Nebenprodukte sind seit Jahren am Markt. Doch lassen sich Rationen mit diesen Futtermitteln tatsächlich preisbewusst ergänzen?
Für die Milchkuhfütterung geeignet sind Nebenprodukte mit einer Energiekonzentration über 6,5 MJ NEL/kg TM. Liegen die Energiegehalte darunter, sollten sie besser in der Jungviehration eingesetzt werden, so Ursula Adams (Spezialberaterin LWK NRW).
Einige Nebenprodukte haben eine große Bedeutung als Proteinlieferant. Zu ihnen gehören Biertreber,...
Nebenprodukte sind seit Jahren am Markt. Doch lassen sich Rationen mit diesen Futtermitteln tatsächlich preisbewusst ergänzen?
Für die Milchkuhfütterung geeignet sind Nebenprodukte mit einer Energiekonzentration über 6,5 MJ NEL/kg TM. Liegen die Energiegehalte darunter, sollten sie besser in der Jungviehration eingesetzt werden, so Ursula Adams (Spezialberaterin LWK NRW).
Einige Nebenprodukte haben eine große Bedeutung als Proteinlieferant. Zu ihnen gehören Biertreber, Getreidepressschlempen oder Maiskleberfutter, die neben einem höheren Rohproteingehalt (25 bis 30 %) oftmals gute Proteinqualitäten (hohe UDP-Gehalte) aufweisen und sich dabei durch eine hohe Energiedichte auszeichnen. Als Alternative oder Ergänzung für Rapsschrot bieten sich auch Weizen- und Mais-Schlempen aus der Ethanol-Gewinnung (z. B. ProtiWanze) an. Diese werden z. T. nur in flüssiger Form angeboten (zusätzlicher Tank mit Rührwerk).
Sowohl Rübenpressschnitzel als auch Kartoffelprodukte sind dazu geeignet, die Energiekonzentration von Grobfutterrationen aufzuwerten. Außerdem weisen einige Nebenprodukte eine hohe Schmackhaftigkeit auf, was das Laufverhalten Kühe in AMS-Betrieben fördern kann.
Anteile in der Ration
Die möglichen Einsatzmengen der Produkte in den Rationen unterscheiden sich. So lässt sich z. B. Biertreber mit bis zu 10 kg Frischmasse (FM), Getreideschlempen mit 5 bis 6 kg FM/Kuh/Tag einsetzen. Hierbei ist auf die Herkunft der Schlempe zu achten – Roggenpressschlempen sind nicht für die Milchkuhration geeignet, sie weisen eine schlechte Verdaulichkeit und damit geringe Energiegehalte auf. Kartoffelpülpe hat hohe Anteile an hochverdaulichen Zellwand-Kohlenhydraten, sie lässt sich mit 5 bis 10 kg FM/ Kuh/Tag einsetzen. Pressschnitzel passen sowohl zu eiweißreichen Grassilagerationen als auch zu maisbetonten Rationen. Für Kühe werden bis zu 5 kg TM/Tag empfohlen.
Achtung: Immer die Deklaration der Futtermittel bei der Berechnung der Ration bzw. Einsatzmenge beachten. TM-Gehalte und Inhaltsstoffe können stark schwanken.
Verfügbarkeit und Preise
Nebenerzeugnisse sind meist Saisonware. Ihre Verfügbarkeit hängt von den Kampagnen in den Werken ab. Und in Milcherzeugerregionen sind freie Mengen oft nachfragebedingt eingeschränkt, Neukunden haben es hier schwer. Aufgrund der Saisonalität werden die Produkte oft nur in bestimmten Zeiträumen gehandelt.
- Biertreber: Derzeit (Q4/21) ist sehr wenig freie Ware verfügbar. Gehandelt wird ganzjährig, bzw. 70 % von April bis September und 30 % von Oktober bis Mai.
- Rübenpressschnitzel: Von Oktober bis Januar laufen die Kampagnen. Die Verfügbarkeit ist aktuell gut. Teils wird im April/Mai, teils noch in den Kampagnen gehandelt.
- Apfel- und Möhrentrester: Sie sind von August/September bis Januar und aktuell gut verfügbar. Meist werden sie kurz vor den Kampagnen gehandelt.
- Kartoffelpülpe: Verfügbar von August/September bis Januar und aktuell gut.
- Getreideschlempe und Maiskleberfutter: Die Produkte sind ganzjährig und derzeit gut verfügbar.
Preiswürdigkeit ermitteln
Nicht immer sind die geforderten Preise für Nebenprodukte wirklich günstig. Deshalb rät Ursula Adams Landwirten regelmäßig, die Preiswürdigkeit zu berechnen. Diese Rechnung muss auf der Basis von Weizen und Rapsextraktionsschrot (als Austausch) erfolgen (Übersicht 1). Bei Weizen sind auf den Preis die Vermahlungskosten (ca. 2 €/dt) aufzurechnen, weil er in der Fütterung nur geschrotet oder gequetscht funktioniert. Ermittelt wird der Preis, den das Nebenprodukt maximal kosten darf.
