Vor allem in Bio-Milchkuhbetrieben wird das Thema bereits verstärkt diskutiert: Sollen künftig auch Kälber schon ab der 16. Lebenswoche auf die Weide gehen, wie es z.B. in Österreich schon seit diesem Jahr für Biobetriebe Vorschrift ist?
Untersuchungen und auch Praxisbetriebe zeigen, dass Vollweide bei Jungvieh ab dem 5. Lebensmonat – das heißt tagsüber und nachts – gut funktioniert. Mit jüngeren Tieren gibt es bisher deutlich weniger Erfahrungen, laut Beratern sind dabei...
Vor allem in Bio-Milchkuhbetrieben wird das Thema bereits verstärkt diskutiert: Sollen künftig auch Kälber schon ab der 16. Lebenswoche auf die Weide gehen, wie es z.B. in Österreich schon seit diesem Jahr für Biobetriebe Vorschrift ist?
Untersuchungen und auch Praxisbetriebe zeigen, dass Vollweide bei Jungvieh ab dem 5. Lebensmonat – das heißt tagsüber und nachts – gut funktioniert. Mit jüngeren Tieren gibt es bisher deutlich weniger Erfahrungen, laut Beratern sind dabei auch die Herausforderungen größer: „Die große Gefahr ist, dass wir uns mit einer Weidepflicht bei jungen Kälbern ein Kokzidien-Problem in die Bestände holen können“, erklärt Siegfried Steinberger von der LfL Bayern.
Die Begründung: Aufgrund der nötigen Hofnähe sind viele Betriebe gezwungen, immer die gleiche Fläche für die Kälberweide zu nutzen. Wenn hier dann auch noch Feuchtstellen vorhanden sind oder feuchte Wetterbedingungen vorherrschen, wird die Fläche schnell zu Matsch und die Tiere nehmen verstärkt verschmutztes Futter auf. Die Folge ist eine steigende Kokzidienlast. Schon allein aus diesem Grund, sei eine pauschale Weideverpflichtung, wie sie z.B. für Biobetriebe aktuell diskutiert wird, nicht praktikabel, kritisiert Steinberger.
Die große Gefahr ist, dass wir uns mit einer Weidepflicht bei jungen Kälbern ein Kokzidien-Problem holen können.
Siegfried Steinberger, LfL Bayern
Austrieb im April
Auch bei sehr jungen Kälbern gilt: Wenn sie schon früh an die Weide gewöhnt werden, kommen sie immer besser auch mit schwankenden Wetterbedingungen draußen klar. Die Empfehlung ist, sie sehr früh nach draußen zu bringen, d.h. möglichst schon Anfang April.
Der Flächenbedarf für die Kälber richtet sich ebenfalls nach dem Ertrag der Fläche und ändert sich im Laufe der Vegetationsperiode. Wenn man davon ausgeht, dass ein Kalb mit fünf Monaten 200 kg schwer ist und 2 % ihres Körpergewichtes am Tag aufnimmt, sind z.B. in der Hauptwachstumszeit Mai 15 bis 20 Tiere pro Hektar möglich. Später sollte man die Tierzahl aufgrund des nachlassenden Aufwuchses reduzieren oder die Weidefläche vergrößern.
3 Litzen am Zaun
Ein hütesicherer Zaun mit drei Litzen wird für die Kälberweide empfohlen. Schon allein aus versicherungstechnischen Gründen. Zum Anlernen empfiehlt Johannes Rutz, Milchkuhberater von Naturland in Oberbayern, erstmal eine deutlich erkennbar abgegrenzte Koppel zu bauen, z.B. mit Holzzäunen oder Texastoren sowie einem stromführenden Zaun. Später würden dann die drei stromführenden Litzen reichen.
Es gibt keine klare gesetzliche Vorgabe zum Thema Unterstand auf der Weide. Die LfL Bayern empfiehlt jedoch einen, es muss allerdings kein baulicher Unterstand sein. Es reichen auch Bäume oder Sträucher. Auch ein kühler, schattiger Waldrand ist ideal. Wenn das nicht vorhanden ist, empfiehlt sich ein Dach und eine Seitenwand gegen die Hauptwindrichtung. Iglus heizen sich oftmals zu stark auf. Wenn die Kälber die Weide und die stromgeführte Einzäunung gewohnt sind, können sie auch nachts raus. Wenn kein Unterstand vorhanden ist, muss sichergestellt werden, dass die Tiere in Extremsituationen verbracht werden können.
