Die Ad-libitum-Tränke verspricht gesündere Kälber, die sich besser entwickeln und früher besamt werden können. Im Elite Stallgespräch haben wir darüber mit Tierärztin Rebecca Rehage gesprochen.
Zu ihren wichtigsten Tipps, wie diese Tränke funktioniert, gehört unter anderem, auf eine sehr gute Hygiene in der Kälberaufzucht zu achten. Dazu gehören neben der Reinigung der Eimer und Nuckel auch gut gemanagte Iglus mit viel sauberer Einstreu. Damit kein Durchfall auftritt, müssen Herdenmanager die Kälber gut mit Kolostrum versorgen und intensiv beobachten. Außerdem müssen Anmisch-Protokolle der Milchaustauschertränke streng eingehalten werden. Was sie noch empfiehlt, lesen Sie hier:
Viele Milcherzeuger haben Sorge vor vermehrtem Durchfall, wenn sie ihre Kälber ad libitum tränken. Zehn Tipps, wie das Tränkeregime gelingt.
Neben dieser Tipps gibt es zur Ad-libitum-Tränke immer wieder Fragen. Einige davon haben wir hier für Sie beantwortet.
Wie viele Mahlzeiten Biestmilch sollte man dem Kalb füttern bevor man mit ad libitum beginnt?
Das nach der Geburt aufgenommene Kolostrum schützt das Kalb in den ersten Lebenswochen gegen Krankheitserreger. Die in der Kolostralmilch enthaltenen Immunglobuline werden über die Darmwand aufgenommen und gelangen so in die Blutbahn des Kalbes.
Nur in den ersten Lebensstunden kann die maximale Menge an Immunglobulinen durch die Darmwand aufgenommen werden. Nach der 6. Lebensstunde nimmt die Durchlässigkeit der Darmwand massiv ab. Nach 12 ist die Darmschranke für Immunoglobuline geschlossen. Füttert man Kolostrum danach, hat es „nur noch“ lokalen Schutz im Darm. Für die Ad-libitum-Tränke bedeutet das, dass man spätestens 24 Stunden nach der Geburt Nuckeleimer im Iglus aufhängen und mit der Ad-libitum-Tränke beginnen kann.
Wie kontrolliert man Kolostrum auf Qualität?
Die Qualität des Kolostrums lässt sich anhand des Gehalts an Immunglobulin G (IgG) bestimmen. IgG macht den größten Anteil an Immunglobulinen in der Biestmilch aus. Dieser Gehalt kann (je nach Versorgungslage der Kuh, Stress, etc.) stark schwanken. Von einer guten Qualität spricht man bei einem Gehalt von 50 g IgG/l Biestmilch. Übrigens: Je weniger Bakterien in der Kolostralmilch zu finden sind, desto höher ist später der Immunglobulin-Gehalt im Blut der Kälber.
Welche
Geräte es für die Qualitätskontrolle gibt und wie man sie benutzt, lesen Sie hier:
Ist das Kolostrum minderwertig, kann dies zu einer schlechten Immunisierung des Kalbes und damit zu gesundheitlichen Problemen führen. Wir haben deshalb sechs Kolostrum-Tester für Sie ausprobiert.
Kann man auch Joghurt-Kulturen ad libitum füttern?
Einzelne Milcherzeuger vertränken Kefir an ihre Kälber. Das soll gut für den Darm sein. Eigentlich spricht nichts dagegen. Wichtig dabei ist jedoch, dass der Joghurt nicht umkippt und so fest wird, dass er nicht mehr durch den Nuckel gesogen werden kann.
Ist der prophylaktische Einsatz von Halofuginon bei Ad-libitum-Tränke sinnvoll?
Halofuginon, z. B. Halocur, wirkt gegen Kryptosporidien. Das Produkt muss allerdings ganz exakt dosiert werden, da die Kälber sonst Bauchschmerzen bekommen können, weil es den Darm reizt. Was wichtiger ist als prophylaktisch Medikamente einzusetzen: Eine Spezialdesinfektion, die gegen Kryptosporidien wirkt, nach dem Reinigen der Eimer und Nuckel. Nach der Reinigung mit Wasser und Seife wird dieser Schritt oft vergessen.
Auch der Platz, auf dem das Iglus steht, muss nach der Reinigung desinfiziert werden, um die Keime unschädlich zu machen. Wenn der Infektionsdruck zu hoch wird, ist der Einsatz von Halocur sicherlich sinnvoll. Das Problem allerdings, das damit gelöst werden soll, sitzt aber ganz woanders, nämlich in der Hygiene.
Mehr Tips zum Umgang mit Kryptosporidien finden Sie hier.
Wie häufig und wie sollte man die Eimer reinigen?
Die Tränkeeimer samt Nuckel sollte man nach jedem Kälberdurchgang gründlich reinigen und desinfizieren. Während der Tränkephase sollte man den Eimer zusätzlich einmal am Tag reinigen und zwei bis dreimal die Woche desinfizieren. Ganz wichtig: Nach der Reinigung müssen die Eimer trocknen. Dafür sollten sie auf keinen Fall ineinander gestapelt sein, sondern am besten kopfüber aufgehängt werden, damit alle Flüssigkeit abtropfen kann. Andernfalls bildet sich ein feucht-warmes Milieu, das wieder einen idealen Nährboden für infektiöse Mikroorganismen bildet. Tipp: Nuckel lassen sich gut in der Spülmaschine reinigen.
