen sicher abzutöten. Ob dies gelingt, zeigen die oben angesprochenen Proben.
| Die Lagerung muss nicht überdacht geschehen, doch das Sickerwasser muss ebenfalls durch die Hygienisierung.
Mehr Experimente als im Liegeboxenstall
Bei Hoffmann verbleibt der Kompost für sechs Monate im Stall und wird danach auf seine Flächen ausgebracht. Zweimal täglich fräst er das Material, um Luft in die Einstreu einzubringen und Kot und Urin einzuarbeiten. Er nutzt eine Mischung aus 90% Holzhäcksel und 10% Dinkelspelzen. Durchschnittlich alle 14 Tage bringt er neue Einstreu mit der Treckerschaufel ein. „Man muss schon ein wenig experimentierfreudig sein, um einen Kompoststall zu betreiben“, berichtet Simon Hoffmann, „es gibt wenig Lösungen von der Stange. Ich musste zum Beispiel lernen, wie ich hier am Standort einstreuen muss, damit die Kühe trocken liegen.“
Sind von Oktober bis Dezember mindestens zwei neue Gaben pro Woche nötig, kann es im Sommer ausreichen, nur einmal im Monat einzustreuen. Zeit wird’s, wenn’s klumpt und an den Kühen klebt! Tipps wie diese bekommt Simon Hoffmann aus einer WhatsApp-Gruppe, in der er sich mit etwa 40 anderen Kompoststall-Betreibern zusammengeschlossen hat. Hier diskutiert er auch Lösungen für die Holzanteile in der Gülle, die ab und zu die Schleppschläuche des Güllefasses verstopfen.
Heute würde ich sogar noch großzügiger planen: Je mehr Platz, desto mehr Einstreu spart man pro Kuh!
Simon Hoffmann
Bei Hoffmann hat jede Kuh 8,8 m² Liegefläche zur Verfügung. Heute würde er den Stall großzügiger planen (12 bis 14 m²/Kuh): „Je mehr Platz, desto mehr Einstreu spart man pro Kuh!“ Zudem würde er statt einem Schieber bei dem planbefestigten Laufgang auf einen Saugroboter setzen, der gleichzeitig den Laufhof mitreinigen könnte; und die Einfahrtstore größer gestalten.
Stall als Basis fürs Herdemanagement
Der Ranschiebe-Roboter fährt am Futtertisch gerade das Futter zusammen, leise rieselt ein wenig Kraftfutter auf die Mischration. Neben einer schwarzbunten steckt eine braune Kuh ihren weißen Kopf unter dem Nackenrohr hindurch, gleich nebenan erscheint eine schwarz gedeckte Kuh mit typischem „Fleckvieh-Schädel“. Für die Aufstockung hat Simon Hoffmann eine Gruppe Fleckvieh-Kühe zugekauft. Darunter waren auch einige Kreuzungstiere. „Von denen war ich wirklich begeistert! Unauffällig, spätreif, fruchtbar – genau das, was ich will“, findet er. Auf Basis dieser Erfahrung will er in Zukunft auf die Drei-Rassen-Kreuzung setzen.
Bessere Fruchtbarkeit, Futtereffizienz und mehr Lebensgewinn verspricht die Dreirassenkreuzung. Tipps für die Zucht- und Anpaarungsstrategie.
Leider hat die Aufstockung auch einige gesundheitliche Probleme bei den Kühen nach sich gezogen. Deswegen ist in den nächsten Jahren erst einmal Stabilisieren und Optimieren angesagt, zumal er auch die Außenwirtschaft seines Betriebes selber managt. Simon Hoffmann will vor allem die Grundfutter-Verwertung seiner Herde steigern, da durch die Umstellung auf Bio die Kraftfutterkosten zunehmen. „Der neue Stall dient mir dabei als Basis. Mittlerweile bin ich froh, dass ich mich gegen einen Umbau entschieden habe. Das wäre bei uns doch alles viel zu beengt gewesen – gerade auch im Hinblick auf künftige Herausforderungen wie z.B. durch die Bochert-Kommission!“
Ein Update: Die Nutztierstrategie der Borchert-Kommission betrifft auch Milchkuhbetriebe. Informationen und aktueller Stand.
Fazit: Simon Hoffmann hat es geschafft, seine Kosten trotz Stallbau nicht exorbitant in die Höhe zu treiben. Auch, wenn man vor dem Bau mit der eigenen Molkerei abklären sollte, ob Milch aus einem Kompostierungsstall erlaubt ist (genaue Definition berücksichtigen!), lohnt es sich, die Augen nach unkonventionellen Lösungen offen zu erhalten. Vielleicht ergibt sich ja auch etwas in Ihrer Region?
Weitere Tipps zum Thema Stallbau und Arbeitserledigung finden Sie hier:
Die Aktion #milchmacher
Fehlende Flächen, wenig Niederschlag, Arbeitskräftemangel … Die Probleme, mit denen sich Milcherzeuger auseinandersetzen müssen, sind vielfältig. In unserer Reihe „
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