„Funktioniert nicht überall“
Im Bio-Milchkuhbetrieb von Ulrich Schumacher aus Bielefeld funktioniert der Weideauslauf auch mit Tränkekälbern im Sommer recht gut. „Wir stellen ihnen schon seit 20 Jahren in Gruppen von zehn bis zwölf Tieren ganz kleine Koppeln am Kälberstall zur Verfügung, zu denen sie ständig Zugang haben und die sehr gut zum Rumtoben angenommen werden“, sagt der Betriebsleiter. Parasitenprobleme kennt der Bioland-Hof kaum, obwohl er auf jegliche Prophylaxe am Tier verzichtet. Die Flächen seien stets schön grün und die Narbe dicht. „Wir geben den Kälbern viel Milch und viel gutes Futter im Stall. Das ist entscheidend.
Nach der Tränkephase kommen sie in einen Stall mit Auslauf und erst mit ca. 10 Monaten auf die Weide“, erläutert Schumacher. Eine kontrollierte intensive Fütterung sei bis zum 8. oder 9. Monat unbedingt nötig, allein auf das Weidefutter könne man sich hier nicht verlassen. „Aber unser System ist kein Beispiel für alle Betriebe, der Standort ist für das Funktionieren ganz entscheidend“, betont der Betriebsleiter. Daher lehnt er auch eine generelle Weideverpflichtung für Jungtiere ab und fordert mehr Handlungsspielraum. Die Tiergesundheit müsse im Vordergrund stehen, so Ulrich Schumacher.
Auf der Weide nicht zufüttern
Auch bei Kälbern ist das Weidesystem der Kurzrasenweide ideal. So steht ihnen viel energiereiches Futter zur Verfügung, das hohe Aufnahmen möglich macht. Allenfalls in der ersten Umstellungswoche wird eine Zufütterung auf der Weide empfohlen. Bewährt hat sich bei Weidehaltung von Tränkekälbern Sauer- oder Joghurttränke und später eine Trocken-TMR mit Heu im Stall, um auch mit Weide tägliche Zunahmen von ca. 800 g zu erreichen.
Ansonsten lernen sehr junge Kälber das intensive Grasen auf der Weide im Handumdrehen und viel schneller als ältere Rinder, so dass eine intensive Flächennutzung gewährleistet ist und damit auch bei Weidekälbern ein Erstkalbealter von 24 bis 26 Monaten möglich wird.
Grundsätzlich können alle Kälber – außer natürlich kranke Tiere – nach draußen. Eine Mischung der Altersgruppen ist in der Regel kein Problem. Praxiserfahrungen zeigen, dass gegenseitiges Besaugen auf der Weide kaum vorkommt, wenn dann allenfalls innerhalb der Altersgruppe.
Wie sieht die Parasitenkontrolle aus?
Vor allem Kälber, die ihren ersten Sommer auf der Weide sind, kommen ohne eine Parasitenmanagement nicht aus. Ein regelmäßiger Weidewechsel wäre eine wirksame Vorbeugemaßnahme, ist aber oft mangels ausreichender Flächen um den Hof und aufgrund der nötigen festen Einzäunung vielfach nicht möglich.
Das Fressverhalten, die Gewichtsentwicklung und das Haarkleid der Kälber sind ständig im Blick zu halten.
Johannes Rutz, Naturland
Praktiker haben gute Erfahrungen mit der Eingabe spezieller Bolis (z.B. Systamex) gemacht. Sie bestehen aus mehreren Scheiben von denen sich ca. alle vier Wochen eine auflöst und den Wirkstoff über einige Tage freisetzt. Anschließend sind die Tiere wieder für Parasiten empfänglich. Dadurch bauen sie eine gute Grundimmunität auf.
Regelmäßig Kotproben ziehen
Sinnvoll ist, sich regelmäßig mit Kotproben einen Überblick über die Belastung mit Parasiten zu machen. Empfohlen wird, mehrere Tiere in der Gruppe zwei bis drei Tage lang hintereinander zu beproben, weil die Eierausscheidung sehr unterschiedlich ist. Untersuchen lassen kann man die Proben z.B. beim Tiergesundheitsdienst. „Auch aufgrund möglicher Resistenzen sind Kotproben die erste Methode der Wahl“, rät Rutz Biobetrieben.
Zur Vorbeuge von Gesundheitsproblemen auf der Weide gehört auch die regelmäßige Beobachtung der Tiere, besonders zu Beginn der Weidephase. „Man sollte das Fressverhalten, die Gewichtsentwicklung und das Haarkleid der Tiere regelmäßig prüfen“, empfiehlt Johannes Rutz von Naturland. Ein struppiges Haarkleid kann ein erster Hinweis auf Probleme sein. Vor allem in der Umstellungsphase auf Festfutter kann es sinnvoll sein, die Tiere reinzuholen.
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