Eine
Checkliste für die Reinigung mit den einzelnen Schritten lesen Sie hier:
Eine intensive Reinigung von Tränkeeimern der Kälber kann den Infektionsdruck im Kälberstall senken. So säubern Sie Nuckel und Eimer richtig, ohne dass ein Biofilm bleibt.
Wie kann ich bei der Ad-libitum-Tränke sicherstellen, dass jedes Kalb genug trinkt?
Dass alle Tiere in einer Gruppe die gleiche Menge bekommen, lässt sich nur über automatische Tränksysteme oder individuelle Eimer für jedes Tier sicherstellen. Wenn Milchbars verwendet werden, lässt sich nur schwer abschätzen wer wie viel getrunken hat.
Kälber haben aber ohnehin alle ein unterschiedliches Trinkbedürfnis. Einzelne Tiere trinken 8 Liter am Tag, andere 14 Liter oder mehr. Manche ziehen zwei Mal am Tag 5 Liter weg, andere trinken kleine Mengen über den ganzen Tag verteilt. Insofern ist nur wichtig, dass immer genug Milch zur Verfügung steht, damit alle ihr Trinkbedürfnis zu jeder Zeit stillen können
Man kann aber auch die Tränkemengen dokumentieren. Das geht entweder über eine Liste auf Papier sowie Kreide-Markierungen am Eimer oder z. B. Parkuhren, die über den Nuckeleimern angebracht sind.
Wie stelle ich sicher, dass das Kalb gesund ist, wenn sie bei der Ad-libitum-Tränke zum Trinken nicht aufstehen?
Werden Kälber ad libitum gefüttert, stehen sie nicht unbedingt auf, wenn die Nuckeleimer wieder aufgefüllt werden. Man kann anhand einiger Punkte dennoch auch bei liegenden Kälbern den Gesundheitsstatus überprüfen. Ein gesundes Kalb hat:
- keinen Nasen- oder Augenausfluss;
- eine ruhige Atmung ohne Husten;
- glattes, nicht struppiges Fell und
- sind aufmerksame Beobachter.
Tipp: Für eine bessere Beobachtung kann es helfen, die Kälber einmal am Tag aufzuscheuchen und sie dann zu beobachten.
Worauf Sie dabei achten können, lesen Sie hier:
Aufzuchtkälber zeigen oft an ihrem Verhalten an, ob Gesundheit, Fütterung und Haltung stimmen. Tipps, wie Sie das Tierwohl direkt an ihren Kälbern ablesen können.
Wie kann ich den dünneren Kot bei der Ad-libitum-Tränke von Durchfall abgrenzen?
Kälber, die mit Ad-libitum-Tränke gefüttert werden, haben einen dünneren Kot. Dieser darf nicht mit Durchfall verwechselt werden. Es gibt allerdings keine klare eindeutige Abgrenzung zwischen dünnerem Kot und Durchfall. Die Abgrenzung ist fließend. Wenn der Kot allerdings richtig wässrig ist, ist es auf jeden Fall Durchfall.
Wer sich unsicher ist über die Kotkonsistenz seiner Kälber, der kann das Kalb zusätzlich untersuchen: Dafür Temperatur messen. Diese liegt bei einem gesunden, nicht-durchfallkranken Kalb bei zwischen 38,8 und 39,5°C. Zusätzlich kann man kontrollieren, ob das Kalb mit Ohrenspiel auf die Umgebung reagiert, noch säuft und generell agil ist.
Tipps, wie Sie ein krankes Kalb identifizieren könne, finden Sie im Kälber-Check.
Muss ich bei Ad-libitum-Tränke mit Vollmilch dem Kalb zusätzlich Eisen zuführen?
Zu dem Thema Eisangabe gibt es viele Diskussionen. Der Eisengehalt im Wasser (bzw. die Verfügbarkeit von Eisen) kann zwischen den Regionen in Deutschland stark schwanken. Liegt der Betrieb in einem ausgewiesenen Eisenmangel-Gebiet und man weiß, dass die Kälber während der Tränkephase einen Eisenmangel haben, dann macht eine zusätzliche Eisengabe Sinn. Bei Verdacht auf Eisenmangel hilft es, die Bindehäute der Kälber zu kontrollieren. Wenn diese ein bis zwei Tage nach der Geburt sehr blass sind, sollte man den Tierarzt rufen. Dieser kann den Verdacht mit einer Blutprobe bestätigen und man kann über die Tränkephase zusätzlich Eisen geben.
Achtung: Grundsätzlich allen Kälbern während der Tränkephase Eisen zu verabreichen, kann auch kontraproduktiv sein. Denn: Bei latenten Infektionen reguliert der Körper seinen Eisengehalt selbstständig runter, da bestimmte Bakterien wie z. B. E. Coli Eisen für die Vermehrung brauchen. Besteht kein Eisenmangel, kann man mit zusätzlichen unnötigen Eisengaben das Wachstum unerwünschter Bakterien fördern!