Bei der Berechnung sollten die tatsächlichen Deklarationswerte sowie die Kosten für Silierverluste (5 bis 10 %), Konservierung und Entnahme (20 bis 40 ct/dt) berücksichtigt werden. Nebenprodukte beanspruchen in der Regel einen höheren arbeitswirtschaftlichen Aufwand (in der Tabelle im Preis enthalten). Deshalb macht es bei einigen Nebenprodukten wie z. B. Biertreber keinen Sinn, Kleinstmengen (< 5 kg) in die Rationen zu nehmen.
Die Preise für Nebenprodukte hängen stark vom Transport ab. So nennt die Treber-Vertriebs GmbH Gebrüder Kühnert (BY) derzeit eine von der Frachtentfernung beeinflusste Preisspanne für Pressschnitzel von 35 und 55 €/t und für Kartoffelpülpe von 18 bis 26 €/t. Apfeltrester wird für rund 48 €/t und Biertreber um die 55 €/t gehandelt. Die AGRAVIS Raiffeisen AG (NRW) erklärt, dass die Preise auch sehr von Angebot und Nachfrage bestimmt sind.
Die Qualität der Nebenprodukte sichern
Frisch sind feuchte Nebenprodukte sehr hygienische Futtermittel. Durch ihre hohen Gehalte an Wasser und aufgeschlossenen Nährstoffen sind sie jedoch leicht verderblich.
Gelangen schimmelige oder faulige Partien in die Ration, kann dies je nach Belastung auch bei ausgewachsenen Tieren zu Leistungseinbußen bis hin zu lebensbedrohlichen Gesundheitsstörungen führen. Derartige Einbrüche können schwere wirtschaftliche Verluste nach sich ziehen.
Damit Nebenprodukte ihre hohe Qualität halten, ist Sauberkeit und Schnelligkeit beim Transport vom Werk zum Endkunden sowie bei der Einlagerung auf dem landwirtschaftlichen Betrieb nötig. Dr. Michael Schmaußer (
Tierarztpraxis Freising) berät viele Milcherzeuger, die Nebenprodukte füttern, und empfiehlt ihnen, sich ein Qualitätsmanagement im Umgang mit den sensiblen Futtermitteln anzueignen.
Jede Lieferung vor dem Abladen prüfen
Für die Produktqualität sind zunächst Werk, Händler und Transporteur verantwortlich. Die Werke arbeiten nach Lebensmittelstandards und müssen für die Abgabe der Produkte QS-zertifiziert sein. Die Produkteigenschaften müssen standardisiert und stabil sein, in der Regel liegt entsprechend nur eine allgemeine (saisonale) Deklaration vor. Landwirte sollten stets aktuelle Zertifizierungen und Deklarationen einfordern. Auch Händler und Transporteure müssen QS-zertifiziert sein und haben ihre Vorschriften für Aufnahme, Transport und Abgabe. All das sollte Landwirte nicht davon „befreien“, jede Lieferung vor dem Abladen selbst zu prüfen! Entspricht die Qualität nicht den produkttypischen Eigenschaften, ist es ihr Recht, die Ware abzulehnen.
Auch das Ziehen eigener Rückstellproben kann erwogen werden.
Erfahren Sie hier mehr zum Thema Rückstellproben!
Hinsichtlich der Futterhygiene ist es sicherer, Nebenprodukte direkt nach der Lieferung einzusilieren. So sind sie gut zwölf Monate haltbar. Verantwortungsvolle Händler beraten ihre Kunden hierzu. Biertreber oder Pressschnitzel halten sich höchstens drei Tage unsiliert, sie neigen zur Nachgärung. Kartoffelpülpe kann aufgrund des niedrigen pH-Wertes tatsächlich unter sauberen Bedingungen bis zu 10 Tage unabgedeckt gelagert und gefüttert werden.
Risiko Komponentenwechsel in der Ration
Um einen kontinuierlichen Einsatz saisonaler Nebenprodukte in der Fütterung zu sichern, müssen Landwirte eine gute Futterplanung betreiben – mit einer Mengenkalkulation, ausreichend Lagerplatz und einem frühzeitig terminierten Einkauf. Eine Bevorratung entspricht dem Ziel von möglichst wenig Komponentenwechseln in Kuhrationen, das allein durch die Wechsel der Gras- und Maissilagen „belastet” ist. Dr. Michael Schmaußer rät in jedem Fall zu vermeiden, dass mehrere Wechsel zusammentreffen.
Das Risiko, dass eine plötzlich neu in die Ration eingebrachte Komponente die Milchleistung und Tiergesundheit stören kann, sollten Milcherzeuger immer bedenken.