Muss ich mir Sorgen machen, wenn die Kälber beim Auffüllen der Eimer schon den Großteil der Tränke saufen?
Nein, das kann ganz normal sein. Solange die Kälber gesund und vital sind und keinen Durchfall bekommen, muss man sich keine Gedanken darüber machen.
Kälber können zuweilen hastiger saufen, wenn die Tränke warm ist. Das bedeutet aber nicht, dass die Tränke unbedingt warm sein muss.
Alles über 8°C macht für die Kälbergesundheit keinen Unterschied.
Wenn man die Tränkemenge reduziert, sollte man den Eimer ganztags hängen lassen oder nur noch begrenzt am Iglus hängen lassen?
Besser als den Eimer nur stundenweise am Iglu hängen zu lassen ist es, ihn tagsüber hängen zu lassen und nur die Tränkemenge zu reduzieren. Bleibt der Eimer hängen, können die Kälber weiter am Nuckel saugen und so ihren Saugreflex stillen. Durch das Nuckeln wird außerdem zusätzlich die Speichelproduktion angeregt.
Um die Kälber nicht zu „frustrieren“, dass aus den Nuckeln weniger Tränke kommt, kann es helfen, die Umgebung der Kälber anzureichern. Inzwischen gibt es den Ansatz, im Kälberstall Bälle und Ketten und Spielzeug anzubringen.
Tipp dafür lesen Sie hier:
Diese drei Kälberspielzeuge finden wir hinsichtlich Attraktivität, Alltagstauglichkeit und Hygiene besonders interessant.
Muss man Vollmilchaufwerter einsetzen?
Tränkt man seinen Kälbern Vollmilch ad libitum, muss diese nicht unbedingt aufgewertet werden. Milch ist das, was ein Kalb normalerwiese trinken sollte. Vollmilch, so wie sie aus dem Euter kommt, ist ideal für das Kalb. Lediglich Betriebe, die ein akutes Problem mit sehr niedrigen Fett- und Eiweißwerten in der Milch haben, ist ein Aufwerter anzuraten.
Kann man Milchaustauscher und Vollmisch für die ad-libitum-Tränke mischen?
Das kann man sicherlich machen. Ein Vorteil könnte sein, dass immunfähige und Wachstumsfaktoren aus der Vollmilch mit verfüttert werden. Notwendig ist das Vermischen von MAT und Vollmilch aber nicht. Achtung: Milchaustauscher sollte immer nach Herstellerangaben angemischt werden. Am besten darauf achten, ob der Milchaustauscher mit Milch oder Wasser angerührt werden muss.
Womit kann ich die Ad-libitum-Tränke ansäuern?
Ob eine Ansäuerung notwendig ist, ist betriebsindividuell. Empfehlenswert ist eine Ansäuerung, wenn die Qualität der Milch nicht einwandfrei ist, bei hohen Temperaturen und wenn die Eimer nicht regelmäßig gereinigt werden. Durch das Ansäuern bleibt die Qualität der Tränke über den ganzen Tag gleich und die Kälber können diese besser verdauen. Ist die Milchqualität gut, muss nicht unbedingt angesäuert werden.
Kolostrum sollte nicht angesäuert angeboten werden. Die Ad-libitum-Tränke kann ab dem zweiten Lebenstag mit Propion-, Zitronen-, Ameisensäure oder auch Apfelessig. angesäuert werden. Gut ist es, die Dosierung über zwei Tage langsam zu steigern, damit die Kälber über ca. zwei Tage langsam an die Ansäuerung gewöhnt werden. Wichtig ist, kalte Milch (15 °C) zu verwenden und die Säure zuerst in ein kleine Menge Milch einzurühren, bevor die gesamte Tränkemenge damit angesäuert wird. So erreicht man die bestmögliche Vermischung.
Wichtig: Der pH-Wert der angesäuerten Tränke sollte stets über 5,5 liegen. Das lässt sich am besten über digitale pH-Meter kontrollieren, nach jedem Anmischen! Die digitalen pH-Meter sind wesentlich genauer als Teststreifen, müssen allerdings unbedingt regelmäßig neu kalibriert werden, weil die Genauigkeit schnell nachlässt.
Woran kann es liegen, wenn die Kälber sich bei Ad-libitum-Tränke vermehrt besaugen?
Wenn Kälber sich gegenseitig besaugen, kann das unterschiedliche Gründe haben, z.B. Stress in der Umgebung nach einer Umstallung in eine andere Gruppe. Oder sie werden gerade abgetränkt und haben das Gefühl, dass sie gerne mehr saufen würden. Wenn Kälberställe überbelegt sind, kommt Besaugen ebenfalls häufiger vor, weil die Tiere weniger Ausweichmöglichkeiten haben.
Was helfen kann, ist die Umgebung anzureichern und Kälbern die Möglichkeit zu geben, an anderen Dingen zu saugen als an ihren Mitbewohnern im Stall.
Tipps dafür gibt es hier.
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